Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch "nur" Gefälligkeiten
BGH v. 12.1.2021 - VI ZR 662/20
Der Sachverhalt:
Der Beklagte zu 2) besitzt ein bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichertes Kfz, das behindertengerecht umgebaut ist und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb betätigt werden. Der Kläger wollte mit diesem Auto im August 2018 rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ausparken, um dem Beklagten zu 2), der auf den Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in sein Fahrzeug zu ermöglichen. Dabei verlor der Kläger jedoch die Kontrolle über den Pkw und beschädigte u.a. sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug.
Der Kläger verlangte daraufhin von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz des durch die Beschädigung seines Fahrzeuges entstandenen Schadens. Er behauptete, er habe den Beklagten zu 2) gebeten, ihm die Bedienung des umgebauten Fahrzeugs zu erklären, was dieser fehlerhaft getan habe. Nachdem er auf Anweisung des Zweitbeklagten den Handbremsknopf gelöst habe, sei das Fahrzeug sofort rückwärts losgefahren. Die Beklagten hielten dem entgegen, der Kläger habe erklärt, mit Automatikfahrzeugen kein Problem zu haben. Er habe ohne Anweisung den Motor gestartet, den Rückwärtsgang eingelegt und ohne weiteres Abwarten den Bremshebel losgelassen.
Das AG hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Erstattung der Hälfte des geltend gemachten Schadens nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche aufgrund des streitgegenständlichen Unfallgeschehens zu.
Der Kläger kann die Beklagten nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Halterhaftung in Anspruch nehmen. Entsprechende Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. gegen die Beklagte zu 1) aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, § 7 Abs. 1 StVG gem. § 8 Nr. 2 StVG sind ausgeschlossen. Nach der Regelung in § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind.
Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch den vom Kläger geltend gemachten Schaden aufgrund der Beschädigung seines Pkw. Zwar soll nach einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gemäß seinem Gesetzessinn nicht eingreifen, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall seinen eigenen Pkw beschädigt. Begründet wird dies vor allem damit, dass in einem solchen Fall die beschädigte eigene Sache des Fahrzeugführers bei dem Betrieb keine Rolle gespielt habe und vom Geschädigten nicht freiwillig und bewusst den besonderen Gefahren des Betriebes des geführten Fahrzeuges ausgesetzt worden, sondern lediglich zufällig in dessen Gefahrenkreis geraten sei. Diese Auffassung hält der Senat jedoch in Bezug auf den Streitfall für nicht überzeugend.
Der Kläger hat mit dem von ihm geführten Fahrzeug schon nicht eine Sache beschädigt, die "zufällig" in dessen Einwirkungsbereich geraten ist und der Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs nicht in besonderem Maße ausgesetzt war. Vielmehr wollte der Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 2) für diesen aus der Parklücke fahren und hat durch das Manövrieren sein von ihm selbst auf demselben Parkplatz abgestelltes eigenes Fahrzeug bewusst der Betriebsgefahr des von ihm selbst geführten Kraftfahrzeugs ausgesetzt. Insoweit macht es hier keinen Unterschied, ob sich die beschädigte Sache innerhalb oder außerhalb des vom Kläger geführten Fahrzeugs befand. Im vorliegenden Fall entspricht die Anwendung des Haftungsausschlusses daher der Intention des Gesetzes.
BGH online
Der Beklagte zu 2) besitzt ein bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichertes Kfz, das behindertengerecht umgebaut ist und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb betätigt werden. Der Kläger wollte mit diesem Auto im August 2018 rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ausparken, um dem Beklagten zu 2), der auf den Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in sein Fahrzeug zu ermöglichen. Dabei verlor der Kläger jedoch die Kontrolle über den Pkw und beschädigte u.a. sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug.
Der Kläger verlangte daraufhin von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz des durch die Beschädigung seines Fahrzeuges entstandenen Schadens. Er behauptete, er habe den Beklagten zu 2) gebeten, ihm die Bedienung des umgebauten Fahrzeugs zu erklären, was dieser fehlerhaft getan habe. Nachdem er auf Anweisung des Zweitbeklagten den Handbremsknopf gelöst habe, sei das Fahrzeug sofort rückwärts losgefahren. Die Beklagten hielten dem entgegen, der Kläger habe erklärt, mit Automatikfahrzeugen kein Problem zu haben. Er habe ohne Anweisung den Motor gestartet, den Rückwärtsgang eingelegt und ohne weiteres Abwarten den Bremshebel losgelassen.
Das AG hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Erstattung der Hälfte des geltend gemachten Schadens nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche aufgrund des streitgegenständlichen Unfallgeschehens zu.
Der Kläger kann die Beklagten nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Halterhaftung in Anspruch nehmen. Entsprechende Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. gegen die Beklagte zu 1) aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, § 7 Abs. 1 StVG gem. § 8 Nr. 2 StVG sind ausgeschlossen. Nach der Regelung in § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind.
Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch den vom Kläger geltend gemachten Schaden aufgrund der Beschädigung seines Pkw. Zwar soll nach einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gemäß seinem Gesetzessinn nicht eingreifen, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall seinen eigenen Pkw beschädigt. Begründet wird dies vor allem damit, dass in einem solchen Fall die beschädigte eigene Sache des Fahrzeugführers bei dem Betrieb keine Rolle gespielt habe und vom Geschädigten nicht freiwillig und bewusst den besonderen Gefahren des Betriebes des geführten Fahrzeuges ausgesetzt worden, sondern lediglich zufällig in dessen Gefahrenkreis geraten sei. Diese Auffassung hält der Senat jedoch in Bezug auf den Streitfall für nicht überzeugend.
Der Kläger hat mit dem von ihm geführten Fahrzeug schon nicht eine Sache beschädigt, die "zufällig" in dessen Einwirkungsbereich geraten ist und der Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs nicht in besonderem Maße ausgesetzt war. Vielmehr wollte der Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 2) für diesen aus der Parklücke fahren und hat durch das Manövrieren sein von ihm selbst auf demselben Parkplatz abgestelltes eigenes Fahrzeug bewusst der Betriebsgefahr des von ihm selbst geführten Kraftfahrzeugs ausgesetzt. Insoweit macht es hier keinen Unterschied, ob sich die beschädigte Sache innerhalb oder außerhalb des vom Kläger geführten Fahrzeugs befand. Im vorliegenden Fall entspricht die Anwendung des Haftungsausschlusses daher der Intention des Gesetzes.