Hammerschlags- und Leiterrecht: Zur Anzeigepflicht für Kranarbeiten
OLG München v. 15.10.2020, 8 U 5531/20
Der Sachverhalt:
Der Verfügungsbeklagte zu 1) ist Eigentümer eines Nachbargrundstücks der Verfügungsklägerin. Er errichtet auf seinem Grundstück derzeit mit Hilfe der Verfügungsbeklagten zu 2) ein Mehrfamilienhaus. Im August 2020 hatte der Verfügungsbeklagte zu 1) der Verfügungsklägerin die beabsichtigten Bauarbeiten angezeigt. Diese sahen auch das Aufstellen eines Krans und ein Überschwenken des Baukrans über das Grundstück der Verfügungsklägerin vor.
Hierauf wurde seitens der Verfügungsklägerin erklärt, dass, solange keine näheren Angaben vorlägen, in keiner Weise einem Überschwenken des Krans zugestimmt werde. Sie teilte auch der Verfügungsbeklagten zu 2) mit, dass eine Bauabwicklung mit Nutzung eines Krans, der über das Grundstück schwinge, keinesfalls akzeptiert und dagegen gerichtlich vorgegangen werden würde. Gleichwohl wurde kurz darauf auf dem Grundstück des Verfügungsbeklagten zu 1) etwa mittig ein Kran mit einem Schwenkbereich von ca. 40 m aufgestellt. Die Verfügungsbeklagten haben angekündigt, den Kran in der Weise zu handhaben, dass der Ausleger nur lastenfrei über das Grundstück der Verfügungsklägerin schwenkt.
Die Verfügungsklägerin verlangte dennoch von den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, es zu unterlassen, den Kranarm des Baukrans über ihr Grundstück zu schwenken oder schwenken zu lassen. Das LG hat den Antrag nach mündlichen Verhandlung mit der Begründung abgewiesen, die Verfügungsklägerin müsse ein Überschwenken ihres Grundstückes ohne Last gem. § 905 S. 2 BGB dulden. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin hat das OLG das Urteil aufgehoben und den Verfügungsbeklagten - jedem für sich - geboten, es zu unterlassen, vom Baugrundstück aus einen Baukran in den Luftbereich über dem Grundstück zu schwenken oder Schwenken zu lassen.
Die Gründe:
Das LG hat übersehen, dass die Verfügungsbeklagten das in Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB (Hammerschlags- und Leiterrecht) vorgesehene Verfahren für eine Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks der Verfügungsklägerin nicht vollständig eingehalten hatten. Daher ist ihnen diese Inanspruchnahme derzeit schon wegen verbotener Eigenmacht gem. §§ 858, 862 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verfügungsklägerin materiell-rechtlich eine entsprechende Duldungspflicht treffen könnte
Auch in Bayern ist die Anzeige gem. Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht aber Bedingung des Duldungsanspruchs. Erklärt sich der Verpflichtete nicht, darf der Berechtigte das Nachbargrundstück ohne Weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen. Verweigert der Verpflichtete dies, darf der Berechtigte das Recht - außer in dem Fall des Notstands (§ 904 BGB) - nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen. Vielmehr muss er Duldungsklage erheben und darf das Nachbargrundstück erst auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen.
Gem. Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB ist die Absicht, das Recht nach Absatz 1 auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen. Diese Anzeige hatten die Verfügungsbeklagten hier vorliegend zwar noch erstattet. Gleichwohl waren sie nach der Ablehnung ihres Ansinnens durch die Verfügungsklägerin aber nicht berechtigt, eigenmächtig zur Selbsthilfe zu schreiten.
Zwar bedarf es derzeit keiner Entscheidung, ob sich eine materiell-rechtliche Duldungspflicht hier unmittelbar aus § 905 S. 2 BGB ergeben könnte. Allerdings spricht viel dafür, dass auch insoweit Art. 46 b Abs. 1 BayAGBGB die vorrangige Regelung darstellt. Danach dürfte nur auf das Nachbargrundstück übergegriffen werden, wenn und soweit
1. das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,
2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und
3. das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.
Insbesondere 1. dürfte im Rahmen einer Duldungsklage im Streitfall nicht ohne Beteiligung eines Sachverständigen für Baustelleneinrichtung geklärt werden können.
Bayern.Recht
Der Verfügungsbeklagte zu 1) ist Eigentümer eines Nachbargrundstücks der Verfügungsklägerin. Er errichtet auf seinem Grundstück derzeit mit Hilfe der Verfügungsbeklagten zu 2) ein Mehrfamilienhaus. Im August 2020 hatte der Verfügungsbeklagte zu 1) der Verfügungsklägerin die beabsichtigten Bauarbeiten angezeigt. Diese sahen auch das Aufstellen eines Krans und ein Überschwenken des Baukrans über das Grundstück der Verfügungsklägerin vor.
Hierauf wurde seitens der Verfügungsklägerin erklärt, dass, solange keine näheren Angaben vorlägen, in keiner Weise einem Überschwenken des Krans zugestimmt werde. Sie teilte auch der Verfügungsbeklagten zu 2) mit, dass eine Bauabwicklung mit Nutzung eines Krans, der über das Grundstück schwinge, keinesfalls akzeptiert und dagegen gerichtlich vorgegangen werden würde. Gleichwohl wurde kurz darauf auf dem Grundstück des Verfügungsbeklagten zu 1) etwa mittig ein Kran mit einem Schwenkbereich von ca. 40 m aufgestellt. Die Verfügungsbeklagten haben angekündigt, den Kran in der Weise zu handhaben, dass der Ausleger nur lastenfrei über das Grundstück der Verfügungsklägerin schwenkt.
Die Verfügungsklägerin verlangte dennoch von den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, es zu unterlassen, den Kranarm des Baukrans über ihr Grundstück zu schwenken oder schwenken zu lassen. Das LG hat den Antrag nach mündlichen Verhandlung mit der Begründung abgewiesen, die Verfügungsklägerin müsse ein Überschwenken ihres Grundstückes ohne Last gem. § 905 S. 2 BGB dulden. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin hat das OLG das Urteil aufgehoben und den Verfügungsbeklagten - jedem für sich - geboten, es zu unterlassen, vom Baugrundstück aus einen Baukran in den Luftbereich über dem Grundstück zu schwenken oder Schwenken zu lassen.
Die Gründe:
Das LG hat übersehen, dass die Verfügungsbeklagten das in Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB (Hammerschlags- und Leiterrecht) vorgesehene Verfahren für eine Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks der Verfügungsklägerin nicht vollständig eingehalten hatten. Daher ist ihnen diese Inanspruchnahme derzeit schon wegen verbotener Eigenmacht gem. §§ 858, 862 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verfügungsklägerin materiell-rechtlich eine entsprechende Duldungspflicht treffen könnte
Auch in Bayern ist die Anzeige gem. Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht aber Bedingung des Duldungsanspruchs. Erklärt sich der Verpflichtete nicht, darf der Berechtigte das Nachbargrundstück ohne Weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen. Verweigert der Verpflichtete dies, darf der Berechtigte das Recht - außer in dem Fall des Notstands (§ 904 BGB) - nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen. Vielmehr muss er Duldungsklage erheben und darf das Nachbargrundstück erst auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen.
Gem. Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB ist die Absicht, das Recht nach Absatz 1 auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen. Diese Anzeige hatten die Verfügungsbeklagten hier vorliegend zwar noch erstattet. Gleichwohl waren sie nach der Ablehnung ihres Ansinnens durch die Verfügungsklägerin aber nicht berechtigt, eigenmächtig zur Selbsthilfe zu schreiten.
Zwar bedarf es derzeit keiner Entscheidung, ob sich eine materiell-rechtliche Duldungspflicht hier unmittelbar aus § 905 S. 2 BGB ergeben könnte. Allerdings spricht viel dafür, dass auch insoweit Art. 46 b Abs. 1 BayAGBGB die vorrangige Regelung darstellt. Danach dürfte nur auf das Nachbargrundstück übergegriffen werden, wenn und soweit
1. das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,
2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und
3. das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.
Insbesondere 1. dürfte im Rahmen einer Duldungsklage im Streitfall nicht ohne Beteiligung eines Sachverständigen für Baustelleneinrichtung geklärt werden können.