Handwerker traute sich nicht in Wohnung - Entziehungsklage gegen Messie-Eigentümerin
AG Lörrach v. 16.12.2024, 3 C 855/23 WEG
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und die Beklagte bildeten eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte war rechtskräftig dazu verurteilt worden, durch geeignete Maßnahmen (wie insbesondere durch die Entfernung von verdorbenen Lebensmitteln, regelmäßige Abfallentsorgung, regelmäßiges Lüften) dafür zu sorgen, dass von ihrer Wohnung im 1. Obergeschoss kein starker Geruch/Gestank nach draußen in das Treppenhaus dringt sowie auf angrenzende Balkone bzw. vor die über ihre Wohnung befindlichen Fenster zieht. Aufgrund des Gestanks kündigte eine Familie über der Beklagten ihr Mietverhältnis.
Als ein Problem mit einem Leck im Abwasserrohr aufgetreten war, bestand die Vermutung, dass sich dieses im Bad der Beklagten befand. Einem Handwerker zur Leckortung gewährte die Beklagte zwar Zugang zu ihrer Wohnung, allerdings weigerte dieser sich nach wenigen Schritten weiter in die Wohnung zu gehen, da er um seine Gesundheit fürchtete. Der Handwerker teilte mit, dass die Wohnung mit Müll vollgestellt und kaum ein Weg frei zum Bad war. Er hätte über Gegenstände steigen müssen, die im Flur hoch aufgetürmt waren. Viel schlimmer war aber, dass bei jedem Schritt eine stinkende Flüssigkeit aus dem Laminat drang.
Mit Umlaufbeschluss vom 13.7.2022 wurde der Verwalter der Klägerin beauftragt, die Entziehung des Wohnungseigentums gegen die Beklagte im Namen der sieben übrigen Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich gem. § 17 WEG geltend zu machen. Die Beklagte wurde an diesem Umlaufbeschluss nicht beteiligt. Die Wohnungseigentümer haben zudem in der Versammlung vom 19.6.2023 zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Umlaufbeschluss festhalten wollten und haben nochmals einstimmig einen inhaltsgleichen Beschluss gefasst.
Das AG hat die Beklagte dazu verurteilt, ihr Wohnungseigentum zu veräußern. Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte Einspruch ein. Sie trug vor, dass sie prozessunfähig sei. Der Entzug ihres Eigentums sei unzumutbar, weil sie ihr Leben lang gearbeitet habe und davon das Eigentum erworben habe. Das AG erließ daraufhin ein zweites Versäumnisurteil, das vom LG aufgehoben wurde. Das AG blieb auch im weiteren Verfahren bei seiner Klagestattgabe.
Die Gründe:
Die Entziehungsklage nach § 17 WEG war begründet.
Zwar war der Umlaufbeschluss nach § 23 Abs. 3 WEG rechtswidrig ergangen, was zur Nichtigkeit des Beschlusses führte. Alle Wohnungseigentümer bis auf die Beklagte hatten ihre Zustimmung in Textform abgegeben. Das genügte nach § 23 Abs. 3 S. 1 WEG aber nicht. Denn auch die von der Stimmberechtigung ausgeschlossene Wohnungseigentümerin musste zumindest dem Verfahren eines Umlaufbeschlusses zustimmen. Zudem wurde das Zustandekommen des Beschlusses noch nicht festgestellt und der Beschluss wurde noch nicht verkündet. Das galt auch für den Beschluss aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.6.2023.
Allerdings hatten die sieben Wohnungseigentümer gegenüber dem Versammlungsleiter unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Entziehung gewollt war. Diese Willenserklärungen waren als Stimmabgaben zu werten. Eine bestimmte Form der Stimmabgabe sieht das Gesetz nicht vor. Die Wohnungseigentümer hatten zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Umlaufbeschluss festhalten wollten und damit nochmals einen inhaltsgleichen Beschluss gefasst. Auch im Übrigen lagen, bis auf die Verkündung, die Voraussetzungen für einen wirksam zustande gekommenen Beschluss vor.
Das Gericht ging davon aus, dass ein Beschluss der Klägerin keine Prozessvoraussetzung war. Zwar wird teilweise in der Literatur vertreten, dass es sich um eine besondere Prozessvoraussetzung handelt. Dabei wird auf die Rechtsprechung zum § 18 Abs. 3 WEG a.F. verwiesen, wonach vom Wortlaut her bereits ein solcher Beschluss notwendig war. Überwiegend wird aber angenommen, dass es sich um keine besondere Prozessvoraussetzung handelt. Und das Gericht schließt sich der letzteren Meinung an. Denn die Möglichkeit des Verwalters rechtswirksam zu handeln, und damit zu klagen, ergibt sich aus § 9b Abs. 1 S. 1 WEG. Diese Vertretungsmacht ist auch unbeschränkt (§ 9b Abs. 1 S. 3 WEG). Ein Beschluss der Klägerin regelt lediglich das Innenverhältnis.
Die Beklagte verstieß jahrelang gegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, indem sie die übrigen Mitbewohner mit unerträglichen Gerüchen belästigt hatte. Dass sie dafür verantwortlich war, stand für das Gerichts fest. Das durchgeführte Gerichtsverfahren auf Unterlassung stand einer Abmahnung gleich. Zwar verstieß die Beklagte nicht direkt gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG, da sie den Handwerker zur Leckortung hineinlassen wollte. Allerdings impliziert § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG die Pflicht die Wohnung in einem Zustand zu halten, dass die nötigen Einwirkungen auch durchgeführt werden können, die für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Dadurch, dass die Beklagte ihre Wohnung verwahrlosen lies, und sich ein Handwerker nicht traute hineinzugehen, konnten die nötigen Arbeiten zum Erhalt des Gemeinschaftseigentums nicht durchgeführt werden. Das Gemeinschaftsverhältnis war den anderen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten. Der Erhalt der Wohnung versprach keine Besserung des Zustandes der Beklagten.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin und die Beklagte bildeten eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte war rechtskräftig dazu verurteilt worden, durch geeignete Maßnahmen (wie insbesondere durch die Entfernung von verdorbenen Lebensmitteln, regelmäßige Abfallentsorgung, regelmäßiges Lüften) dafür zu sorgen, dass von ihrer Wohnung im 1. Obergeschoss kein starker Geruch/Gestank nach draußen in das Treppenhaus dringt sowie auf angrenzende Balkone bzw. vor die über ihre Wohnung befindlichen Fenster zieht. Aufgrund des Gestanks kündigte eine Familie über der Beklagten ihr Mietverhältnis.
Als ein Problem mit einem Leck im Abwasserrohr aufgetreten war, bestand die Vermutung, dass sich dieses im Bad der Beklagten befand. Einem Handwerker zur Leckortung gewährte die Beklagte zwar Zugang zu ihrer Wohnung, allerdings weigerte dieser sich nach wenigen Schritten weiter in die Wohnung zu gehen, da er um seine Gesundheit fürchtete. Der Handwerker teilte mit, dass die Wohnung mit Müll vollgestellt und kaum ein Weg frei zum Bad war. Er hätte über Gegenstände steigen müssen, die im Flur hoch aufgetürmt waren. Viel schlimmer war aber, dass bei jedem Schritt eine stinkende Flüssigkeit aus dem Laminat drang.
Mit Umlaufbeschluss vom 13.7.2022 wurde der Verwalter der Klägerin beauftragt, die Entziehung des Wohnungseigentums gegen die Beklagte im Namen der sieben übrigen Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich gem. § 17 WEG geltend zu machen. Die Beklagte wurde an diesem Umlaufbeschluss nicht beteiligt. Die Wohnungseigentümer haben zudem in der Versammlung vom 19.6.2023 zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Umlaufbeschluss festhalten wollten und haben nochmals einstimmig einen inhaltsgleichen Beschluss gefasst.
Das AG hat die Beklagte dazu verurteilt, ihr Wohnungseigentum zu veräußern. Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte Einspruch ein. Sie trug vor, dass sie prozessunfähig sei. Der Entzug ihres Eigentums sei unzumutbar, weil sie ihr Leben lang gearbeitet habe und davon das Eigentum erworben habe. Das AG erließ daraufhin ein zweites Versäumnisurteil, das vom LG aufgehoben wurde. Das AG blieb auch im weiteren Verfahren bei seiner Klagestattgabe.
Die Gründe:
Die Entziehungsklage nach § 17 WEG war begründet.
Zwar war der Umlaufbeschluss nach § 23 Abs. 3 WEG rechtswidrig ergangen, was zur Nichtigkeit des Beschlusses führte. Alle Wohnungseigentümer bis auf die Beklagte hatten ihre Zustimmung in Textform abgegeben. Das genügte nach § 23 Abs. 3 S. 1 WEG aber nicht. Denn auch die von der Stimmberechtigung ausgeschlossene Wohnungseigentümerin musste zumindest dem Verfahren eines Umlaufbeschlusses zustimmen. Zudem wurde das Zustandekommen des Beschlusses noch nicht festgestellt und der Beschluss wurde noch nicht verkündet. Das galt auch für den Beschluss aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.6.2023.
Allerdings hatten die sieben Wohnungseigentümer gegenüber dem Versammlungsleiter unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Entziehung gewollt war. Diese Willenserklärungen waren als Stimmabgaben zu werten. Eine bestimmte Form der Stimmabgabe sieht das Gesetz nicht vor. Die Wohnungseigentümer hatten zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Umlaufbeschluss festhalten wollten und damit nochmals einen inhaltsgleichen Beschluss gefasst. Auch im Übrigen lagen, bis auf die Verkündung, die Voraussetzungen für einen wirksam zustande gekommenen Beschluss vor.
Das Gericht ging davon aus, dass ein Beschluss der Klägerin keine Prozessvoraussetzung war. Zwar wird teilweise in der Literatur vertreten, dass es sich um eine besondere Prozessvoraussetzung handelt. Dabei wird auf die Rechtsprechung zum § 18 Abs. 3 WEG a.F. verwiesen, wonach vom Wortlaut her bereits ein solcher Beschluss notwendig war. Überwiegend wird aber angenommen, dass es sich um keine besondere Prozessvoraussetzung handelt. Und das Gericht schließt sich der letzteren Meinung an. Denn die Möglichkeit des Verwalters rechtswirksam zu handeln, und damit zu klagen, ergibt sich aus § 9b Abs. 1 S. 1 WEG. Diese Vertretungsmacht ist auch unbeschränkt (§ 9b Abs. 1 S. 3 WEG). Ein Beschluss der Klägerin regelt lediglich das Innenverhältnis.
Die Beklagte verstieß jahrelang gegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, indem sie die übrigen Mitbewohner mit unerträglichen Gerüchen belästigt hatte. Dass sie dafür verantwortlich war, stand für das Gerichts fest. Das durchgeführte Gerichtsverfahren auf Unterlassung stand einer Abmahnung gleich. Zwar verstieß die Beklagte nicht direkt gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG, da sie den Handwerker zur Leckortung hineinlassen wollte. Allerdings impliziert § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG die Pflicht die Wohnung in einem Zustand zu halten, dass die nötigen Einwirkungen auch durchgeführt werden können, die für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Dadurch, dass die Beklagte ihre Wohnung verwahrlosen lies, und sich ein Handwerker nicht traute hineinzugehen, konnten die nötigen Arbeiten zum Erhalt des Gemeinschaftseigentums nicht durchgeführt werden. Das Gemeinschaftsverhältnis war den anderen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten. Der Erhalt der Wohnung versprach keine Besserung des Zustandes der Beklagten.
Kommentierung | WEG
§ 23 Wohnungseigentümerversammlung
Schultzky in Jennißen, WEG, Kommentar, 8. Auflage
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