Hausratversicherung: Festgestellte Spuren müssen nicht zweifelsfrei auf Einbruch schließen lassen
BGH v. 17.4.2024 - IV ZR 91/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt als Erbe seines während des Rechtsstreits verstorbenen Vaters Deckung aus einer Hausratversicherung wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls. In den vom Vater mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind deren Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84) einbezogen. Nach § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84 liegt ein Einbruchdiebstahl u.a. dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt.
Der Kläger behauptet, in der Nacht vom 17. auf den 18.12.2016 seien während der Abwesenheit seiner Eltern unbekannte Täter in das versicherte Wohngebäude eingedrungen. Die Täter hätten sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft, nachdem sie zunächst vergeblich versucht hätten, das mittlere Erdgeschossfenster aufzuhebeln. Sie hätten das Gebäude nach Wertsachen durchsucht und aus einem Kleiderschrank im Obergeschoss einen verschlossenen Tresor mit Schriftstücken, Bargeld und Wertgegenständen entwendet.
LG und OLG wiesen die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH v. 8.4.2015 - IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 13; BGH v. 20.12.2006 - IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 9 f.). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind.
Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.
Gemessen daran hat das OLG den Nachweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint. Zu Unrecht stellt es darauf ab, dass der Sachverständige das Einstiegsfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachen zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren hat öffnen können. Damit verlangt das OLG für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien, also stimmigen Spurenbilds und hält dem Kläger darüber hinaus das Fehlen der bei der behaupteten Vorgehensweise der Täter zu erwartenden, stärkeren Hebelspuren entgegen. Es vermisst den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ist.
Die Feststellungen des OLG betreffend die Verriegelung der beiden Fenster hindern den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ebenfalls nicht. Er scheidet nicht deshalb aus, weil die Hebelspuren am mittleren Fenster nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden können, die Polizeibeamten das Fenster aber in Kippstellung vorgefunden haben und der Fenstergriff sich auf einem Foto in den Ermittlungsakten nicht in der für eine Verriegelung notwendigen waagerechten Stellung befunden hat. Entsprechendes gilt für die nicht aufklärbare Frage der Verriegelung des Einstiegsfensters. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen. So liegt es hier nicht.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (siehe Leitsätze):
Vom VN zu beweisendes äußeres Bild eines Einbruchdiebstahls setzt kein "stimmiges Spurenbild" voraus
BGH vom 08.04.2015 - IV ZR 171/13
k.A., VersR 2015, 710
Rechtsprechung (siehe Gründe):
Das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls über eine Loggia im ersten Stock erfordert keine Darlegung der Art des von dem Täter erreichten Zugangs zum Tatort
BGH vom 20.12.2006 - IV ZR 233/05
k.A., VersR 2007, 241
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Der Kläger begehrt als Erbe seines während des Rechtsstreits verstorbenen Vaters Deckung aus einer Hausratversicherung wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls. In den vom Vater mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind deren Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84) einbezogen. Nach § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84 liegt ein Einbruchdiebstahl u.a. dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt.
Der Kläger behauptet, in der Nacht vom 17. auf den 18.12.2016 seien während der Abwesenheit seiner Eltern unbekannte Täter in das versicherte Wohngebäude eingedrungen. Die Täter hätten sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft, nachdem sie zunächst vergeblich versucht hätten, das mittlere Erdgeschossfenster aufzuhebeln. Sie hätten das Gebäude nach Wertsachen durchsucht und aus einem Kleiderschrank im Obergeschoss einen verschlossenen Tresor mit Schriftstücken, Bargeld und Wertgegenständen entwendet.
LG und OLG wiesen die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH v. 8.4.2015 - IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 13; BGH v. 20.12.2006 - IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 9 f.). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind.
Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.
Gemessen daran hat das OLG den Nachweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint. Zu Unrecht stellt es darauf ab, dass der Sachverständige das Einstiegsfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachen zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren hat öffnen können. Damit verlangt das OLG für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien, also stimmigen Spurenbilds und hält dem Kläger darüber hinaus das Fehlen der bei der behaupteten Vorgehensweise der Täter zu erwartenden, stärkeren Hebelspuren entgegen. Es vermisst den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ist.
Die Feststellungen des OLG betreffend die Verriegelung der beiden Fenster hindern den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ebenfalls nicht. Er scheidet nicht deshalb aus, weil die Hebelspuren am mittleren Fenster nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden können, die Polizeibeamten das Fenster aber in Kippstellung vorgefunden haben und der Fenstergriff sich auf einem Foto in den Ermittlungsakten nicht in der für eine Verriegelung notwendigen waagerechten Stellung befunden hat. Entsprechendes gilt für die nicht aufklärbare Frage der Verriegelung des Einstiegsfensters. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen. So liegt es hier nicht.
Rechtsprechung (siehe Leitsätze):
Vom VN zu beweisendes äußeres Bild eines Einbruchdiebstahls setzt kein "stimmiges Spurenbild" voraus
BGH vom 08.04.2015 - IV ZR 171/13
k.A., VersR 2015, 710
Rechtsprechung (siehe Gründe):
Das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls über eine Loggia im ersten Stock erfordert keine Darlegung der Art des von dem Täter erreichten Zugangs zum Tatort
BGH vom 20.12.2006 - IV ZR 233/05
k.A., VersR 2007, 241
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