Herabsetzung der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zu leistenden Sicherheit durch das Revisionsgericht?
BGH v. 26.3.2024 - VIII ZR 22/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagte begehrt - vor der Entscheidung über ihre Nichtzulassungsbeschwerde - die Änderung von Art und Höhe der im Berufungsurteil zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ausgesprochenen Sicherheitsleistung. Sie wurde erstinstanzlich durch das LG zur Zahlung eines Betrags von rd. 168.000 €, zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, sowie zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das OLG wies die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück, erklärte das Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil für vorläufig vollstreckbar und räumte der Beklagten ein, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision ließ das OLG nicht zu. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Sie beantragt - vorab - ihr nachzulassen, in Abänderung der Entscheidung des OLG zur vorläufigen Vollstreckbarkeit die erforderliche Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer "Partnerfirma", mit welcher sie seit längerem in Geschäftsverbindung stehe, erbringen zu dürfen. Zudem beantragt sie, die Höhe der Sicherheitsleistung "zu bestimmen", da die Bürgschaftserklärung eine "bestimmte akzessorische Forderung" enthalten müsse, sowie diese auf die zu vollstreckende Hauptforderung (168.000 €) zu beschränken.
Der BGH wies die Anträge der Beklagten zurück.
Die Gründe:
Die Anträge der Beklagten sind unzulässig.
Die Anordnung der Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung für die Beklagte als Schuldnerin aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des OLG (§ 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO) entspricht in ihrem Wortlaut der gesetzlichen Vorgabe in § 711 Satz 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Danach ist die Sicherheit "in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten." Mit diesem Ausspruch ist die Höhe der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zu leistenden Sicherheit bereits bestimmt. Eine von der Beklagten begehrte summenmäßige Bezifferung des von ihr zu leistenden Betrags durch das Gericht ist weder gesetzlich vorgesehen noch erforderlich. Der Antrag der Beklagten, die nach Vorstehendem im Umfang der zugunsten der Klägerin titulierten Hauptforderung, der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, der Zinsen sowie der bereits festgesetzten Kosten zu leistende Sicherheit der Höhe nach lediglich auf die Hauptforderung zu beschränken, ist ebenfalls unzulässig, weil das Gesetz eine Herabsetzung der Sicherheit nicht vorsieht.
Ebenso unzulässig ist der weitere Antrag der Beklagten, die Art der Sicherheitsleistung dahingehend abzuändern, dass statt der Hinterlegung bzw. der Stellung einer Bürgschaft durch ein inländisches Kreditinstitut (§ 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO) die Bürgschaft einer "Partnerfirma" zugelassen wird. Denn die Voraussetzungen, nach denen das Revisionsgericht zur Entscheidung über diesen Antrag ausnahmsweise zuständig sein kann, liegen hier nicht vor. Ist die Bestellung einer prozessualen Sicherheit angeordnet, kann das Gericht gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit - wie vorliegend - das Gericht eine solche Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1, 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind.
Zwar können Anordnungen gem.§ 108 Abs. 1 ZPO über die Art der Sicherheitsleistung - anders als über deren Höhe - auf Antrag abgeändert werden. Für die Bestimmung und die Abänderung der Art einer Sicherheitsleistung ist jedoch grundsätzlich das Gericht zuständig, das diese angeordnet hat. Damit ist vorliegend für die Entscheidung über den Antrag der Beklagten, die von ihr zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zu leistende Sicherheit hinsichtlich deren Art abzuändern, das OLG zuständig. Die Erbringung einer Sicherheitsleistung durch die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung wurde (erst) im Berufungsurteil in Anwendung der Vorschriften der § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2, § 709 Satz 2 ZPO ausgesprochen. Es liegt auch kein Fall vor, in welchem ausnahmsweise das Revisionsgericht zur Entscheidung über die beantragte Abänderung der Art der Sicherheitsleistung zuständig wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Revisionsgericht hierfür nur dann ausnahmsweise zuständig, wenn das an sich zuständige Instanzgericht den Antrag ohne Sachentscheidung in unanfechtbarer Weise zu Ungunsten des Antragstellers beschieden hat und eine besondere Eilbedürftigkeit besteht. Hieran fehlt es vorliegend.
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Die Beklagte begehrt - vor der Entscheidung über ihre Nichtzulassungsbeschwerde - die Änderung von Art und Höhe der im Berufungsurteil zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ausgesprochenen Sicherheitsleistung. Sie wurde erstinstanzlich durch das LG zur Zahlung eines Betrags von rd. 168.000 €, zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, sowie zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das OLG wies die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück, erklärte das Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil für vorläufig vollstreckbar und räumte der Beklagten ein, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Revision ließ das OLG nicht zu. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Sie beantragt - vorab - ihr nachzulassen, in Abänderung der Entscheidung des OLG zur vorläufigen Vollstreckbarkeit die erforderliche Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer "Partnerfirma", mit welcher sie seit längerem in Geschäftsverbindung stehe, erbringen zu dürfen. Zudem beantragt sie, die Höhe der Sicherheitsleistung "zu bestimmen", da die Bürgschaftserklärung eine "bestimmte akzessorische Forderung" enthalten müsse, sowie diese auf die zu vollstreckende Hauptforderung (168.000 €) zu beschränken.
Der BGH wies die Anträge der Beklagten zurück.
Die Gründe:
Die Anträge der Beklagten sind unzulässig.
Die Anordnung der Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung für die Beklagte als Schuldnerin aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des OLG (§ 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO) entspricht in ihrem Wortlaut der gesetzlichen Vorgabe in § 711 Satz 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Danach ist die Sicherheit "in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten." Mit diesem Ausspruch ist die Höhe der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zu leistenden Sicherheit bereits bestimmt. Eine von der Beklagten begehrte summenmäßige Bezifferung des von ihr zu leistenden Betrags durch das Gericht ist weder gesetzlich vorgesehen noch erforderlich. Der Antrag der Beklagten, die nach Vorstehendem im Umfang der zugunsten der Klägerin titulierten Hauptforderung, der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, der Zinsen sowie der bereits festgesetzten Kosten zu leistende Sicherheit der Höhe nach lediglich auf die Hauptforderung zu beschränken, ist ebenfalls unzulässig, weil das Gesetz eine Herabsetzung der Sicherheit nicht vorsieht.
Ebenso unzulässig ist der weitere Antrag der Beklagten, die Art der Sicherheitsleistung dahingehend abzuändern, dass statt der Hinterlegung bzw. der Stellung einer Bürgschaft durch ein inländisches Kreditinstitut (§ 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO) die Bürgschaft einer "Partnerfirma" zugelassen wird. Denn die Voraussetzungen, nach denen das Revisionsgericht zur Entscheidung über diesen Antrag ausnahmsweise zuständig sein kann, liegen hier nicht vor. Ist die Bestellung einer prozessualen Sicherheit angeordnet, kann das Gericht gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit - wie vorliegend - das Gericht eine solche Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1, 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind.
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