03.05.2023

Hohe Anforderungen für vorvertraglichen Schadensersatz nach gescheiterten Verhandlungen über den Kauf eines Gewerbegrundstücks

Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt. Bei einem Grundstückskaufvertrag sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch strengere Anforderungen zu stellen.

LG Wuppertal v. 3.3.2023 - 6 O 101/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist die Tochtergesellschaft einer Kommune und als Wirtschaftsförderungsgesellschaft u.a. dafür zuständig, Grundstücke für die örtliche Wirtschaft zur Verfügung zu stellen und zu vermarkten. Die Klägerin betreibt in dieser Stadt einen Metallhandel. Um den erforderlichen Platzbedarf für eine geplante Geschäftserweiterung sicherzustellen, hatte sie ein geeignetes Gewerbegrundstück gesucht. In diesem Zusammenhang begannen zwischen den Parteien Anfang des 2019 Gespräche über den Verkauf eines Gewerbegrundstücks in einem Industriegebiet der Stadt. Diese Gespräche zogen sich zum Teil mit Unterbrechungen über einen längeren Zeitraum bis 2021 hin. Ein Kaufvertrag wurde letztlich nicht geschlossen.

Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte habe bei ihr bereits zu Beginn der Verhandlungen im Jahr 2019 das Vertrauen geschaffen, dass der Abschluss des Grundstücksvertrages nur noch von den Verhandlungen über Details abhängig sei. Sie bezog sich dazu auf verschiedene schriftliche und mündliche Äußerungen der Beklagten im Zuge dieser Verhandlungen, insbesondere auf eine E-Mail eines Mitgeschäftsführers der Beklagten aus Februar 2019. Darin verkündete dieser u.a. ein unverbindliches Kaufangebot, auf dessen Grundlage die Klägerin entsprechende Planungen, Prüfungen etc. einleiten könne. Außerdem versprach er, bis zur beiderseitigen Bestätigung keinerlei Gespräch mit Dritten über einen Verkauf.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten m Wege des vorvertraglichen Schadensersatzes die Erstattung vergeblicher Aufwendungen i.H.v. 9.764 €. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie war der Ansicht, dass sie im Lauf des langen Ausschreibungsverfahrens keinerlei Vertrauenstatbestand gegenüber der Klägerin verletzt habe. Schon frühzeitig sei der Klägerin in den Gesprächen detailliert mitgeteilt worden, dass es bei dem Erwerb städtischer Grundstücke besondere Verfahren gebe und dass selbst dann, wenn alle Einzelheiten eines Kaufvertrags feststünden, der Verkauf noch durch städtische Gremien genehmigt werden müsse, bevor eine notarielle Beurkundung erfolgen könne.

Das LG hat die daraufhin folgende Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf vorvertraglichen Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, der einzigen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. Es fehlte an einer vorvertraglichen schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen des bestehenden Vertragsanbahnungsverhältnisses.

Grundsätzlich sind die Parteien bis zum endgültigen Vertragsschluss in ihren Entschließungen frei, und zwar auch dann, wenn der andere Teil in Erwartung des Vertrages bereits Aufwendungen gemacht hat. Eine Ersatzpflicht besteht nur, wenn eine Partei die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht, nachdem sie in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt hat; sie beschränkt sich auf die nach der Entstehung des Vertrauenstatbestandes gemachten Aufwendungen und verpflichtet nicht zum Abschluss des angestrebten Vertrags.

Im Rahmen der Privatautonomie hat jede Partei bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen. Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr. Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt.

Bei einem Grundstückskaufvertrag wie hier sind an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch strengere Anforderungen zu stellen. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, wie sie etwa beim Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft gegeben ist.

Gemessen an diesen Anforderungen konnte hier eine besonders schwerwiegende Verletzung von Treuepflichten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht festgestellt werden. Es war nach dem Klägervortrag schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen einen Vertragsschluss als sicher dargestellt und hierdurch überhaupt einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, auf den sich die Klägerin hätte verlassen dürfen. Sicherlich gestalteten sich die Verhandlungen bereits im Jahr 2019 aus Sicht der Klägerin teilweise sehr erfolgversprechend und standen auch einem Vertragsabschluss teilweise sehr nahe. Das kann aber für sich genommen einen Haftungstatbestand nicht begründen. Das galt auch für die Passage in der E-Mail des Mitgeschäftsführers, in welcher die Beklagte zugesichert hatte, keinerlei Gespräche mit Dritten über einen Verkauf zu führen.

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