31.03.2022

Hotel in Flughafennähe: Reiseveranstalter muss Intensität der Lärmbelästigung nicht erkunden

Beruft sich der Reisende zur Begründung eines Reisemangels darauf, dass während seines Aufenthalts nachts teils mehrmals pro Stunde Flugzeuge in niedrigem Abstand über das von ihm gebuchte Hotel geflogen seien, wodurch seine Nachtruhe erheblich beeinträchtigt worden sei, ist sein Vorbringen zwar noch hinreichend vollständig im Sinne von § 138 Abs. 1 ZPO. Unter diesen Umständen genügt aber auch ein einfaches Bestreiten des Reiseveranstalters den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO.

BGH v. 8.2.2022 - X ZR 97/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte für sich und seine Familie für die Zeit von 30.5. bis 13.6.2018 eine Reise auf die Insel Kos mit Hotelunterbringung gebucht. Er war der Ansicht, dass der Reisepreis i.H.v. 5.276 € wegen verschiedener Mängel um 100 % zu mindern sei.

Das LG hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger wegen Mängeln an der Ausstattung des Hotelzimmers 492,43 € nebst Zinsen zu zahlen. Das OLG hat im Berufungsverfahren auch wegen Beeinträchtigungen durch nächtlichen Fluglärm einen Gesamtminderungsbetrag i.H.v. 1.500 € als angemessen angesehen.

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte für Beeinträchtigungen durch nächtlichen Fluglärm einstehen sollte. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen worden.

Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers dazu, dass der Hotelaufenthalt durch nächtlichen Fluglärm erheblich beeinträchtigt worden sei, als hinreichend substantiiert angesehen. So wurde festgestellt, dass das in der Nähe des Flughafens liegende Hotel auch nachts von Flugzeugen überflogen worden war. Zwischen den Parteien blieb lediglich streitig, in welchem Umfang dies während des Urlaubsaufenthalts des Klägers geschah und in welcher Intensität sich hieraus Lärmbelästigungen ergaben.

Mit Erfolg wandte sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Vorbringen des Klägers nicht in erheblicher Weise bestritten. Gem. § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei über die von ihrem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier der Kläger - vorgetragen hat. Angesichts des nicht näher konkretisierten Vorbringens des Klägers war die Beklagte nicht gehalten, näher darzulegen, in welchen Intervallen Flugzeuge während des Urlaubsaufenthalts des Klägers nachts über das Hotel flogen und wie intensiv der hieraus resultierende Lärm in dem von ihm bewohnten Zimmer wahrzunehmen war. Die Beklagte war auch nicht gehalten, weitere Informationen einzuholen.

Infolgedessen war das einfache Bestreiten der Beklagten ausreichend. Die Beklagte hat keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Hinsichtlich der Intensität des nächtlichen Verkehrs auf dem Flughafen Kos während der Reisezeit des Klägers unterscheidet sich ihr Informationsstand nicht von demjenigen des Klägers. Angaben über die Häufigkeit nächtlicher Flugbewegungen mögen vom Betreiber des Flughafens auf Kos zu erlangen sein, doch rechnet dieser nicht zum Verantwortungsbereich der Beklagten.

Eine Entscheidung in der Sache scheidet aus, weil noch tatsächliche Feststellungen erforderlich sind.

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