HU/AU: Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten trotz abgelaufener Plakette
BGH v. 3.12.2024 - VI ZR 117/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Erstattung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Pkw des Klägers erlitt am 5.11.2018 bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Zum Zeitpunkt des Unfalls war für das Fahrzeug des Klägers der Termin zur Haupt- und Abgasuntersuchung um mehr als ein halbes Jahr überschritten; dieser hätte im März 2018 stattfinden müssen. Der Kläger mietete vom 5. bis 19.11.2018 ein Ersatzfahrzeug an. In einem Rechtsstreit mit dem Mietwagenunternehmen wurde der Kläger zur Zahlung von rd. 1.000 € verurteilt. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten Erstattung dieser Mietwagenkosten nebst Zinsen.
Das AG gab der Klage ganz überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 990 € nebst Zinsen stattgegeben. Das LG wies die Klage insgesamt ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der Begründung des LG kann der Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten nicht verneint werden.
Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, als erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Mietwagenkosten gehören aber dann nicht zum erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn der Geschädigte im Zeitraum der Anmietung des Mietwagens ohnehin aus anderen Gründen an der Benutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre.
Danach kann ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Mietwagenkosten nicht allein wegen des für sein Fahrzeug seit mehr als einem halben Jahr überschrittenen Vorführtermins zur Haupt- und Abgasuntersuchung verneint werden. Der Kläger war ohne den Unfall nicht bereits aus Rechtsgründen an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert; dem Kläger war auch nicht wegen der jederzeit möglichen Beschränkung oder Untersagung der Nutzung des Fahrzeugs durch die Behörde Schadensersatz zu versagen. Das LG hat offengelassen, ob der Pkw des Klägers vor dem Unfall verkehrssicher und mangelfrei war. Zugunsten der Revision ist daher dem Vortrag des Klägers gemäß zu unterstellen, dass er ohne den Unfall nicht wegen Mängeln oder aus Gründen der Verkehrssicherheit an der weiteren Nutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre. Allein aufgrund des Umstands, dass die Frist zur Vorführung des Fahrzeugs zur Haupt- und Abgasuntersuchung nach den Feststellungen des LG um mehr als ein halbes Jahr überschritten war, kann nicht angenommen werden, dass das Fahrzeug tatsächlich nicht mehr verkehrssicher war.
Der Kläger war entgegen der Ansicht des LG auch nicht aus rechtlichen Gründen an der Nutzung seines Pkw gehindert. Die Nutzung eines (verkehrssicheren) Pkw mit überschrittener Frist zur Vorführung zur Haupt- und Absaguntersuchung ist nur dann rechtswidrig, wenn eine Behörde den Betrieb des Fahrzeugs untersagt oder beschränkt hat. Das LG hat nicht festgestellt, dass dies hier der Fall war. Aus den Feststellungen des LG ergibt sich nicht, dass der Kläger aufgrund des etwa drohenden Bußgelds oder aus anderen Gründen von der weiteren Nutzung seines Pkw abgesehen hätte. Aus dem "Sicherheitscharakter" der Hauptuntersuchung folgt entgegen der Ansicht des LG nicht bereits, dass die Erstattung von Mietwagenkosten im Streitfall zu versagen wäre; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bisherigen Senatsrechtsprechung. Schließlich kann der Schadensersatzanspruch auch nicht wegen einer möglichen Betriebsbeschränkung oder -untersagung versagt werden.
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Ebert in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
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Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Erstattung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Pkw des Klägers erlitt am 5.11.2018 bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Zum Zeitpunkt des Unfalls war für das Fahrzeug des Klägers der Termin zur Haupt- und Abgasuntersuchung um mehr als ein halbes Jahr überschritten; dieser hätte im März 2018 stattfinden müssen. Der Kläger mietete vom 5. bis 19.11.2018 ein Ersatzfahrzeug an. In einem Rechtsstreit mit dem Mietwagenunternehmen wurde der Kläger zur Zahlung von rd. 1.000 € verurteilt. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten Erstattung dieser Mietwagenkosten nebst Zinsen.
Das AG gab der Klage ganz überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 990 € nebst Zinsen stattgegeben. Das LG wies die Klage insgesamt ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
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Mit der Begründung des LG kann der Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten nicht verneint werden.
Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, als erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Mietwagenkosten gehören aber dann nicht zum erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn der Geschädigte im Zeitraum der Anmietung des Mietwagens ohnehin aus anderen Gründen an der Benutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre.
Danach kann ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Mietwagenkosten nicht allein wegen des für sein Fahrzeug seit mehr als einem halben Jahr überschrittenen Vorführtermins zur Haupt- und Abgasuntersuchung verneint werden. Der Kläger war ohne den Unfall nicht bereits aus Rechtsgründen an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert; dem Kläger war auch nicht wegen der jederzeit möglichen Beschränkung oder Untersagung der Nutzung des Fahrzeugs durch die Behörde Schadensersatz zu versagen. Das LG hat offengelassen, ob der Pkw des Klägers vor dem Unfall verkehrssicher und mangelfrei war. Zugunsten der Revision ist daher dem Vortrag des Klägers gemäß zu unterstellen, dass er ohne den Unfall nicht wegen Mängeln oder aus Gründen der Verkehrssicherheit an der weiteren Nutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre. Allein aufgrund des Umstands, dass die Frist zur Vorführung des Fahrzeugs zur Haupt- und Abgasuntersuchung nach den Feststellungen des LG um mehr als ein halbes Jahr überschritten war, kann nicht angenommen werden, dass das Fahrzeug tatsächlich nicht mehr verkehrssicher war.
Der Kläger war entgegen der Ansicht des LG auch nicht aus rechtlichen Gründen an der Nutzung seines Pkw gehindert. Die Nutzung eines (verkehrssicheren) Pkw mit überschrittener Frist zur Vorführung zur Haupt- und Absaguntersuchung ist nur dann rechtswidrig, wenn eine Behörde den Betrieb des Fahrzeugs untersagt oder beschränkt hat. Das LG hat nicht festgestellt, dass dies hier der Fall war. Aus den Feststellungen des LG ergibt sich nicht, dass der Kläger aufgrund des etwa drohenden Bußgelds oder aus anderen Gründen von der weiteren Nutzung seines Pkw abgesehen hätte. Aus dem "Sicherheitscharakter" der Hauptuntersuchung folgt entgegen der Ansicht des LG nicht bereits, dass die Erstattung von Mietwagenkosten im Streitfall zu versagen wäre; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bisherigen Senatsrechtsprechung. Schließlich kann der Schadensersatzanspruch auch nicht wegen einer möglichen Betriebsbeschränkung oder -untersagung versagt werden.
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