31.01.2023

Hund und Katze getrennt: Tierhalterhaftung erfasst auch durch das helfende Eingreifen des Menschen verursachte Schäden

Der Halter eines Tieres haftet nicht nur für unmittelbar durch das Tier verursachte Verletzungen. Die Tierhalterhaftung erfasst vielmehr auch Fälle, in denen ein Mensch sich aufgrund der vom Tier herbeigeführten Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht.

OLG Frankfurt a.M. v. 18.1.2023 - 4 U 249/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Nachbarn. Sie räumten im Januar 2017 gleichzeitig Schnee von ihren Grundstücken. Unter dem Neuschnee hatte sich auf dem klägerischen Grundstück eine vereiste Fläche gebildet. Der Hütehund des Beklagten gelangte während der Räumarbeiten auf das Grundstück der Klägerin. Ob die Klägerin nachfolgend stürzte, da der Hund des Beklagten den Kater der Klägerin angegriffen hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Das LG wies die auf Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht für weitere Schäden gerichtete Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt und stellte fest, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zustehe.

Die Gründe:
Der Beklagte haftet nach den Grundsätzen der sog. Tiergefahr.

Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Klägerin gestürzt ist, da sich der Hund auf ihren Kater gestürzt und diesen am Kopf gepackt hat. Die Klägerin wollte die Tiere mit ihrem Besen trennen. Sowohl die Angaben der Klägerin als auch die des Beklagten decken diesen Geschehensablauf.

Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung klargestellt, dass er lediglich gesehen habe, dass sein Hund Schläge bezogen habe. Die Sicht auf das weitere Geschehen sei dagegen verdeckt gewesen. Es spreche nichts dafür, dass die Klägerin den Hund ohne jeden Grund geschlagen haben sollte. Die Klägerin habe den Hund vielmehr schon lange gekannt und in der Vergangenheit regelmäßig mit ihm gespielt. Nach Ansicht des OLG lässt sich das vom Beklagten berichtete Schlagen ohne Weiteres in Übereinstimmung bringen mit der Schilderung der Klägerin, sie habe versucht, mit dem Besen die Tiere zu trennen. Die Angaben der Klägerin wurden auch von den Zeuginnen bestätigt. Aus der ärztlichen Stellungnahme ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit Verletzungen am Hand- und Kniegelenk erlitten hat.

Als Halter des Hundes muss der Beklagte damit für die erlittenen Schäden einstehen. Die verschuldensunabhängige Haftung des Tierhalters besteht bereits, wenn eine Verletzung adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen ist. Es kommt nicht auf eine unmittelbar durch das Tier bewirkte Verletzung an. Ausreichend ist vielmehr, wenn sich ein Mensch durch die von dem Tier herbeigeführte Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht.

So liegt es hier. Die Klägerin hat sich durch den Angriff des Hundes dazu veranlasst gesehen, dem Kater zur Hilfe zu eilen. Auch wenn es angesichts der winterlichen Verhältnisse aus objektiver Sicht unklug war, sich schnell auf die Tiere zuzubewegen, war es doch eine völlig naheliegende Reaktion. Der Höhe nach ist über die erlittenen Verletzungen noch Beweis zu erheben, so dass zunächst nur die Haftung dem Grunde nach festgestellt werden konnte.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Haftung des Tierhalters und Stellung seiner Haftpflichtversicherung als Streithelferin im Prozess
Christoph Fellner, MDR 2022, 871

Rechtsprechung:
Tierhalterhaftung: Mitverschulden durch Provokation eines Hundebissvorfalls
OLG Zweibrücken vom 28.04.2022 - 2 U 32/21
MDR 2022, 895

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 6 vom 30.1.2023
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