Hund verursacht Fahrrad-Unfall: Wer haftet?
LG Koblenz v. 4.3.2025 - 13 S 45/24Der Kläger machte erstinstanzlich Schadensersatzansprüche sowie einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aufgrund eines Unfalls geltend, der sich am 13.12.2020 in Oberwinter ereignete. Der Beklagte führte damals einen Hund aus. Der Hund kreuzte den Fahrweg des Klägers, welchen dieser mit seinem Fahrrad befuhr. Da der Kläger nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, kam es zu einer Kollision zwischen dem Kläger und dem Hund, in deren Folge sich der Kläger überschlug. Dabei wurde das Fahrrad des Klägers beschädigt.
Der Kläger vertritt die Ansicht, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt, weil er die Leine nicht kurz genug gehalten habe. Der Beklagte trat den geltend gemachten Ansprüchen entgegen und behauptete, dass Halter des Hundes der Nachbar sei, er habe den Hund nur aus Gefälligkeit "Gassi geführt". Er sei daher weder Tierhalter noch Tierhüter gewesen und habe sich zudem nicht schuldhaft verhalten.
Das AG wies die Klage als unbegründet ab. Einen Beweis dafür, dass der Beklagte Tierhalter gewesen sei, sei nicht geführt. Auch hafte der Beklagte weder als Tieraufseher gemäß § 834 BGB, da es sich um ein reines Gefälligkeitsverhältnis gehandelt habe, noch nach § 823 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Beklagte schuldhaft gehandelt habe.
Der Kläger hat Berufung gegen das Urteil eingelegt und sie damit begründet, der Beklagte habe vertraglich - zumindest stillschweigend - die Aufsichtspflicht übernommen, da er wie ein Tierhalter regelmäßig mit dem Hund "Gassi gegangen" sei. Eine Haftung als Tieraufseher nach § 834 S. 1 BGB sei ebenfalls gegeben, da den Beklagten durch das "Nichtanleinen" ein Verschulden treffe. Aus diesem Grund hafte der Beklagte auch aus § 823 Abs. 1 S. 1 BGB.
Das LG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Gründe:
Es ist weder erwiesen, dass der Beklagte Tierhalter im Sinne des § 833 S. 1 BGB gewesen ist, noch, dass er den Hund als Tieraufseher im Sinne des § 834 S. 1 BGB geführt hat. Auch wenn der Beklagte den Hund im Vorfeld des Unfalls bereits einige Male ausgeführt hatte, genügt dies nicht für die Annahme, der Beklagte habe die Führung der Aufsicht des Hundes durch (stillschweigenden) Vertrag übernommen. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Gefälligkeit.
Auch hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, denn dem Beklagten ist keine zurechenbare Verletzungshandlung vorzuwerfen. Ein fahrlässiges Handeln des Beklagten ist nicht erkennbar. Dieser hat den Hund unstreitig an der Leine geführt, die Länge der Leine hat weniger als 2 Meter betragen. Es handelte sich somit um eine normale Hundeleine mit Standardlänge und nicht um eine Schlepp- oder ausziehbare Leine.
Der Weg, auf dem sich der Unfall ereignete, ist für die Benutzung von Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen zugelassen. Für den Beklagten als Fußgänger bestand daher per se keine Veranlassung, den Hund während des gesamten Spaziergangs auf dem Weg "bei Fuß", sprich an der extrem kurzen Leine zu führen. Der Kläger hat sich als Fahrradfahrer dem Beklagten von hinten und daher für den Beklagten nicht ohne weiteres erkennbar mit relativ hoher Geschwindigkeit angenähert.
Außerdem haben Radfahrer auf gemeinsamen Geh- und Radwegen die Belange der Fußgänger besonders zu berücksichtigen und ggf. durch Klingelzeichen eine Verständigung mit dem Fußgänger herbeizuführen. Ist das nicht möglich, haben sie eine solche Geschwindigkeit einzuhalten, die ihnen notfalls ein sofortiges Anhalten ermöglicht. Vorliegend hat der Kläger weder ein Klingelzeichen getätigt noch sonst auf sich aufmerksam gemacht.
Es bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Herannahen des Klägers und somit die drohende Gefahrensituation vor dem Unfall für den Beklagten erkennbar und dieser daher gehalten gewesen wäre, die Leinenlänge situationsbedingt zu verkürzen.
Eine Verschuldenshaftung des Beklagten ist daher nicht ersichtlich. Durch das Kreuzen des Fahrwegs des Klägers durch den Hund hat sich vielmehr die der Natur des Tieres entsprechende typische Tiergefahr verwirklicht, für die § 833 BGB eine Gefährdungshaftung des Halters - als welcher der Beklagten vorliegend nicht angesehen werden kann - normiert.
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