23.05.2022

In welchem Umfang ist das Gericht nach Verzicht eines Ehegatten auf ein noch verfallbares Anrecht zur Aufklärung verpflichtet?

Der BGH hat sich vorliegend mit dem Umfang der Aufklärungspflicht des Gerichts nach Verzicht eines Ehegatten auf ein noch verfallbares Anrecht befasst. Konkret ging es um ein zunächst erlangtes Anrecht des Ehemann als Vorstand einer Sparkasse, auf das er später durch einen Änderungsvertrag verzichtet hatte.

BGH v. 30.3.2022 - XII ZB 421/21
Der Sachverhalt:
Auf den am 8.8.2013 zugestellten Antrag hat das AG - Familiengericht - die im Oktober 2001 geschlossene Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1.10.2001 bis 31.7.2013; § 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben, darüber hinaus der Ehemann drei betriebliche Anrechte und ein Anrecht in der privaten Altersversorgung.

Das AG teilte die vorgenannten Anrechte intern. Ein weiteres Anrecht, das der Ehemann als Vorstand einer Sparkasse erlangt hatte, glich das AG nicht aus, nachdem der Ehemann durch einen Änderungsvertrag vom 13.9.2012 auf diese Altersversorgung verzichtet hat. Gegen diese Entscheidung legte die Ehefrau Beschwerde ein, mit der sie den Ausgleich auch des als Sparkassenvorstand erworbenen Anrechts verfolgt. Das OLG wies die Beschwerde der Ehefrau ebenso zurück, wie der BGH ihre vorliegende Rechtsbeschwerde.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das OLG habe die Vereinbarung vom 13.9.2012 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass die Ruhegeldzusage im Rahmen der Vereinbarungen über die Weiterbeschäftigung über den 30.9.2012 hinaus abbedungen worden sei.

Die Auslegung einer Individualvereinbarung gem. §§ 133, 157 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, selbst wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint. Entsprechende Rechtsfehler sind vorliegend nicht erkennbar. Das OLG hat das gemeinsame Motiv der Vertragsparteien für die Abbedingung des Ruhegeldanspruchs darin gesehen, dass andernfalls eine Weiterbeschäftigung des Ehemanns über den 30.9.2012 hinaus in Anbetracht der zum 1.1.2013 vorgesehenen Fusion mit einer anderen Sparkasse nicht möglich gewesen wäre. Die von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Zweifel an der wirtschaftlichen Plausibilität dieses Vorgehens mussten das OLG schon deshalb nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung gem. § 26 FamFG veranlassen, weil die Aufhebung des Ruhegeldanspruchs nicht nur der Auslegung der Vereinbarung vom 13.9.2012 entnommen werden kann, sondern diese auch bilanziell umgesetzt wurde, indem die in der Jahresbilanz der Sparkasse zum 31.12.2011 noch enthaltene Rückstellung für den Ruhegeldanspruch des Ehemanns in dem nachfolgenden Jahresabschluss nicht mehr bilanziert war.

Hinsichtlich des von der Ehefrau geäußerten Verdachts, die ursprüngliche Ruhegeldzusage sei lediglich "ausgelagert" oder abgefunden worden, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf, wie diesem, vom OLG als "ins Blaue hinein" bewerteten Vortrag, sachdienlich hätte nachgegangen werden können und müssen. Nachdem die Ehegatten hierzu persönlich angehört worden und in der Versorgungsauskunft der Sparkasse bestehende Anrechte ausdrücklich verneint worden sind, bestehen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für ein noch existierendes Versorgungsanrecht bei dieser. Hiernach gehört die von der Rechtsbeschwerde angeregte Vorlage weiterer Jahresabschlüsse der Sparkasse und diesbezüglicher Prüfungsberichte sowie Gehaltsabrechnungen und Steuerbescheide des Ehemanns nicht zu den erforderlichen Ermittlungen, die das Gericht zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen durchzuführen hat, zumal eine mögliche Abfindung des Ruhegeldanspruchs, die die Ehefrau in Betracht zieht, kein nach § 2 VersAusglG ausgleichsfähiges Recht begründet hätte.

Mehr zum Thema:
  • Rechtsprechung: BGH vom 23.03.2022, XII ZB 337/21 - Interne Teilung des Anrechts eines Gesellschafter-Geschäftsführers nach Statuswechsel mit Anmerkung Breuers (FamRB 2022, 215)
  • Aufsatz: Siede - Empfehlungen zur externen Teilung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung (FamRB 2022, 116)
  • Aktionsmodul Familienrecht
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