Individualvereinbarung eines dauerhaften Kündigungsausschlusses bei Wohnraummiete ist grundsätzlich möglich
BGH 8.5.2018, VIII ZR 200/17Die Beklagten hatten eine in einem Zweifamilienhaus gelegene streitgegenständliche Wohnung mit Vertrag vom 19.8.2013 von der Rechtsvorgängerin des Klägers angemietet. Für den Vertrag war ein Formular verwendet worden, welches der Beklagte zu 2) von der Haus & Grund GmbH erworben und zu den Vertragsverhandlungen mitgebracht hatte. Das Formular enthält unter § 2 Mietzeit Nr. 1 a) einen Kündigungsverzicht über maximal vier Jahre ab Vertragsschluss.
Die Möglichkeit des Kündigungsverzichts wurde bei Abschluss des Mietvertrags handschriftlich angekreuzt, eine Verzichtsdauer wurde nicht eingetragen und die Textpassage maximal vier Jahre ab Vertragsschluss wurde gestrichen. Zudem vereinbarten sie, dass nicht die Vermieterin, sondern die Beklagten für den Heizölkauf, die Heizungswartung, die Emissionsmessungen und den Schornsteinfeger verantwortlich seien und die Hälfte der dadurch entstehenden Kosten zu tragen hätten. Auf eine verbrauchsabhängige Abrechnung verzichteten die Beklagten ausdrücklich.
Der Kläger trat im Mai 2015 durch Eigentumserwerb in das Mietverhältnis ein. Er kündigte das Mietverhältnis mehrfach wegen Eigenbedarfs und klagte schließlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das AG wies die Klage ab, da es in dem Kündigungsverzicht eine wirksame Individualvereinbarung eines dauerhaften Kündigungsausschlusses gesehen hat. Auf die Berufung des Klägers gab das LG der Klage statt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des Urteils des LG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG.
Die Gründe:
Die angefochtene Entscheidung des LG verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beklagten haben in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, dass die Verwendung des von dem Beklagten zu 2) zu den Vertragsverhandlungen mitgebrachten Vertragsformulars auf dem ausdrücklichen Wunsch der Rechtsvorgängerin beruhte. Sie habe auf die Verwendung des Formulars bestanden. Zudem haben die Beklagten ein intensives Aushandeln verschiedener Vertragsbedingungen, insbesondere bzgl. der Zusatzvereinbarung zu den Heiz- und Nebenkosten und des Kündigungsverzichts vorgetragen.
Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag nicht eingegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei Berücksichtigung dieses Vortrags, der für die Frage, ob eine Individualvereinbarung vorlag oder es sich um unwirksame AGB handelte, von Bedeutung ist, zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Wesentliches Merkmal von AGB ist die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie der Umstand, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, keinen Einfluss auf ihre Ausgestaltung nehmen kann. Danach läge nach Vortrag der Beklagten keine AGB vor, da die Verwendung des Formulars ausdrücklich von der Rechtsvorgängerin des Klägers verlangt wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagten dem geäußerten Wunsch entsprochen und das Formular besorgt haben. Das Formular hat - laut Beklagtenvortrag - auf Initiative der Vermieterseite Eingang in den Vertrag gefunden.
Des Weiteren liegen AGB nicht vor, wenn die Vertragsbedingungen ausgehandelt sind. Daher können selbst vorformulierte Klauseln des Verwenders im Einzelfall Gegenstand und Ergebnis von Individualabreden sein. Nach dem Vortrag der Beklagten hat ein intensives Aushandeln der Vertragsbedingungen insbesondere des Kündigungsverzichts stattgefunden.
Zudem ist die Individualvereinbarung eines dauerhaften Kündigungsausschlusses grds. möglich. Die Vertragsparteien können die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses im Wege der Individualvereinbarung auch für sehr lange Zeiträume ausschließen (nach Ablauf von 30 Jahren außerordentliche Kündigung möglich). Eine Grenze wird bei einem individual vereinbarten Kündigungsausschluss nur durch § 138 BGB gesetzt. Gründe dafür sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.
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