Inhaltliche Anforderungen an die Berufungsbegründung im sog. Dieselskandal
BGH v. 8.6.2021 - VI ZB 22/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal in Anspruch. Er erwarb im Jahr 2010 als Neuwagen einen VW Touareg V6 3.0 TDI. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Erstattung des Kaufpreises. Er behauptet, außer in Fahrzeugen mit dem Dieselmotor des Typs EA189 sei auch in Fahrzeugen wie dem streitgegenständlichen, die mit dem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3.0 l Dieselmotor ausgestattet seien, eine Betrugssoftware verbaut.
Das LG wies die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. In der Berufungsbegründung rügte er, das erstinstanzliche Urteil habe nur ergehen können, weil der Kern seines Vortrags ausgeblendet und ignoriert und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genüge. Trotz ihres Umfangs von 121 Seiten sei sie nicht auf den Streitfall zugeschnitten und enthalte keine konkreten Berufungsangriffe. Welchen konkreten Tatsachenvortrag das LG "ignoriert" haben und welcher Art die daraus folgende Rechtsverletzung sein solle, werde nicht dargelegt. Selbst bei großzügiger Betrachtungsweise genüge eine formelhafte und pauschale Bezeichnung des angefochtenen Urteils als fehlerhaft in Verbindung mit einer Wiederholung von Textbausteinen nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung des Klägers den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Sie lässt hinreichend erkennen, welche Gründe der Kläger den Erwägungen des LG entgegensetzt.
Das LG hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, die Klagepartei habe keinen Anspruch aus § 826 BGB. Ein ausreichender Tatsachenvortrag des Klägers, der - ggf. nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - einen Rückschluss auf Fehler in der Motorsteuerung bzw. auf die Nichteinhaltung der Abgasnorm Euro 5 zulasse, liege nicht vor. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge nicht über den Motor EA189 und sei auch im Übrigen unstreitig nicht von einer Rückrufaktion oder einem entsprechenden Verfahren des Kraftfahrtbundesamtes betroffen. Der Vortrag des Klägers zur Verwendung einer unerlaubten Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug sei unschlüssig und spekulativ und beruhe auf Gerüchten sowie auf Ausführungen zum US-Markt. Der Vergleich mit den in den USA erhobenen Vorwürfen habe sich nach dem Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gerade nicht bestätigt.
Unter korrekter Bezeichnung des angefochtenen Urteils hat der Kläger daraufhin in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Urteil habe nur ergehen können, weil der Kern seines Vortrags ausgeblendet und ignoriert und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Damit wird in einer für die Zulässigkeit der Berufung hinreichend verständlichen Weise deutlich, dass der Kläger vom Berufungsgericht anhand des in der Berufungsbegründung unterbreiteten Vorbringens die Überprüfung der Auffassung des LG begehrt, wonach der Sachvortrag des Klägers für die Annahme der Verwendung einer Betrugssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug bzw. für den Eintritt in die Beweisaufnahme hierzu nicht genüge. Eine weitere Konkretisierung des als übergangen gerügten Vorbringens oder eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den vom LG für seine Sichtweise angeführten Argumenten war zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich.
Für die Zulässigkeit der Berufungsrüge, dass nach Auffassung des Berufungsklägers schlüssiger und unter Beweis gestellter Sachvortrag rechtsfehlerhaft als unsubstantiiert oder unschlüssig übergangen wurde, genügte hier die Darstellung des vom Berufungsführer für ausreichend substantiiert bzw. schlüssig erachteten klägerischen Vortrags. Ob dieses Vorbringen geeignet ist, die Rüge inhaltlich zu rechtfertigen und die Argumentation des LG zu entkräften, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung.
Auch die vom Berufungsgericht vermissten Ausführungen dazu, weshalb in der Berufungsbegründung neu gehaltener Vortrag zu bestimmten technischen Einrichtungen nicht bereits Gegenstand in erster Instanz gewesen sei, berühren vorliegend nicht die Zulässigkeit der eingelegten Berufung. Eine Berufung ist in Ansehung der Berufungsbegründung bereits dann zulässig, wenn auch nur einer der in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO genannten Gründe ordnungsgemäß dargelegt wird.
Unzulässig mangels Bezeichnung auch derjenigen Tatsachen, die zur Zulassung neuer Angriffsmittel nach § 531 Abs. 2 führen sollen, ist eine Berufung daher nur, wenn sie ausschließlich auf neue Angriffsmittel gestützt wird. Dies ist hier - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts - nicht der Fall.
BGH online
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal in Anspruch. Er erwarb im Jahr 2010 als Neuwagen einen VW Touareg V6 3.0 TDI. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Erstattung des Kaufpreises. Er behauptet, außer in Fahrzeugen mit dem Dieselmotor des Typs EA189 sei auch in Fahrzeugen wie dem streitgegenständlichen, die mit dem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3.0 l Dieselmotor ausgestattet seien, eine Betrugssoftware verbaut.
Das LG wies die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. In der Berufungsbegründung rügte er, das erstinstanzliche Urteil habe nur ergehen können, weil der Kern seines Vortrags ausgeblendet und ignoriert und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genüge. Trotz ihres Umfangs von 121 Seiten sei sie nicht auf den Streitfall zugeschnitten und enthalte keine konkreten Berufungsangriffe. Welchen konkreten Tatsachenvortrag das LG "ignoriert" haben und welcher Art die daraus folgende Rechtsverletzung sein solle, werde nicht dargelegt. Selbst bei großzügiger Betrachtungsweise genüge eine formelhafte und pauschale Bezeichnung des angefochtenen Urteils als fehlerhaft in Verbindung mit einer Wiederholung von Textbausteinen nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung des Klägers den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Sie lässt hinreichend erkennen, welche Gründe der Kläger den Erwägungen des LG entgegensetzt.
Das LG hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, die Klagepartei habe keinen Anspruch aus § 826 BGB. Ein ausreichender Tatsachenvortrag des Klägers, der - ggf. nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - einen Rückschluss auf Fehler in der Motorsteuerung bzw. auf die Nichteinhaltung der Abgasnorm Euro 5 zulasse, liege nicht vor. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge nicht über den Motor EA189 und sei auch im Übrigen unstreitig nicht von einer Rückrufaktion oder einem entsprechenden Verfahren des Kraftfahrtbundesamtes betroffen. Der Vortrag des Klägers zur Verwendung einer unerlaubten Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug sei unschlüssig und spekulativ und beruhe auf Gerüchten sowie auf Ausführungen zum US-Markt. Der Vergleich mit den in den USA erhobenen Vorwürfen habe sich nach dem Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gerade nicht bestätigt.
Unter korrekter Bezeichnung des angefochtenen Urteils hat der Kläger daraufhin in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Urteil habe nur ergehen können, weil der Kern seines Vortrags ausgeblendet und ignoriert und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Damit wird in einer für die Zulässigkeit der Berufung hinreichend verständlichen Weise deutlich, dass der Kläger vom Berufungsgericht anhand des in der Berufungsbegründung unterbreiteten Vorbringens die Überprüfung der Auffassung des LG begehrt, wonach der Sachvortrag des Klägers für die Annahme der Verwendung einer Betrugssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug bzw. für den Eintritt in die Beweisaufnahme hierzu nicht genüge. Eine weitere Konkretisierung des als übergangen gerügten Vorbringens oder eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den vom LG für seine Sichtweise angeführten Argumenten war zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich.
Für die Zulässigkeit der Berufungsrüge, dass nach Auffassung des Berufungsklägers schlüssiger und unter Beweis gestellter Sachvortrag rechtsfehlerhaft als unsubstantiiert oder unschlüssig übergangen wurde, genügte hier die Darstellung des vom Berufungsführer für ausreichend substantiiert bzw. schlüssig erachteten klägerischen Vortrags. Ob dieses Vorbringen geeignet ist, die Rüge inhaltlich zu rechtfertigen und die Argumentation des LG zu entkräften, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung.
Auch die vom Berufungsgericht vermissten Ausführungen dazu, weshalb in der Berufungsbegründung neu gehaltener Vortrag zu bestimmten technischen Einrichtungen nicht bereits Gegenstand in erster Instanz gewesen sei, berühren vorliegend nicht die Zulässigkeit der eingelegten Berufung. Eine Berufung ist in Ansehung der Berufungsbegründung bereits dann zulässig, wenn auch nur einer der in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO genannten Gründe ordnungsgemäß dargelegt wird.
Unzulässig mangels Bezeichnung auch derjenigen Tatsachen, die zur Zulassung neuer Angriffsmittel nach § 531 Abs. 2 führen sollen, ist eine Berufung daher nur, wenn sie ausschließlich auf neue Angriffsmittel gestützt wird. Dies ist hier - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts - nicht der Fall.