08.08.2022

Ist der Mietspiegel 2021 als Schätzgrundlage für eine ortsübliche Vergleichsmiete geeignet?

Der Mietspiegel bildet eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen von § 287 ZPO. Auf die Frage, in welcher Weise der Mietspiegel 2019 aus dem vorherigen Mietspiegel 2017 hervorgegangen ist, kommt es nicht an, weil die Überleitungsvorschrift allein darauf abstellt, ob er am Stichtag (31.12.2019 ) "existiert" hat. Ebenfalls unerheblich ist deshalb, ob der Mietspiegel 2019 als qualifizierter oder ( nur ) als einfache Mietspiegel anzuerkennen ist.

LG Berlin v. 20.7.2022 - 66 S 47/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte als Vermieter von Wohnraum die Erhöhung der Miete nach § 558 BGB vom Beklagten begehrt. Das AG hat die Klage abgewiesen, weil die vom Kläger beanspruchte neue Miete die unter Anwendung des Berliner Mietspiegels 2021 ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete übersteige.

Der Kläger war im Berufungsverfahren weiterhin der Ansicht, dass der "Mietspiegel 2021" als ein solcher nicht anzuerkennen sei; als Schätzgrundlage für eine ortsübliche Vergleichsmiete sei er ungeeignet. Das Gericht müsse daher die vom Kläger behauptete ortsübliche Vergleichsmiete durch das als Beweis angebotene gerichtliche Sachverständigengutachten feststellen, denn dann ergebe sich, dass die verlangte unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liege.

Das LG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Meinung des Klägers, auf dem vom AG gewählten Weg könne die ortsübliche Vergleichsmiete nicht bestimmt werden, weil ein Mietspiegel nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gar nicht existiere, überzeugte nicht.

Der Tatrichter ist befugt (wenn auch nicht verpflichtet), einen Mietspiegel als Grundlage einer Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen, wenn dieser den Voraussetzungen nach § 558c Abs. 1 BGB entspricht (so die überzeugende BGH-Rechtsprechung; zuletzt Urteil v. 28.4.2021 - VIII ZR 22/20). Insbesondere für die Verhältnisse in Berlin ist der Tatrichter berechtigt, eine konkrete ortsübliche Vergleichsmiete auf der Grundlage der dem Mietspiegel zugehörigen Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung zu ermitteln, welche sich für die zulässige Schätzung nach den Maßstäben von § 287 ZPO grundsätzlich eignet. Für den Berliner Mietspiegel 2019 waren diese Befugnisse begründet. Für den zulässig fortgeschriebenen Berliner Mietspiegel 2021 gilt im Ergebnis nichts anderes.

Der Gesetzgeber hat sich absichtsvoll dagegen entschieden, eine entsprechend unübersichtliche und schwer zu handhabende Übergangsregelung für alle denkbaren Konstellationen zu treffen. In Art. 229 § 50 EGBGB hat er stattdessen eine (im Text komplizierte, in der Struktur aber) einfache Übergangslösung gewählt. Diese stellt auf nichts anderes als den Begriff des "Mietspiegels" ab, welcher entweder ein nach dem 31.12.2019 neu erstellter oder ein zu diesem Zeitpunkt bereits existierender sein kann. Eine (weitere) Differenzierung danach, ob die Wirkungen des Inkrafttretens des neue § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB einen qualifizierten oder eines einfachen Mietspiegels treffen, fehlt in der Überleitungsvorschrift.

Ebenso fehlt eine Differenzierung danach, auf welche genaue Weise der letzte vor dem Inkrafttreten des ändernden Gesetzes (dem 1.1.2020) in einer Gemeinde gültige gewesene (also: "existierende") Mietspiegel zustande gekommen war. Die insoweit geschaffenen Regelungen nutzen als verbindlichen Ausgangspunkt für die in der Übergangszeit beabsichtigten Wirkungen nichts anderes, als die bloße Existenz eines Mietspiegels; ob dieser "neu erstellt", oder ein (ggf. durch welche Vorgehensweise) "nur" ein angepasster Mietspiegel gewesen ist, ist für die in Art. 229 § 50 EGBGB festgelegten Rechtsfolgen betreffend eine Übergangszeit nicht erheblich. Der Gesetzgeber nimmt damit einhergehende Abweichungen von den allgemeinen Regeln für das zeitliche Aufeinanderfolgen von Mietspiegeln und damit verbundene Unschärfen während der Übergangszeit zugunsten einer einfacheren Regelungsstruktur in Kauf.

Die Lösung der Übergangsregelung für die Anwendbarkeit von Mietspiegeln ist deshalb absichtsvoll mit den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen nur insoweit identisch, als die Übergangsregelung dies bestimmt. Soweit dagegen in der Übergangszeit die Wirkung eines Mietspiegels von den im "Normalfall" (also ohne strukturelle Eingriffe in die gesetzliche Regelung für Mietspiegel) geltenden Parametern nicht abhängen, begründet dies keinen rechtlichen Einwand, sondern entspricht gerade dem Sinn einer Übergangsregelung. Sie soll in dem vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Maß Abweichungen von den üblichen Anforderungen vorgeben, durch die das alte und das neue Recht miteinander in Einklang gebracht werden.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Aktuelle Fragestellungen der Mieterhöhung nach Modernisierung - Teil I
Astrid Siegmund, MietRB 2022, 19

Aufsatz:
Mietspiegel-Reform
Hans Reinold Horst, MDR 2022, 863

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