08.08.2022

Kautionsvereinbarung aus dem Jahr 1960: Vermieterin muss Aktien im Wert von über 100.000 € an Mieterin herausgeben

Das AG Köln hat eine Vermieterin verurteilt, Aktien im Wert von über 100.000 € an die Mieterin herauszugeben. Der hohe Betrag geht auf einen Mietvertrag zurück, der im Jahr 1960 geschlossen wurde. Bei diesem war vereinbart worden, den Kautionsbetrag i.H.v. 800 DM in Aktien anzulegen.

AG Köln v. 19.7.2022 - 203 C 199/21
Der Sachverhalt:
Die Beklagte vermietete im Jahre 1960 an die Rechtsvorgänger der Klägerin eine Wohnung. Der Mietvertrag enthielt eine Klausel, der die Vermieterin berechtigte, die Kaution i.H.v. 800 DM zugunsten der Mieter in Aktien anzulegen. Nach Ende des Mietverhältnisses sollten die Aktien an die Mieter herausgegeben werden. Eine weitere Klausel räumte der Vermieterin jedoch das Recht ein, wahlweise lediglich den Nominalbetrag der Aktien i.H.v. 800 DM auszuzahlen. Vertragsgemäß ließ die Vermieterin den Kautionsbetrag in Aktien anlegen.

Im Jahr 2005 kam es zu einem Wohnungswechsel, bei dem die Rechtsvorgänger der Klägerin in eine andere Wohnung der Beklagten - einer Wohnungsgesellschaft - zogen. Der Kautionsvereinbarung wurde dabei von dem alten Mietverhältnis "in der bisherigen Form (Geschäftsanteil)" übertragen.

Nach dem Tod ihrer Mutter kündigte die Klägerin 2018 den neuen Mietvertrag. Nach Rückgabe der Wohnung zahlte die Beklagte lediglich den Nennbetrag der Aktien i.H.v. ca. 400 € aus.

Das AG gab der Klägerin Recht, die die Herausgabe der Aktien gefordert hatte. Diese haben aktuell einen Wert von ca. 110.000 €. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Herausgabe der Aktien zu. Ein derartiger Anspruch ergibt sich aus der geschlossenen Sicherungsabrede.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Klausel des alten Mietvertrages, nach der die Vermieterin das Recht haben sollte, wahlweise lediglich den Nominalbetrag der Aktien i.H.v. 800 DM auszuzahlen. Denn diese Klausel ist gemäß § 551 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 BGB unwirksam. Die Vorschrift des § 551 Abs. 3 S. 3 BGB sieht vor, dass die Erträge aus der Mietsicherheit unabhängig von der Anlageform dem Mieter zustehen. Vorliegend haben die Parteien die Anlage in Aktien vereinbart. Bei dieser Form der Anlage gehören zu den Erträgen auch etwaige Kursgewinne.

Von dieser Vorschrift abweichende Vereinbarungen sind nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam. Bei dem im ursprünglichen Mietvertrag vereinbarten Recht der Beklagten, anstatt der Aktien den Nominalwert auszuzahlen, handelt es sich um eine derartige Vereinbarung.

Die Vorschrift des § 551 BGB findet Anwendung, obwohl sie bei Abschluss des ursprünglichen Mietvertrags 1960 noch nicht existierte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Parteien im Jahr 2005 einen neuen Mietvertrag über eine andere Wohnung geschlossen haben und dabei lediglich die Übertragung der Mietsicherheit und bestimmter Regelungen aus dem alten Mietvertrag vereinbart haben.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Mietkaution und Verwahrentgelt
Hans-Reinold Horst, MietRB 2022, 120

Kommentierung | § 551 BGB
Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten
Lützenkirchen in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020

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