30.09.2024

Kein Anspruch auf Schmerzensgeld trotz Schmerzen nach Corona-Impfung

Es hätte insoweit der Klägerin oblegen, darzulegen und ggf. nachzuweisen, weshalb die von der Europäischen Kommission getroffene Entscheidung nicht dem maßgeblichen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht und dass stattdessen auf dieser Grundlage von einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen ist.

LG Bielefeld v. 12.7.2024 - 4 O 296/22
Der Sachverhalt:
Die heute 44-jährige Klägerin ist als Altenpflegerin tätig. In dieser Eigenschaft hatte sie am 20.1.2021 durch eine Ärztin eine Schutzimpfung gegen CoViD-19 erhalten. Die Beklagte hat den Impfstoff in den Verkehr gebracht. Aufgrund von Schmerzen erfolgte am 16.2.2021 in einer Schmerzklinik eine Krankschreibung bis zum 26.2.2021. Am 17.2.2021 meldete die Klägerin an das Paul-Ehrlich-Institut das Erleiden eines Impfschadens. Es folgten noch weitere Krankschreibungen. Eine weitere Schutzimpfung gegen CoViD-19 lehnte die Klägerin in der Folgezeit ab.
 
Die Klägerin behauptete, sie habe noch am Abend des 20.1.2021 unter massiven Kopfschmerzen, Übelkeit und Kraftlosigkeit gelitten. Auch leide sie nunmehr an Konzentrationsstörungen, geminderter Leistungsfähigkeit sowie Gelenkschmerzen an Handgelenk und Fingern. Sie habe fortlaufend starke Schmerzmittel nehmen müssen. Von Juni und Juli 2021 an hätten sich die Schmerzen noch weiter verschlimmert, auch seien Taubheitsgefühle, Atemnot und Herzrasen dazugekommen. Ihr seien Medikamentenkosten i.H.v. 2.760 € entstanden. Für Therapien habe sie 5.725 € aufbringen müssen. Der von der Beklagten in den Verkehr gebrachte Impfstoff habe kein positives Nutzen-Risiko-Profil, da keine Langzeitstudie vorliege. Eine ausreichende Gebrauchsinformation sei den Fachkreisen nicht zur Verfügung gestellt worden.

Das LG hat die auf Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 100.00 € gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht weder aus § 84 Abs. 1 AMG i.V.m. § 87 AMG noch aus § 32 Abs. 1 GenTG, § 826 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 AMG sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 StGB oder § 230 StGB ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte zu. Aus diesem Grund ist auch der Feststellungsantrag unbegründet. Gleichermaßen bleibt der Auskunftsanspruch ohne Erfolg.

Nach § 84 Abs. 1 S. 2 NR 1 AMG besteht die Haftung für das Arzneimittel nur, wenn dieses ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist. Ein solches vermochte die Kammer allerdings nicht festzustellen. Der streitgegenständliche Impfstoff hat nach seiner Entwicklung ein reguläres, zentralisiertes arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren nach der Verordnung (EG) NR 726/2004 durchlaufen und zunächst eine bedingte Zulassung durch die Europäische Kommission, später sodann eine Standardzulassung erhalten. In der Folge ist sodann auch für neue Varianten des Corona-Virus eine angepasste Modifizierung des Impfstoffs erfolgt und eine entsprechende Zulassungsempfehlung ausgesprochen worden.

Die EMA hatte zuletzt am 30.8.2023 die Sicherheit des Impfstoffs abermals bestätigt und der Europäischen Kommission empfohlen, den auf die CoViD-19-Subvariante Omikron angepassten Impfstoff der Beklagten zuzulassen. Auch dieser Empfehlung hat sich die Europäische Kommission angeschlossen. Eine Zulassung kann jedoch nur unter der Voraussetzung eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgen. Dieses ist von der EMA, welche fachkundig besetzt ist, ausdrücklich und auf Grundlage umfangreicher wissenschaftlicher Studien bestätigt worden.

Bereits angesichts dieser Tatsache vermochte die Kammer die klägerische Darstellung, der Impfstoff weise ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf, nicht nachzuvollziehen. Es hätte insoweit der Klägerin oblegen, darzulegen und ggf. nachzuweisen, weshalb die von der Europäischen Kommission getroffene Entscheidung nicht dem maßgeblichen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht und dass stattdessen auf dieser Grundlage von einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen ist. Hierfür hätte es weitergehenden Vortrags der Klägerin zu der Frage bedurft, welche der von ihr behaupteten wesentlichen Nebenwirkungen der Beklagten im Zeitpunkt der vorläufigen Zulassung des Impfstoffs im Dezember 2020 bekannt waren oder jedenfalls mittlerweile, etwa nach Erteilung der Standardzulassung im Oktober 2022, bekannt geworden sind, die zwingend ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen würden. Ein solcher Vortrag ist jedoch nicht ausreichend erfolgt.

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