14.02.2023

Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zu einem sog. Balkonkraftwerk

§ 20 Abs. 1 WEG enthält eine sog. Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage dar. Auch aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG kann nicht hergeleitet werden, dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden darf.

AG Konstanz v. 9.2.2023 - 4 C 425/22 WEG
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen einer Eigentumswohnung der beklagten WEG. Dabei handelt es sich um eine größere Anlage mit rund 34 Wohnungen. Die Klägerinnen haben die Wohnung an ihren Sohn bzw. Enkel vermietet. Dieser hat mit ihrer Zustimmung, jedoch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, an der Außenseite des Balkons eine Mini-Solaranlage / ein sog. Balkonkraftwerk angebracht. Das Modul hat eine Fläche von 168 cm x 100 cm und ist an einen Wechselrichter angeschlossen.

Auf der Eigentümerversammlung vom 4.10.2022 wurde unter TOP 2 mehrheitlich beschlossen, den Verwalter zu ermächtigen und zu beauftragen, alle rechtlichen Mittel gegen die rechtswidrigen baulichen Veränderungen durch die Klägerinnen zu ergreifen. Unter TOP 3 wurde mehrheitlich gegen die Genehmigung des Balkonkraftwerkes der Klägerinnen gestimmt. Ein Balkonkraftwerk einer anderen Einheit wurde zwischenzeitlich entfernt. Auch wurde die klägerische Anlage im Hinblick auf diesen Prozess vorübergehend entfernt.

Die Klägerinnen waren der Ansicht, dass die Photovoltaikanlage keine optische Beeinträchtigung des Gesamteindrucks darstelle. Dies ergebe sich daraus, dass schon so eine sehr uneinheitliche Fassade mit verschiedenen Farben, inhomogenen Markisen, nach der Hausordnung erlaubten Balkonkästen etc. vorhanden sei. Die 1,7 m² fielen im Verhältnis zur Gesamt-Frontseite von 920 m² nicht ins Gewicht. Auch sei das Modul in der neutralen Farbe schwarz gehalten. Die Klägerinnen waren zudem der Meinung, dass der Negativbeschluss ebenso ordnungsgemäßer Verwaltung widerspräche wie der Beseitigungsbeschluss.

Das AG hat die gegen die Beschlüsse gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der angefochtene Negativbeschluss zu TOP 3 verstößt weder gegen die ordnungsmäßige Verwaltung (§§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 WEG) noch sonst gegen Gesetze. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Genehmigung des Balkonkraftwerkes. Daher war auch der Beschlussersetzungsantrag abzuweisen. § 20 Abs. 1 WEG enthält eine sog. Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage dar. Ein Eingriff in die Substanz ist hierzu nicht erforderlich. Die Anlage wurde daher illegal angebracht.

Es bestand auch keine Ermessensreduzierung auf Null, d.h., die Zustimmung zu der Anlage ist nicht die einzig vertretbare Möglichkeit: Bei der nachfolgenden Prüfung kommt es nicht auf den Maßstab von § 20 Abs. 4 WEG an, d.h. es bleibt irrelevant, dass die Wohnanlage (nicht) grundlegend umgestaltet wird oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen (nicht) unbillig benachteiligt werden. Denn Abs. 4 soll nicht dem veränderungswilligen Eigentümer unterstützen, sondern stellt im Gegenteil eine Veränderungssperre dar, wann eine bauliche Umgestaltung keinesfalls erfolgen darf.

Auch aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG kann nicht hergeleitet werden, dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden darf. Die Bundestagsdrucksache und die Bundesratsdrucksache führen in ihren Gesetzesbegründungen aus (BT-Drucks. 19/18791 Seiten 63-64, BR-Drucks. 168/20, Seiten 69-70), dass alles bezogen auf das Aufladen eines Fahrzeuges ermöglicht werden soll. Bedenkt man, dass ein solches Photovoltaikmodul einen mindestens ebenso großen Eingriff darstellt, dann wäre dies gewiss gesondert ausgeführt worden. Eine solche Solaranlage ist daher nicht ein Annex zur privilegierten E-Mobilität.

Auch kann keine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 S. 1 und insbesondere dort Nr. 2 WEG erfolgen. Geht man zu den Anfängen der letzten WEG-Reform zurück, wird man finden, dass diese zunächst viel kleiner geplant war, ohne grundsätzliche strukturelle Umgestaltungen. Das ursprüngliche Anliegen waren die sog. Wall-Boxen. Dies kann auch noch dem Wortlaut des Änderungsgesetzes entnommen werden. Es ging konkret um den Klimaschutz also nur, soweit Autos Zuhause aufgeladen werden können. Findet man nun in der Literatur unter den Stichworten "entsprechende Anwendung" und "Klimaschutz" Ausführungen dazu, dass hier auch weitere privilegierte bauliche Veränderungen unter Berücksichtigung von verfassungsrechtlichen und auch systematischen Gründen sowie § 555b BGB darunter zu subsumieren seien, so ist dies rechtlich nicht haltbar.

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