14.08.2024

Kein Rücktritt vom Reisevertrag durch Nichterscheinen am Flughafen

Ein Nichterscheinen am Abflugort kann nicht als konkludenter Rücktritt vom Reisevertrag ausgelegt werden. Zwar kann ein Rücktritt auch konkludent erklärt werden. Jedenfalls muss aber eine Willenserklärung des Reisenden, gerichtet auf Beendigung des Reisevertrags vorliegen. Ohne weitere Anhaltspunkte lässt sich aus objektivem Empfängerhorizont hier nicht zwangsläufig schließen, dass der Reisende kein Interesse mehr an der Reise hat - insbesondere da das Nichterscheinen auch andere Gründe haben kann, wie etwa eine Verspätung.

AG München v. 5.2.2024 - 242 C 15369/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin schloss mit dem beklagten Reiseveranstalter am 13.6.2021 einen Pauschalreisevertrag über eine Reise nach Palma de Mallorca vom 23.7.2021 bis 27.7.2021 zu einem Gesamtreisepreis von 1.100 Euro, einschließlich Flügen, Unterbringung und All-inklusiv-Leistungen. Der Reisepreis wurde von der Klägerin mehrere Wochen vor geplantem Antritt der Reise in voller Höhe an die Beklagte entrichtet. Die Reise sollte am 23.7.2021 mit Abflug um 17:50 Uhr beginnen. Aufgrund von Bedenken im Zusammenhang mit dem Corona-Virus entschied sich die Klägerin, die Reise nicht anzutreten. Sie erschien nicht am Flughafen und erklärte per Mail am 23.7.2021 um 17:54 Uhr den Rücktritt vom Reisevertrag.

Der beklagte Reiseveranstalter stellte der Klägerin daraufhin 85% des Reisepreises, d.h. 950 Euro als Stornogebühr in Rechnung. Diese wurde in der Folge aus Kulanz nochmals auf 540 Euro reduziert. Die Klägerin ging davon aus, dass sie durch ihr Nichterscheinen wirksam den Rücktritt erklärt habe und die Beklagte aufgrund der Corona-Risiken in Mallorca zum damaligen Zeitpunkt keine Stornogebühr zu beanspruchen hatte. Die Klägerin klagte daher die Rückzahlung der Stornogebühr von 540 Euro vor dem AG ein.

Das AG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises. Zugang der ausdrücklichen Rücktrittserklärung bei der Beklagten per Mail war um 17:54 Uhr, also vier Minuten nach Reisebeginn. Das alleinige Nichterscheinen am Flughafen führt zu keiner konkludenten Rücktrittserklärung vor Reisebeginn.

Zwar kann ein Rücktritt auch konkludent erklärt werden. Jedenfalls muss aber eine Willenserklärung des Reisenden, gerichtet auf Beendigung des Reisevertrags vorliegen. Ein Nichterscheinen am Abflugort kann hingegen vielfältige Ursachen haben. Ohne weitere Anhaltspunkte lässt sich daher auch nach einem objektiven Empfängerhorizont nicht zwangsläufig schließen, dass der Reisende kein Interesse mehr an der Reise hat, wenn er die Reise nicht rechtzeitig antritt. Er kann sich nämlich einfach nur aus vielfältigen Gründen verspätet haben. Eine bloße Verspätung aber als konkludenten Rücktritt auszulegen, ist zu weitgehend, da der Rücktritt als Gestaltungsrecht grundsätzlich unwiderruflich und damit "endgültig" ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche weitgehende Auslegung auf Grund schützenswerten Interessen des Reiseveranstalters zwingend geboten wäre.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Pandemie / Leistungshindernis / Rücktritt /  Stornierung
BGH vom 6.3.2024 - VIII ZR 363/21
RRa 2024, 120

Aufsatz:
(Wieder) Neues aus Luxemburg zum Rücktritt vom Pauschalreisevertrag
Rudi Ruks, GPR 2024, 116

Rechtsprechung/News:
Waldbrände in Griechenland als Rücktrittsgrund i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB?
AG Düsseldorf vom 12.4.2024 - 48 C 356/23

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