Kein Schadensersatzanspruch eines großen insolventen Handelskonzerns gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
OLG Frankfurt a.M. 17.1.2018, 4 U 4/17Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines ehemaligen großen deutschen Handelskonzerns (Schuldnerin). Die Beklagte beriet die Schuldnerin im letzten Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2009 im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Sanierung der Schuldnerin auf Basis von zwei Verträgen aus 2008 und eines weiteren im April 2009 geschlossenen Vertrags. Die Beklagte händigte der Schuldnerin zuletzt am 20.5.2009 ein so bezeichnetes "Sanierungskonzept". Am 9.6.2009 stellt die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Der Kläger forderte von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. rd. 82 Mio. € wegen verzögerter Insolvenzantragsstellung sowie die Rückzahlung der 2009 erhaltenen Honorarzahlungen i.H.v. rd. 3,5 Mio. €. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe pflichtwidrig nicht auf eine Insolvenzreife hingewiesen. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers vor dem OLG hatte jedoch hinsichtlich der Rückzahlungsforderung der Honorare ab 20.5.2009 Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Es ist keine Pflichtverletzung der Beklagten wegen eines unterlassenen Hinweises auf eine frühere Insolvenzreife feststellbar.
Die Schuldnerin ist nicht wegen nicht beglichener Verlustausgleichansprüche ihrer Tochtergesellschaft bereits im September 2008 zahlungsunfähig gewesen. Die Ansprüche sind gestundet und damit im insolvenzrechtlichen Sinne nicht fällig gewesen. Wären die Ansprüche fällig gewesen, läge trotzdem keine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung der Beklagten vor, denn die Beratungsverträge aus 2008 enthielten keine Verpflichtung der Beklagten, eine Insolvenzreife wegen einer konzernrechtlichen Unzulässigkeit der Stundung der Verlustausgleichansprüche zu prüfen. Die Verträge beinhalteten vielmehr einen abschließenden Pflichtenkatalog.
Allein aus dem Umstand, dass die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts nur sinnvoll ist, wenn keine Insolvenzreife des zu sanierenden Unternehmens besteht, folgt keine Verpflichtung der Beklagten eine mögliche Insolvenzreife eigenständig zu prüfen. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass die Schuldnerin dies intern durchführen will. Die Beklagte hat auch keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer solchen Prüfung erteilen müssen. Sie hat davon ausgehen dürfen, dass die Schuldnerin als Obergesellschaft eines Konzerns hinsichtlich ihrer Prüfungspflicht nicht belehrt werden musste, insbesondere auch da sie anwaltlich beraten wurde.
Ob der Beratungsvertrag aus April 2009 eine Verpflichtung der beklagten zur Insolvenzreifeprüfung enthält, kann offen bleiben, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass infolge eines Hinweises der Beklagten der Insolvenzantrag tatsächlich früher gestellt worden wäre.
Die Beklagte muss jedoch die ab dem 20.5.2009 erhaltenen Honorarzahlungen i.H.v. rd. 2 Mio. € erstatten, denn diese Zahlungen haben eine Benachteiligung der anderen Gläubiger zur Folge und unterliegen daher der Insolvenzanfechtung. Zum Zeitpunkt der Zahlungen ab 20.5.2009 ist dem Vorstand der Schuldnerin bereits bekannt gewesen, dass die notwendige Finanzierung der Geschäftsfähigkeit nicht mehr gesichert ist. Dies hat auch die Beklagte mit Fertigstellung ihres Konzepts gewusst. Frühere Zahlungen unterliegen hingegen nicht der Anfechtung.