Kein Stichtagszuschlag bei der ortsüblichen Vergleichsmiete auf Basis des Verbraucherpreisindex
AG Wiesbaden 26.2.2025 - 935 C 4000/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Vermieterin der Beklagten. Zum 24.7.2024 betrug die Nettomiete 592,74 €. Die Miete bestand seit 15 Monaten unverändert. Im Rahmen des Wiesbadener Mietspiegels von 2021, der kein qualifizierter Mietspiegel ist, ist die Mietwohnung in die Baualtersklasse 1950 bis 1974, mittlere Wohnlage, Ausstattungsklasse mit Heizung und Bad und Größenklasse 60 bis 100 m² einzuordnen. Der Mietspiegel sieht hierfür eine Mietpreisspanne von 7,52 €/m² bis 9,12 €/m² (Mittelwert: 8,32 €/m²) vor.
Mit Schreiben vom 24.7.2024 forderte die Klägerin die Beklagten auf, bis zum 30.9.2024 ihre Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 88,91 € mitzuteilen, was einer Quadratmetermiete von 9,45 €/m² entspricht. Die Begründung stützte die Klägerin neben dem Wiesbadener Mietspiegel auf die Entwicklung des Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamtes, der von Januar 2021, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mietspiegels, bis April 2024 von 101 Punkten auf 119,2 Punkte gestiegen war.
Neben dieser Veränderung um 18,02 % berücksichtigte die Klägerin einen Teilmodernisierungszuschlag von 0,32 €/m² und einen Abschlag wegen Verkehrsbeeinträchtigung von 5 %. Daraus errechnete die Klägerin eine Quadratmetermiete von 9,72 €/m². Unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze von 15 % wurde die nunmehr geforderte Miete auf 9,45 €/m² begrenzt. Nachdem die Beklagten der Mieterhöhung zunächst nicht zugestimmt hatten, forderte die Klägerin gerichtlich die Zustimmung ein.
Daraufhin stimmten die Beklagten der Mieterhöhung unter Nutzung einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten App zu. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das AG hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil die Klage ohne eine Erledigung des Rechtsstreits voraussichtlich abgewiesen worden wäre.
Die Gründe:
Die Klage war nicht schlüssig, da die Klägerin nicht ausreichend dazu vorgetragen hatte, dass die ortsübliche Vergleichsmiete in Wiesbaden mindestens den von ihr verlangten Betrag von 9,45 €/m² erreichte. Die Berücksichtigung der Entwicklung des Verbraucherpreisindex seit Inkrafttreten des Wiesbadener Mietspiegels war zur Ermittlung der behaupteten ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 558 ZPO jedenfalls nicht geeignet.
Das Gericht muss die ortsübliche Vergleichsmiete zum Tag des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens feststellen (BGH, Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 41/0). Nach § 558 Abs. 2 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden sind (§ 558 Abs. 2 BGB). Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nach diesen gesetzlichen Vorgaben ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen soll (BGH, Urt. v. 16.6.2010 - VIII ZR 99/09).
Zwar hat der BGH die Berücksichtigung eines Stichtagszuschlags grundsätzlich als Möglichkeit der Ermittlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete zugelassen, wenn zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen war (BGH, Urt. v. 15.3.2017 - VIII ZR 295/15). Allerdings lag im damaligen Fall zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung bereits ein neuer Mietspiegel vor. Die Schätzung des Gerichts unter Berücksichtigung des Stichtagszuschlags konnte daher auf eine lineare Interpolation zwischen den Werten des alten und des neuen Mietspiegels zurückgreifen. Dies entsprach dem geforderten objektiven Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen. Ein solcher objektiver Maßstab fehlte im vorliegenden Fallallerdings, da noch kein neuer Wiesbadener Mietspiegel besteht.
Es fehlte jeder nachvollziehbare Vortrag der Klägerin zu einer ungewöhnlichen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete im vorliegenden Fall. Allein aus einem deutlichen Anstieg des Verbraucherpreisindex konnte eine solche ungewöhnliche Steigerung nicht geschlossen werden, da hier ein umfassender "Warenkorb" berücksichtigt werden muss. Konkret kam hinzu, dass die hohe Inflation zu einem guten Teil auf gestiegene Energiekosten und infolgedessen auch steigende Lebensmittelpreise und Dienstleistungskosten zurückging. Die Entwicklung der Nettomietpreise stand damit in keinerlei erkennbarem Zusammenhang.
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Die Klägerin ist Vermieterin der Beklagten. Zum 24.7.2024 betrug die Nettomiete 592,74 €. Die Miete bestand seit 15 Monaten unverändert. Im Rahmen des Wiesbadener Mietspiegels von 2021, der kein qualifizierter Mietspiegel ist, ist die Mietwohnung in die Baualtersklasse 1950 bis 1974, mittlere Wohnlage, Ausstattungsklasse mit Heizung und Bad und Größenklasse 60 bis 100 m² einzuordnen. Der Mietspiegel sieht hierfür eine Mietpreisspanne von 7,52 €/m² bis 9,12 €/m² (Mittelwert: 8,32 €/m²) vor.
Mit Schreiben vom 24.7.2024 forderte die Klägerin die Beklagten auf, bis zum 30.9.2024 ihre Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 88,91 € mitzuteilen, was einer Quadratmetermiete von 9,45 €/m² entspricht. Die Begründung stützte die Klägerin neben dem Wiesbadener Mietspiegel auf die Entwicklung des Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamtes, der von Januar 2021, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mietspiegels, bis April 2024 von 101 Punkten auf 119,2 Punkte gestiegen war.
Neben dieser Veränderung um 18,02 % berücksichtigte die Klägerin einen Teilmodernisierungszuschlag von 0,32 €/m² und einen Abschlag wegen Verkehrsbeeinträchtigung von 5 %. Daraus errechnete die Klägerin eine Quadratmetermiete von 9,72 €/m². Unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze von 15 % wurde die nunmehr geforderte Miete auf 9,45 €/m² begrenzt. Nachdem die Beklagten der Mieterhöhung zunächst nicht zugestimmt hatten, forderte die Klägerin gerichtlich die Zustimmung ein.
Daraufhin stimmten die Beklagten der Mieterhöhung unter Nutzung einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten App zu. Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das AG hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil die Klage ohne eine Erledigung des Rechtsstreits voraussichtlich abgewiesen worden wäre.
Die Gründe:
Die Klage war nicht schlüssig, da die Klägerin nicht ausreichend dazu vorgetragen hatte, dass die ortsübliche Vergleichsmiete in Wiesbaden mindestens den von ihr verlangten Betrag von 9,45 €/m² erreichte. Die Berücksichtigung der Entwicklung des Verbraucherpreisindex seit Inkrafttreten des Wiesbadener Mietspiegels war zur Ermittlung der behaupteten ortsüblichen Vergleichsmiete gem. § 558 ZPO jedenfalls nicht geeignet.
Das Gericht muss die ortsübliche Vergleichsmiete zum Tag des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens feststellen (BGH, Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 41/0). Nach § 558 Abs. 2 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden sind (§ 558 Abs. 2 BGB). Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nach diesen gesetzlichen Vorgaben ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen soll (BGH, Urt. v. 16.6.2010 - VIII ZR 99/09).
Zwar hat der BGH die Berücksichtigung eines Stichtagszuschlags grundsätzlich als Möglichkeit der Ermittlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete zugelassen, wenn zwischen dem Erhebungsstichtag des Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen war (BGH, Urt. v. 15.3.2017 - VIII ZR 295/15). Allerdings lag im damaligen Fall zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung bereits ein neuer Mietspiegel vor. Die Schätzung des Gerichts unter Berücksichtigung des Stichtagszuschlags konnte daher auf eine lineare Interpolation zwischen den Werten des alten und des neuen Mietspiegels zurückgreifen. Dies entsprach dem geforderten objektiven Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen. Ein solcher objektiver Maßstab fehlte im vorliegenden Fallallerdings, da noch kein neuer Wiesbadener Mietspiegel besteht.
Es fehlte jeder nachvollziehbare Vortrag der Klägerin zu einer ungewöhnlichen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete im vorliegenden Fall. Allein aus einem deutlichen Anstieg des Verbraucherpreisindex konnte eine solche ungewöhnliche Steigerung nicht geschlossen werden, da hier ein umfassender "Warenkorb" berücksichtigt werden muss. Konkret kam hinzu, dass die hohe Inflation zu einem guten Teil auf gestiegene Energiekosten und infolgedessen auch steigende Lebensmittelpreise und Dienstleistungskosten zurückging. Die Entwicklung der Nettomietpreise stand damit in keinerlei erkennbarem Zusammenhang.
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