10.01.2025

Kein vertragliches Widerrufsrecht durch Erteilung einer "Widerrufsbelehrung" bei einem Kilometerleasingvertrag

Die Erteilung einer vorformulierten "Widerrufsbelehrung" bei Abschluss eines Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung stellt auch dann kein Angebot auf Gewährung eines vertraglichen Widerrufsrechts dar, wenn zu dem Zeitpunkt der Erteilung bereits höchstrichterlich entschieden und dem Leasingunternehmen bekannt war, dass bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung generell kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht.

LG Darmstadt v. 16.12.2024 - 1 O 109/24
Der Sachverhalt:
Kläger hatte Interesse am Abschluss eines Leasingvertrags und nahm hierzu Kontakt mit einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Autohaus auf. Am 30.6.2023 erhielt er von dort per E-Mail den Entwurf eines "Auto-Kilometer-Leasingvertrags (privat)". Die Vertragsurkunde enthielt eine eingearbeitete "Widerrufsbelehrung". Der Vertragsentwurf wurde vom Kläger noch am 30.6.2023 elektronisch signiert und an das Autohaus zurückgesendet, das ihn an die Beklagte weiterleitete. Am 9.2.2024 nahm der Kläger das Neufahrzeug im Autohaus entgegen und unterzeichnete die vorgelegte Vertragsurkunde unter dem Datum 30.6.2023.

Am 22.2.2024 sandte der Kläger eine E-Mail an die Beklagte, in welcher er erklärte, "den abgeschlossenen Vertrag vom 9.2.2024 "fristgerecht" zu widerrufen. Nachdem der Kläger keine Rückmeldung von der Beklagten erhalten hatte, nahm er am 6.3.2024 telefonisch Kontakt mit der Hotline der Beklagten auf. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass sein Widerruf zwar eingegangen, mangels persönlicher Unterschrift aber unwirksam sei. Der Kläger übersandte der Beklagten daraufhin am selben Tag seine E-Mail vom 22.2.2024 erneut, ergänzt um seine handschriftliche Unterschrift.

Da die Beklagte nicht weiter auf den Widerruf des Klägers eingegangen war, beauftragte dieser einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte. Dieser verlangte gerichtlich, festzustellen, dass der Kläger ab seiner Widerrufserklärung vom 22.2.2024 keine vertraglichen Zahlungen mehr schulde und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.012 € nach Herausgabe des PKW zurückzuzahlen. Zwar habe der EuGH am 21.12.2023 abschließend entschieden, dass bei Kilometerleasingverträgen kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Dies lasse allerdings ein Widerrufsrecht des Klägers nicht entfallen, sondern führe lediglich dazu, dass die Widerrufsbelehrung als Angebot zur Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts anzusehen sei, das der Kläger mit seiner Unterschrift angenommen habe. Die Beklagte könne sich insoweit anders als im vom BGH am 24.2.2021 (Az. VIII ZR 36/20) entschiedenen Fall nicht darauf berufen, dass sie die Widerrufsbelehrung überobligatorisch in unklarer Rechtslage erteilt habe, um einer eventuellen gesetzlichen Pflicht zu genügen.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Widerruf des Klägers hat unabhängig von den streitigen Einzelheiten des Vertragsschlusses im Ergebnis nicht dazu geführt, dass der Vertrag zwischen den Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden wäre, weil dem Kläger hier zu keinem Zeitpunkt ein gesetzliches oder vertragliches Widerrufsrecht zugestanden hatte.

Umstände, die hier zu einem gesetzlichen Widerrufsrecht des Klägers führen könnten, waren weder dargetan noch sonst aus dem Gesamtzusammenhang ersichtlich. Insbesondere handelte es sich bei dem streitgegenständlichen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, wie die Klägerseite selbst eingeräumt hatte, um keine entgeltliche Finanzierungshilfe i.S.v. § 506 Abs. 2 BGB. Der Kläger konnte sich hier auch nicht auf ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht berufen. Die unstreitig erfolgte Erteilung der mit "Widerrufsbelehrung" überschriebenen, in dem vorformulierten Vertragsformular enthaltenen Textpassage stellte kein Angebot auf Gewährung eines vorbehaltlosen vertraglichen Widerrufsrechts dar, das der Kläger mit Vertragsabschluss hätte annehmen können.

Unerheblich war, aus welchen Gründen die Beklagte dem Kläger hier eine Widerrufsbelehrung erteilt hatte und wie diese vom Kläger verstanden worden ist. Wie der BGH in seinem Urteil vom 24.2.2021 in Erinnerung gerufen hat, kann eine in einem Vertragsformular enthaltene Widerrufsbelehrung unabhängig von allen weiteren Einzelheiten nur dann ein vertragliches Widerrufsrecht begründen, wenn diese Widerrufsbelehrung als AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB anzusehen ist. AGB sind nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB "Vertragsbedingungen", also nicht bloße Informationen oder Hinweise. Vertragsbedingungen haben die Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand oder begründen sonst nicht bestehende Rechte und Pflichten.

Maßgeblich ist, ob ein durchschnittlicher Adressat den Eindruck gewinnen muss, die Erklärung begründe für ihn eine Verbindlichkeit. Dies ist im Zweifelsfall durch Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB ausgehend von dem Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Kunden zu ermitteln, sodass es auf die Frage, wie gerade der Kläger die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung verstanden haben mag, nicht entscheidend ankam. Von einem durchschnittlichen Leasingnehmer, der sich von der Sichtweise verständiger und redlicher Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise leiten lässt, wird man keinesfalls erwarten können, dass dieser den Pressemeldungen zu höchstrichterlichen Entscheidungen in diesem Bereich folgt oder aus anderen Gründen positive Kenntnis davon hat, dass bei Leasingverträgen dieser Art weder nach unionsrechtlichen Vorgaben noch - anders als bei Leasingverträgen mit Restwertabrechnung - aufgrund der überschießenden Vorgaben des innerstaatlichen Rechts ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht.

Legt man die oben beschriebenen allgemeinen Auslegungskriterien an die vorliegende Widerrufsbelehrung an, so war diese ausgehend von dem Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Kunden nicht als Angebot zur Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts anzusehen.

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