Keine Aufklärung des Berufungsgrundes im Erbscheinsverfahren bei fehlender Relevanz für den Erbscheinsinhalt
OLG Bamberg v. 23.12.2021, 2 W 5/21
Der Sachverhalt:
Die Erblasserin ist die Mutter der Beteiligten zu 1) bis 3). Sie verstarb im Jahr 2020. Ihr Ehemann, der Vater der Beteiligten ist bereits 2016 verstorben. Im Juli 2020 hat das Nachlassgericht ein durch den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) geöffnet abgeliefertes eigenhändiges, mit dem Namen der Erblasserin unterschriebenes und auf den 6.3.2016 datiertes Testament eröffnet. Weitere letztwillige Verfügungen der Erblasser existieren nicht.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Sie haben aus diesem Grund die Anfechtung des Testaments erklärt, da die von der Erblasserin stets angestrebte gleichmäßige Begünstigung der Kinder durch das zugunsten der Beteiligten zu 3) in dem Testament errichtete Vorausvermächtnis nicht erreicht werde.
Die Beteiligte zu 3) hat beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein nach gewillkürter Erbfolge aufgrund des Testaments vom 6.3.2016 zu erteilen, der die Beteiligten zu 1) bis 3) ebenfalls als Miterben zu einem Drittel ausweist. Sie hat sich gegen die Annahme von Testierfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des Testaments gewendet. Ein Anfechtungsgrund bestehe ihrer Auffassung nach bereits deshalb nicht, weil die Beteiligten zu 1) und 2) in der Vergangenheit erhebliche Zuwendungen erhalten hätten, so dass sich bereits keine relevante Mehrbegünstigung der Beteiligten zu 3) durch das angeordnete Vorausvermächtnis ergebe.
Das Nachlassgericht hat die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 3) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass in der Gesamtschau der vorliegenden ärztlichen Atteste sowie von Inhalt und Form des Testaments keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin vorlägen. An der eigenhändigen Abfassung und Unterzeichnung des Testaments durch die Erblasserin bestünden keine Zweifel. Es sei ferner weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Erblasserin zur Abgabe ihrer letztwilligen Erklärung durch Drohung oder Irrtum bestimmt worden sei, so dass eine Anfechtung gem. § 2078 BGB ausscheide.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Gründe:
Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 3) erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet.
Entsprechend der Legaldefinition des § 2353 BGB stellt der Erbschein ein Zeugnis über das Erbrecht sowie im Fall einer nur teilweisen Berufung über die Größe des Erbteils dar. Diese Angaben stellen neben Verfügungsbeschränkungen den allein zulässigen Inhalt eines Erbscheins dar. Angaben anderen Inhalts als die genannten sind nicht in den Erbschein aufzunehmen. Entsprechende, dennoch in den Erbschein aufgenommene Angaben haben nicht die dem Erbschein nach den §§ 2365-2367 BGB zukommende rechtliche Bedeutung. Insbesondere eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut nicht vor, so dass dieser grundsätzlich bis auf Ausnahmefälle des mehrfachen Berufungsgrundes (§§ 1951, 2088 BGB) nicht in den Erbschein aufzunehmen ist.
Der Erbscheinsantrag kann nicht mit prozessualer Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf einen konkreten Berufungsgrund beschränkt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erbschaft ohne Rücksicht auf den Berufungsgrund von allen Erben angenommen wurde bzw. von keinem mehr ausgeschlagen werden kann. Der Berufungsgrund ist bis auf den Ausnahmefall der mehrfachen Berufung nicht in den Erbschein aufzunehmen.
Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat. Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat. Das Erbscheinsverfahren dient nicht dazu, die Auseinandersetzung zwischen den Miterben zu regeln.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Erteilung des Erbscheins zwingend die Feststellung des im Erbscheinsantrag bezeichneten Berufungsgrundes voraussetzt. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 8.9.2021 (Az. IV ZB 17/20) zwar klargestellt, dass der Berufungsgrund nicht Inhalt der Feststellungen des Erbscheins ist. Die Frage der Bindungswirkung für das Nachlassgericht bei einer Beschränkung des Erbscheinsantrags auf eines von mehreren Testamenten hat er jedoch ausdrücklich offen gelassen.
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Bayern.Recht
Die Erblasserin ist die Mutter der Beteiligten zu 1) bis 3). Sie verstarb im Jahr 2020. Ihr Ehemann, der Vater der Beteiligten ist bereits 2016 verstorben. Im Juli 2020 hat das Nachlassgericht ein durch den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) geöffnet abgeliefertes eigenhändiges, mit dem Namen der Erblasserin unterschriebenes und auf den 6.3.2016 datiertes Testament eröffnet. Weitere letztwillige Verfügungen der Erblasser existieren nicht.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Sie haben aus diesem Grund die Anfechtung des Testaments erklärt, da die von der Erblasserin stets angestrebte gleichmäßige Begünstigung der Kinder durch das zugunsten der Beteiligten zu 3) in dem Testament errichtete Vorausvermächtnis nicht erreicht werde.
Die Beteiligte zu 3) hat beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein nach gewillkürter Erbfolge aufgrund des Testaments vom 6.3.2016 zu erteilen, der die Beteiligten zu 1) bis 3) ebenfalls als Miterben zu einem Drittel ausweist. Sie hat sich gegen die Annahme von Testierfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des Testaments gewendet. Ein Anfechtungsgrund bestehe ihrer Auffassung nach bereits deshalb nicht, weil die Beteiligten zu 1) und 2) in der Vergangenheit erhebliche Zuwendungen erhalten hätten, so dass sich bereits keine relevante Mehrbegünstigung der Beteiligten zu 3) durch das angeordnete Vorausvermächtnis ergebe.
Das Nachlassgericht hat die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 3) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass in der Gesamtschau der vorliegenden ärztlichen Atteste sowie von Inhalt und Form des Testaments keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin vorlägen. An der eigenhändigen Abfassung und Unterzeichnung des Testaments durch die Erblasserin bestünden keine Zweifel. Es sei ferner weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Erblasserin zur Abgabe ihrer letztwilligen Erklärung durch Drohung oder Irrtum bestimmt worden sei, so dass eine Anfechtung gem. § 2078 BGB ausscheide.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die Gründe:
Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 3) erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet.
Entsprechend der Legaldefinition des § 2353 BGB stellt der Erbschein ein Zeugnis über das Erbrecht sowie im Fall einer nur teilweisen Berufung über die Größe des Erbteils dar. Diese Angaben stellen neben Verfügungsbeschränkungen den allein zulässigen Inhalt eines Erbscheins dar. Angaben anderen Inhalts als die genannten sind nicht in den Erbschein aufzunehmen. Entsprechende, dennoch in den Erbschein aufgenommene Angaben haben nicht die dem Erbschein nach den §§ 2365-2367 BGB zukommende rechtliche Bedeutung. Insbesondere eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut nicht vor, so dass dieser grundsätzlich bis auf Ausnahmefälle des mehrfachen Berufungsgrundes (§§ 1951, 2088 BGB) nicht in den Erbschein aufzunehmen ist.
Der Erbscheinsantrag kann nicht mit prozessualer Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf einen konkreten Berufungsgrund beschränkt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erbschaft ohne Rücksicht auf den Berufungsgrund von allen Erben angenommen wurde bzw. von keinem mehr ausgeschlagen werden kann. Der Berufungsgrund ist bis auf den Ausnahmefall der mehrfachen Berufung nicht in den Erbschein aufzunehmen.
Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat. Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat. Das Erbscheinsverfahren dient nicht dazu, die Auseinandersetzung zwischen den Miterben zu regeln.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Erteilung des Erbscheins zwingend die Feststellung des im Erbscheinsantrag bezeichneten Berufungsgrundes voraussetzt. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 8.9.2021 (Az. IV ZB 17/20) zwar klargestellt, dass der Berufungsgrund nicht Inhalt der Feststellungen des Erbscheins ist. Die Frage der Bindungswirkung für das Nachlassgericht bei einer Beschränkung des Erbscheinsantrags auf eines von mehreren Testamenten hat er jedoch ausdrücklich offen gelassen.
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