26.06.2018

Keine Entschädigung für das eigenmächtige Abschneiden überstehender Zweige vor erfolgloser wirksamer Fristsetzung

Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung für das Abschneiden herüberragender Zweige setzt voraus, dass dem Baumeigentümer zuvor erfolglos eine wirksame Frist nach § 910 Abs. 1 S. 2 BGB gesetzt worden ist.

LG Kleve 15.2.1018, 6 S 92/17
Der Sachverhalt:
Die Kläger bewohnen ein Grundstück zur Miete, auf das Zweige der beklagten Nachbarn herüberragten. Die beklagten wurden mit Schreiben vom 20.5.2014 und vom 28.5.2014 erfolglos aufgefordert, die Hecke binnen sieben Tagen zurückzuschneiden.

Die Kläger schnitten die Hecke daraufhin im Juni 2014 selbst zurück und leiteten schließlich im Januar 2015 dazu ein Schlichtungsverfahren ein. Die Klage auf Erstattung der Kosten , die der Störer zur Erfüllung der Beseitigung hätte aufwenden müssen, hatte vor dem AG zunächst Erfolg und führte zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung i.H.v. 248,12 €. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem LG Erfolg.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 248,12 € aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 818, 421, 432 BGB.

In Überwuchsfällen besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten, die der Störer zur Erfüllung des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB hätte aufwenden müssen, soweit der gestörte Nachbar die Beseitigung selbst vornehmen durfte. Das Selbsthilferecht des § 910 BGB steht grundsätzlich neben dem Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB. Die Wertungen des § 910 BGB modifizieren aber den Anspruch gem. § 1004 BGB. Gem. § 910 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Beseitigungsanspruch bei Überwuchs abweichend von § 271 BGB erst dann durchsetzbar, wenn der Gläubiger dem Störer eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt hat und diese erfolglos verstrichen ist. Dieser Schutz liefe leer, wenn der Nachbar zwar nicht direkt die Zweige selbst beseitigen dürfe, er aber direkt vom Eigentümer die Beseitigung nach § 1004 BGB verlangen könnte. Ansonsten ergebe sich ein Wertungswiderspruch.

Im Streitfall lag daher bei Vornahme des Schnitts im Juni 2014 kein durchsetzbarer Beseitigungsanspruch vor. Aus eigenem Recht stand den Klägern der Anspruch gem. § 1004 BGB nicht zu, da die nur Mieter und nicht Eigentümer des Grundstücks sind. Ansprüche aus §§ 1004, 910 BGB haben nur Eigentümer, nicht aber obligatorische Berechtigte. Eine analoge Anwendung auf Mieter ist nicht geboten. Der Gesetzgeber hat die Vorschriften bewusst im Sachenrecht geregelt. Es fehlt daher bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

Ob der Eigentümer die Kläger zur Ausübung der Rechte nach §§ 1004, 910 BGB ermächtigt hat, ist strittig und kann aber im Streitfall dahinstehen, denn auch bei vorliegender Ermächtigung haben die Kläger keinen Kondiktionsanspruch gegen die Beklagten, da es an einer wirksamen Fristsetzung fehlt. Mit den Schreiben vom 20.5.2014 und vom 28.5.2014 sind keine wirksamen Fristen gesetzt worden, denn sie wurden ausschließlich durch den Kläger zu 1 gesetzt, der ausschließlich im eigenen Namen handelte. Da er den Anspruch nur durch eine Ermächtigung des Grundstückseigentümers geltend machen konnte, hätte er dies jedoch analog § 164 Abs. 1 BGB kenntlich machen müssen. Aufgrund der Unterlassung ist die Fristsetzung unwirksam.

Zudem war die Frist nicht angemessen. § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. stand einem Heckenschnitt vor dem 30.9.2014 entgegen. Vor diesem Zeitraum waren nur Form- und Pflegeschnitte zulässig.

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