Keine entsprechende Anwendung des § 656 Abs. 1 BGB auf einen Online-Partnervermittlungsvertrag
BGH v. 17.6.2021 - III ZR 125/19
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Online-Partnervermittlung. Die Klägerin hatte eine sog. Premium-Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12 Monaten zum Preis von 265,68 € erworben. Dabei wurde sie ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Sie forderte die Beklagte auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen. Daraufhin erhielt die Klägerin ein zum Leistungsumfang gehörendes, automatisiert auf der Basis von Logarithmen erstelltes "Persönlichkeitsgutachten" sowie Partnervorschläge und konnte die Plattform vollumfänglich nutzen.
Einen Tag später erklärte die Klägerin den Widerruf. Die Beklagte bestätigte diesen und machte zugleich einen Anspruch auf Wertersatz für bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachte Leistungen i.H.v. 199,26 € geltend. Die Klägerin sah sich nicht in der Pflicht an die Beklagte Wertersatz zu zahlen. Sie machte insbesondere geltend, dass in entsprechender Anwendung des § 656 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Vertrag ein Vergütungsanspruch der Beklagten nicht habe begründet werden können.
Das AG hat festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, an die Beklagte 197,80 € zu zahlen, sondern nur 1,46 €. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG den Feststellungsausspruch auf 49,62 € reduziert. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Entscheidung des AG wiederhergestellt.
Gründe:
Zwar steht der Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Wertersatz zu. Durch den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin hat die Beklagte nämlich einen Vergütungsanspruch erlangt, so dass auch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes ihrer Leistungen gem. § 351 Abs. 8 Satz 1 BGB begründet werden konnte, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin die Vergütung noch nicht gezahlt hatte. § 656 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen, denn die Norm ist auf diesen Vertrag nicht anwendbar.
§ 656 Abs. 1 BGB bestimmt, dass durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, das auf Grund des Versprechens Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Der BGH hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zunächst auf den Eheanbahnungs- und schließlich auf den Partnerschaftsanbahnungsvertrag angenommen.
Dies hat er damit begründet, dass nach dem Zustandekommen der Ehe oder Partnerschaft die Honorarklage aus solchen Verträgen die Intimsphäre der Kunden ebenso beeinträchtigen würde wie bei einer Klage auf den sogenannten Ehemäklerlohn. Gerichtliche Auseinandersetzungen seien vor allem dann zu erwarten, wenn die Bemühungen des Vermittlers erfolglos geblieben seien, so dass häufig mit dem Einwand zu rechnen sei, der Vermittler habe seine vertraglichen Pflichten nicht gehörig erfüllt, indem er auf die in Frage kommenden Partner nicht intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt nicht an einer Partnerschaft interessiert oder als Partner nicht geeignet seien.
Diese Gründe gelten für den verfahrensgegenständlichen Vertrag über eine "Online-Partnervermittlung" jedoch nicht. Dort besteht die Leistungspflicht der Beklagten vor allem darin, ihren Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der von ihr betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können. Zwar stellt auch die Beklagte ihren Kunden Partnervorschläge zur Verfügung. Diese beruhen aber allein auf einem elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden.
Eine individuelle, persönliche Auswertung findet nicht statt. Auch eine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Qualität der Vorschläge übernimmt die Beklagte nicht. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass durch einen Rechtsstreit über den Vergütungsanspruch der Beklagten in die Intimsphäre ihrer Kunden in einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag wäre. Gleiches gilt für das sog. Persönlichkeitsgutachten, das ebenfalls automatisiert erstellt wird.
Der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB beträgt jedoch lediglich 1,46 €. Der Wertansatz ist aus den bereits im Urteil des Senats vom 6.5.2021 - III ZR 169/20 - dargelegten Gründen zeitanteilig zu berechnen. Nach diesen Vorgaben beläuft sich der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz auf den genannten Betrag (265,68 € : 365 x 2 = 1,46 €).
BGH-Pressemitteilung Nr. 111 v. 17.6.2021
Die Beklagte betreibt eine Online-Partnervermittlung. Die Klägerin hatte eine sog. Premium-Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12 Monaten zum Preis von 265,68 € erworben. Dabei wurde sie ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Sie forderte die Beklagte auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen. Daraufhin erhielt die Klägerin ein zum Leistungsumfang gehörendes, automatisiert auf der Basis von Logarithmen erstelltes "Persönlichkeitsgutachten" sowie Partnervorschläge und konnte die Plattform vollumfänglich nutzen.
Einen Tag später erklärte die Klägerin den Widerruf. Die Beklagte bestätigte diesen und machte zugleich einen Anspruch auf Wertersatz für bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachte Leistungen i.H.v. 199,26 € geltend. Die Klägerin sah sich nicht in der Pflicht an die Beklagte Wertersatz zu zahlen. Sie machte insbesondere geltend, dass in entsprechender Anwendung des § 656 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Vertrag ein Vergütungsanspruch der Beklagten nicht habe begründet werden können.
Das AG hat festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, an die Beklagte 197,80 € zu zahlen, sondern nur 1,46 €. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG den Feststellungsausspruch auf 49,62 € reduziert. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Entscheidung des AG wiederhergestellt.
Gründe:
Zwar steht der Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Wertersatz zu. Durch den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin hat die Beklagte nämlich einen Vergütungsanspruch erlangt, so dass auch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes ihrer Leistungen gem. § 351 Abs. 8 Satz 1 BGB begründet werden konnte, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin die Vergütung noch nicht gezahlt hatte. § 656 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen, denn die Norm ist auf diesen Vertrag nicht anwendbar.
§ 656 Abs. 1 BGB bestimmt, dass durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, das auf Grund des Versprechens Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Der BGH hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zunächst auf den Eheanbahnungs- und schließlich auf den Partnerschaftsanbahnungsvertrag angenommen.
Dies hat er damit begründet, dass nach dem Zustandekommen der Ehe oder Partnerschaft die Honorarklage aus solchen Verträgen die Intimsphäre der Kunden ebenso beeinträchtigen würde wie bei einer Klage auf den sogenannten Ehemäklerlohn. Gerichtliche Auseinandersetzungen seien vor allem dann zu erwarten, wenn die Bemühungen des Vermittlers erfolglos geblieben seien, so dass häufig mit dem Einwand zu rechnen sei, der Vermittler habe seine vertraglichen Pflichten nicht gehörig erfüllt, indem er auf die in Frage kommenden Partner nicht intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt nicht an einer Partnerschaft interessiert oder als Partner nicht geeignet seien.
Diese Gründe gelten für den verfahrensgegenständlichen Vertrag über eine "Online-Partnervermittlung" jedoch nicht. Dort besteht die Leistungspflicht der Beklagten vor allem darin, ihren Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der von ihr betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können. Zwar stellt auch die Beklagte ihren Kunden Partnervorschläge zur Verfügung. Diese beruhen aber allein auf einem elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden.
Eine individuelle, persönliche Auswertung findet nicht statt. Auch eine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Qualität der Vorschläge übernimmt die Beklagte nicht. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass durch einen Rechtsstreit über den Vergütungsanspruch der Beklagten in die Intimsphäre ihrer Kunden in einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag wäre. Gleiches gilt für das sog. Persönlichkeitsgutachten, das ebenfalls automatisiert erstellt wird.
Der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB beträgt jedoch lediglich 1,46 €. Der Wertansatz ist aus den bereits im Urteil des Senats vom 6.5.2021 - III ZR 169/20 - dargelegten Gründen zeitanteilig zu berechnen. Nach diesen Vorgaben beläuft sich der Anspruch der Beklagten auf Wertersatz auf den genannten Betrag (265,68 € : 365 x 2 = 1,46 €).