07.03.2025

Keine Erstattung des Vollkaskoschadens nach nächtlicher Kollision mit Laterne - Meldung an Versicherungsmakler reicht nicht!

Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Kfz-Versicherers wird zwar durch eine unmittelbar an ihn oder seinen Agenten erfolgende unverzügliche Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten, nicht jedoch durch die (behauptete) Unterrichtung eines als solchen erkennbar nicht der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Versicherungsmaklers.

OLG Saarbrücken v. 12.2.2025, 5 U 42/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien stritten um die Eintrittspflicht der Beklagten aus einer Fahrzeug-Vollkaskoversicherung. Der Kläger war mit dem versicherten Fahrzeug in der Nacht auf Samstag, den 2.4.2022, gegen 3 Uhr morgens unterwegs. Am Ende der Straße fuhr er in den dortigen Kreisverkehr und kollidierte mit einer dort in der Mitte befindlichen Straßenlaterne. Der Golf des Klägers wurde bei dem Unfall schwer beschädigt; An der Laterne entstand ein Schaden von ca. 3.275 €. Der Kläger verließ die Unfallstelle mit Hilfe des Bruders des Beifahrers, der hinzugerufen wurde. Am 4.4.2022 (= montags) um 18:23 Uhr informierte der Kläger die die Polizei; außerdem will er den Schaden am 2.4.2022 um 8 Uhr telefonisch seinem Versicherungsmakler gemeldet haben.

Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde gem. § 153 StPO eingestellt. Die Beklagte lehnte die Erstattung des Vollkaskoschadens ab, weil der Kläger sich von der Unfallstelle entfernt und dadurch seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe. Nachfolgende anwaltliche Aufforderungen zur Regulierung des Schadens blieben erfolglos. Die Beklagte hat Zweifel an dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang geäußert und sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher und arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen.

Das LG hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen dazu verurteilt, an den Kläger 17.756 € zu zahlen. Dass der Kläger vertragliche Risikoausschlüsse, hier wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel, verwirklicht habe, stehe nicht fest. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat seine vertragliche Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich dadurch verletzt, dass er nach dem Verlassen der Unfallstelle die gebotenen Feststellungen nicht rechtzeitig - unverzüglich - nachträglich ermöglicht hatte in der offenkundigen Absicht, seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Daher war die Beklagte berechtigt, sich ihm gegenüber auf ihre vollständige Leistungsfreiheit zu berufen.

Gem. E 1.1.3 Satz 1 AKB 2021 ist der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner "Aufklärungspflicht" verpflichtet, "alles" zu tun, was zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten erforderlich ist. E 1.1.3 Satz 2, 1. Spiegelstrich AKB 2021 stellt klar, dass der Versicherungsnehmer hierzu "insbesondere" den Unfallort nicht verlassen darf, ohne die gesetzlichen erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen oder die dabei erforderliche Wartezeit zu beachten; ist die erforderliche Wartezeit abgelaufen oder hat sich der Versicherungsnehmer berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt, muss er die Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglichen (Unfallflucht nach § 142 StGB).

Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Kfz-Versicherers wird zwar durch eine unmittelbar an ihn oder seinen Agenten erfolgende unverzügliche Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten, nicht jedoch durch die (behauptete) Unterrichtung eines als solchen erkennbar nicht der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Versicherungsmaklers, den der Versicherungsnehmer mit der Meldung des Schadens beauftragt und der diese nicht unverzüglich an den Versicherer weitergeleitet hat.

Für eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit kann es sprechen, wenn der Versicherungsnehmer nach einem nächtlichen, nur durch einen erheblichen, auf nicht versicherten Ursachen beruhenden Fahrfehler zu erklärenden Verkehrsunfall keine Unbeteiligten hinzuzieht und stattdessen das schwer beschädigte Fahrzeug mit Hilfe des herbeigerufenen Bruders des Mitfahrers von der Unfallstelle entfernt. Für eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit spricht es zudem, wenn er den Vorfall erst zwei Tage später der Polizei meldet, ohne die Verzögerung plausibel zu erläutern und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Feststellungen hätten nachgeholt werden können, lediglich seinen Versicherungsmakler um eine Schadensmeldung bittet, von der ihm bewusst sein musste, dass sie den Versicherer so nur verzögert erreichen würde.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Nachweis eines versicherten Unfalls in der Kfz-Kaskoversicherung
OLG Karlsruhe vom 15.10.2024 - 12 U 12/24

Aufsatz:
Aktuelle Entwicklungen im zivilprozessualen Beweisrecht
Holger Jäckel, MDR 2024, 688

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