05.12.2022

Keine Klärung der Zulässigkeit der Berufung bei rechtskräftiger Entscheidung des Revisionsgerichts zur Unbegründetheit

Die Zulässigkeit der Berufung kann offenbleiben, wenn das Revisionsgericht formell rechtskräftig abschließend auf ihre Unbegründetheit erkennen kann, ohne dass schutzwürdige Interessen der Parteien entgegenstehen.

BGH v. 7.11.2022 - VIa ZR 737/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kfz auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger kaufte am im Mai 2015 bei der Beklagten ein Neufahrzeug des Typs VW Tiguan zum Kaufpreis von rd. 30.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Der Motor enthielt eine Software, die auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselte (Umschalt-logik). Mit seiner im August 2020 erhobenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das LG wies die Klage ab. Das klageabweisende landgerichtliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, einer Rechtsanwaltsgesellschaft, als elektronisches Dokument zugestellt. Anschließend gelangte ein auf den 24.11.2020 datiertes elektronisches Empfangsbekenntnis, das die Rechtsanwaltsgesellschaft als Zustellungsempfänger ausweist, zu den Akten. Auf die am Montag, den 28.12.2020, bei dem OLG eingegangene Berufung des Klägers, bei deren Einlegung der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Zustellungsdatum mit dem 25.11.2020 angegeben hat, änderte das OLG das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 11.500 € Restschadensersatz nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. rd. 1.000 € nebst Prozesszinsen.

Mit Revision verfolgt die Beklagte ursprünglich ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers unter Beschränkung auf die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen weiter. Auf den Hinweis, dass die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung nicht gewahrt sein dürfte, erweiterte die Beklagte ihren Antrag dahingehend, dass sie insgesamt Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils begehre. Der BGH hob das Urteil des OLG insoweit auf, als die Beklagte auf den Berufungsantrag zu 3) zur Zahlung von rd. 1.000 € für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung nebst Zinsen verurteilt worden ist, und wies im Umfang der Aufhebung die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Berufung des Klägers mangels Einhaltung der Frist des § 517 ZPO unzulässig ist und, worüber allerdings zunächst das Berufungsgericht zu entscheiden hätte, trotz des Ablaufs der Jahresfrist nach § 234 Abs. 3 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren wäre. Zwar stellt die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortsetzungsbedingung eine Sachverhandlungs- und Sachurteilsvoraussetzung dar, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, und ist das Revisionsgericht dabei an die Würdigung der Vorinstanz nicht gebunden. Da die auf den 28.12.2020 datierte Berufungsschrift bei dem OLG erst an diesem Tag, einem Montag, und nach dem 24.12.2020, einem Donnerstag, eingegangen ist, ist die Frist des § 517 ZPO nicht gewahrt.

Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels kann aber offenbleiben, wenn zwischen seiner Verwerfung als unzulässig und seiner Zurückweisung als unbegründet weder hinsichtlich der Rechtskraftwirkung noch hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Rechtsmittelentscheidung Unterschiede bestehen oder das Revisionsgericht formell rechtskräftig abschließend auf die Unbegründetheit der Berufung erkennen kann, ohne dass schutzwürdige Interessen der Parteien entgegenstehen. Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB umfasst, wie das OLG noch zutreffend gesehen hat, auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als weitere Schadensposition. Im Rahmen des Restschadensersatzanspruchs gem. §§ 826, 852 Satz 1 BGB besteht dann allerdings entgegen der Rechtsmeinung des OLG kein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit zu keiner Mehrung des Vermögens der Beklagten geführt hat. Außerdem sind die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs gem. § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Auf der Grundlage der vom OLG getroffenen Feststellungen befand sich die Beklagte vor Ablauf der mit dem anwaltlichen Schreiben vom 15.7.2020 gesetzten Frist zur Erstattung des Kaufpreises nicht in Verzug. Die Kosten der den Verzug begründenden Mahnung stellen keinen Schaden infolge des Verzugs dar.

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