01.04.2025

Keine Kreuzfahrt nach positivem PCR-Test: In die Risikosphäre des Reisenden fallender Umstand

Umstände, die in die Risikosphäre einer Vertragspartei fallen, sind grundsätzlich keine unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände i.S.v. § 651h Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB. Ein der Risikosphäre des Reisenden zuzurechnender Grund liegt grundsätzlich vor, wenn dieser zur Teilnahme an der Reise nicht in der Lage ist, weil seine Gesundheit ihm dies nicht erlaubt. Dasselbe gilt, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Covid-19-Infektion der Teilnahme an der Reise entgegensteht. Wenn der Reiseveranstalter die Reiseleistung aus Gründen verweigert, die einer Teilnahme an der Reise entgegenstehen und die allein in der Person des Reisenden liegen, steht ihm in entsprechender Anwendung von § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB ein Entschädigungsanspruch zu. Die Regeln über die reiserechtliche Gewährleistung haben Vorrang vor den Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts.

BGH v. 18.2.2025 - X ZR 68/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Reisepreises für eine Kreuzfahrt. Diese hatte er am 11.9.2021 hatte er für sich, seine Ehefrau und den damals zweijährigen gemeinsamen Sohn gebucht (Start in Mallorca, 25.9.-2.10.2021, Gesamtpreis rd. 1.400 €). Der Reisepreis ist vollständig bezahlt.

Der PCR-Test, dem sich der Sohn des Klägers bei der Einschiffung am Morgen des 25.9.2021 unterziehen musste (gem. Anordnung des spanischen Gesundheitsministeriums), ergab ein positives Ergebnis. Der Familie des Klägers wurde daraufhin die Teilnahme an der Reise verweigert. Nach zwei Tagen in einem Quarantäne-Hotel auf Mallorca flog die Familie am 27.9.2021 nach Hause.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Reisepreises, auf Zahlung einer Entschädigung in gleicher Höhe wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit, auf Ersatz von Kosten für Flug, Unterbringung, Beförderung und Tests und auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch.

Das LG wies die auf Zahlung von insgesamt rd. 5.300 € und Freistellung i.H.v. rd. 600 € gerichtete Klage ab. Das OLG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das OLG ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte ihren Anspruch auf den Reisepreis gem. § 651h Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 BGB verloren hat.

Nach § 651h Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB kann der Reiseveranstalter vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten, wenn er aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert ist. Unvermeidbar und außergewöhnlich sind Umstände nach § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Im Streitfall war die Beklagte nicht schon durch die Covid-19-Pandemie an der Erfüllung des Vertrags gehindert, sondern aufgrund des Umstands, dass hinsichtlich des Sohns des Klägers ein Infektionsverdacht bestand, der einer Teilnahme an der Reise entgegenstand. Ausschlaggebend ist deshalb, ob ein allein in der Person eines Reisenden liegender Umstand als unvermeidbar und außergewöhnlich i.S.v. § 651h Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB angesehen werden kann. Diese Frage ist entgegen der Auffassung des OLG zu verneinen.

Umstände, die in die Risikosphäre einer Vertragspartei fallen, sind grundsätzlich keine unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände i.S.v. § 651h Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB. Ein der Risikosphäre des Reisenden zuzurechnender Grund liegt grundsätzlich vor, wenn der Reisende zur Teilnahme an der Reise nicht in der Lage ist, weil seine Gesundheit ihm dies nicht erlaubt. Dasselbe gilt, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Covid-19-Infektion einer Teilnahme an der Reise entgegensteht. Wenn der Reiseveranstalter die Reiseleistung aus Gründen verweigert, die einer Teilnahme an der Reise entgegenstehen und die allein in der Person des Reisenden liegen, steht ihm in entsprechender Anwendung von § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB ein Entschädigungsanspruch zu.

Der Fall, dass die Leistung zu Recht aus Gründen verweigert wird, die allein in der Person des Reisenden liegen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. In diesem Fall begründet die Nichterbringung der Reiseleistung keinen Mangel. Die §§ 651i ff. BGB sind deshalb nicht unmittelbar anwendbar. Sofern der Reisende den in seiner Person liegenden Grund nicht zum Anlass nimmt, vor Reisebeginn vom Vertrag zurückzutreten, ist auch der Tatbestand von § 651h Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des OLG rechtfertigt dies jedoch nicht ohne weiteres einen Rückgriff auf Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts oder des Werkvertragsrechts. Die Regeln über die reiserechtliche Gewährleistung haben Vorrang vor den Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. Deshalb kommt eine entsprechende Anwendung von § 645, § 648a oder § 314 BGB auf einen Reisevertrag im Falle von Leistungshindernissen nicht in Betracht.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Ausschluss des Entschädigungsanspruchs nach coronabedingtem Rücktritt des Reisenden
BGH vom 28.01.2025 - X ZR 55/22
MDR 2025, 369
MDR0076535

Kommentierung | BGB
§ 651h Rücktritt vor Reisebeginn
Blankenburg in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

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