Keine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen der Lagerung von Trödel
AG Gießen v. 19.1.2021 - 39 C 114/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1) ist seit 1983 Mieterin eines Einfamilienhauses des Klägers. Sie betrieb bis vor ca. 30 Jahren einen Handel mit Altgegenständen und Trödel. Einige Gegenstände aus dieser Zeit sowie weitere Gegenstände bewahrt sie in Kartons oder auch lose aufgestellt im Dachgeschoss sowie in einem der beiden Kellerräume auf. Darüber hinaus befinden sich auf der Treppe im Haus sowie vor dem Eingangsbereich des Hauses weitere Gegenstände.
Im Juni 2019 schlug der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) jeweils einen Termin am 3.7. und 5.7.2019 zur Anbringung von Rauchmeldern im Haus vor und wies darauf hin, dass solche in jedem Geschoss einschließlich Keller und Dachgeschoss, außer Küche und Badezimmer, und in jedem Zimmer und Flurbereich angebracht werden müssten. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.7.2019 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Er mahnte sie wegen der Nichtgestattung des Einbaus von Rauchmeldern, wegen der Nichtanzeige von Mängeln im Mietobjekt (Undichtigkeit des Dachfensters im Dachgeschosszimmer zum Wohninnenbereich), wegen der unberechtigten Lagerung von Gegenständen und Trödel des ehemaligen Geschäftsbetriebs im gemieteten Haus, im Keller, auf dem Dachboden, im Eingangsbereich außen und im Hof ab und wies diesbezüglich jeweils darauf hin, dass im Falle der Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens mit der Kündigung des Mietverhältnisses gerechnet werden müsse. Die Beklagte wandte sich an den Mieterverein und verweigerte ihr Mitwirken an den Maßnahmen seitens des Klägers.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 1.8.2019 das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und forderte die Beklagte auf, das Mietobjekt bis spätestens zum 13.8.2019 zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Kündigungen unwirksam seien.
Das AG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Räumungs- und Herausgabeanspruch aus §§ 546, 985 BGB gegenüber der Beklagten. Das Mietverhältnis wurde durch die Kündigungen weder fristlos noch fristgerecht beendet.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an und macht sich diese zu Eigen. Demnach fehlte es bereits an der von dem Kläger behaupteten Undichtigkeit des Dachschrägenfensters nebst umfangreicher Stock- und Feuchtigkeitsflecken im Dachgeschoss. Die Bauart des Fensters führt vielmehr zu einer Kondensatbildung und damit zu Wasserablaufspuren; dieser baulich bedingte Zustand stellt aber keinen nachträglich aufgetretenen Mangel i.S.d. § 536 BGB dar, den die Beklagten hätten anzeigen müssen und dessen Nichtanzeige eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB begründen könnte. Aus denselben Gründen scheidet auch ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 1, 2 BGB aus.
Auch die Lagerung von Gegenständen und Kartons durch die Beklagte begründete keinen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder § 543 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich nicht nur im Dachgeschoss und einem der Kellerräume, sondern im gesamten Mietobjekt einschließlich der Treppe sowie vor und auf der Eingangstreppe und dem Platz vor der Wohnungseingangstüre Kartons und lose Gegenstände befinden, stellt dies allein keinen zur Kündigung rechtfertigenden Grund dar. Vielmehr steht es den Beklagten frei, im Rahmen des Mietverhältnisses das angemietete Mietobjekt zu nutzen und hierbei auch Gegenstände und Kartons im Mietobjekt abzustellen.
So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass etwa der Umstand, dass in einer Wohnung mehrere Wochen übelriechender Unrat nicht beseitigt wird, noch keine (grundsätzlich erforderliche) schwerwiegende, die Substanz der Mietsache gefährdende Pflichtwidrigkeit eines Mieters erkennen lässt. Auch die bloße Ablagerung von Sperrmüll etc. ohne Beeinträchtigung der Sicherheit rechtfertigt nicht eine solche Kündigung. Eine Ablagerung von Müll und Gerümpel rechtfertigt erst dann eine fristlose Kündigung, wenn entweder Mitmieter durch Gerüche belästigt werden oder die Bausubstanz konkret gefährdet ist. Selbst die Verschmutzungen der Wohnung durch menschliche Exkremente ebenso wie Unordnung rechtfertigen erst dann eine Beendigung des Mietverhältnisses, wenn entweder eine Störung des Hausfriedens vorliegt oder eine substantielle Schädigung der Mietsache oder eine besondere Gefährdungssituation heraufbeschworen wird.
Derartige Umstände lagen zur Überzeugung des Gerichts hier aber nicht vor. Eine Störung des Hausfriedens ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Mietobjekt um ein allein von der Beklagten bewohntes Einfamilienhaus handelt, schon nicht denkbar und auch klägerseits nicht behauptet. Auch sind allein durch das behauptete "Zustellen" des Mietobjekts durch Kartons und lose Gegenstände sowohl im Haus als auch außerhalb des Hauses weder eine substantielle Schädigung der Mietsache noch eine besondere Gefährdungssituation erkennbar.
Eine Kündigung ist auch nicht vor dem Hintergrund gerechtfertigt, als die Beklagte das zu Wohnzwecken angemietete Haus als "Lagerstätte" für eine gewerbliche Tätigkeit nutzen würde. Die Beklagte hat unbestritten ihren Handel mit Trödel und Altgegenständen vor über 30 Jahren aufgegeben. Selbst wenn es sich bei einem Großteil der in Kartons verpackten und der lose aufgestellten Gegenstände um solche aus der Zeit ihrer gewerblichen Tätigkeit handeln sollte, so werden diese seit Aufgabe des Handels von ihr nicht mehr zu gewerblichen, sondern zu privaten Zwecken genutzt. In diesem Umfang steht es der Beklagten frei, die Gegenstände und Kartons in dem Mietobjekt zu verwahren.
Landesrechtsprechungsdatenbank Hessen
Die Beklagte zu 1) ist seit 1983 Mieterin eines Einfamilienhauses des Klägers. Sie betrieb bis vor ca. 30 Jahren einen Handel mit Altgegenständen und Trödel. Einige Gegenstände aus dieser Zeit sowie weitere Gegenstände bewahrt sie in Kartons oder auch lose aufgestellt im Dachgeschoss sowie in einem der beiden Kellerräume auf. Darüber hinaus befinden sich auf der Treppe im Haus sowie vor dem Eingangsbereich des Hauses weitere Gegenstände.
Im Juni 2019 schlug der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) jeweils einen Termin am 3.7. und 5.7.2019 zur Anbringung von Rauchmeldern im Haus vor und wies darauf hin, dass solche in jedem Geschoss einschließlich Keller und Dachgeschoss, außer Küche und Badezimmer, und in jedem Zimmer und Flurbereich angebracht werden müssten. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.7.2019 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Er mahnte sie wegen der Nichtgestattung des Einbaus von Rauchmeldern, wegen der Nichtanzeige von Mängeln im Mietobjekt (Undichtigkeit des Dachfensters im Dachgeschosszimmer zum Wohninnenbereich), wegen der unberechtigten Lagerung von Gegenständen und Trödel des ehemaligen Geschäftsbetriebs im gemieteten Haus, im Keller, auf dem Dachboden, im Eingangsbereich außen und im Hof ab und wies diesbezüglich jeweils darauf hin, dass im Falle der Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens mit der Kündigung des Mietverhältnisses gerechnet werden müsse. Die Beklagte wandte sich an den Mieterverein und verweigerte ihr Mitwirken an den Maßnahmen seitens des Klägers.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 1.8.2019 das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und forderte die Beklagte auf, das Mietobjekt bis spätestens zum 13.8.2019 zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Kündigungen unwirksam seien.
Das AG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Räumungs- und Herausgabeanspruch aus §§ 546, 985 BGB gegenüber der Beklagten. Das Mietverhältnis wurde durch die Kündigungen weder fristlos noch fristgerecht beendet.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an und macht sich diese zu Eigen. Demnach fehlte es bereits an der von dem Kläger behaupteten Undichtigkeit des Dachschrägenfensters nebst umfangreicher Stock- und Feuchtigkeitsflecken im Dachgeschoss. Die Bauart des Fensters führt vielmehr zu einer Kondensatbildung und damit zu Wasserablaufspuren; dieser baulich bedingte Zustand stellt aber keinen nachträglich aufgetretenen Mangel i.S.d. § 536 BGB dar, den die Beklagten hätten anzeigen müssen und dessen Nichtanzeige eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB begründen könnte. Aus denselben Gründen scheidet auch ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 1, 2 BGB aus.
Auch die Lagerung von Gegenständen und Kartons durch die Beklagte begründete keinen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder § 543 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich nicht nur im Dachgeschoss und einem der Kellerräume, sondern im gesamten Mietobjekt einschließlich der Treppe sowie vor und auf der Eingangstreppe und dem Platz vor der Wohnungseingangstüre Kartons und lose Gegenstände befinden, stellt dies allein keinen zur Kündigung rechtfertigenden Grund dar. Vielmehr steht es den Beklagten frei, im Rahmen des Mietverhältnisses das angemietete Mietobjekt zu nutzen und hierbei auch Gegenstände und Kartons im Mietobjekt abzustellen.
So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass etwa der Umstand, dass in einer Wohnung mehrere Wochen übelriechender Unrat nicht beseitigt wird, noch keine (grundsätzlich erforderliche) schwerwiegende, die Substanz der Mietsache gefährdende Pflichtwidrigkeit eines Mieters erkennen lässt. Auch die bloße Ablagerung von Sperrmüll etc. ohne Beeinträchtigung der Sicherheit rechtfertigt nicht eine solche Kündigung. Eine Ablagerung von Müll und Gerümpel rechtfertigt erst dann eine fristlose Kündigung, wenn entweder Mitmieter durch Gerüche belästigt werden oder die Bausubstanz konkret gefährdet ist. Selbst die Verschmutzungen der Wohnung durch menschliche Exkremente ebenso wie Unordnung rechtfertigen erst dann eine Beendigung des Mietverhältnisses, wenn entweder eine Störung des Hausfriedens vorliegt oder eine substantielle Schädigung der Mietsache oder eine besondere Gefährdungssituation heraufbeschworen wird.
Derartige Umstände lagen zur Überzeugung des Gerichts hier aber nicht vor. Eine Störung des Hausfriedens ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Mietobjekt um ein allein von der Beklagten bewohntes Einfamilienhaus handelt, schon nicht denkbar und auch klägerseits nicht behauptet. Auch sind allein durch das behauptete "Zustellen" des Mietobjekts durch Kartons und lose Gegenstände sowohl im Haus als auch außerhalb des Hauses weder eine substantielle Schädigung der Mietsache noch eine besondere Gefährdungssituation erkennbar.
Eine Kündigung ist auch nicht vor dem Hintergrund gerechtfertigt, als die Beklagte das zu Wohnzwecken angemietete Haus als "Lagerstätte" für eine gewerbliche Tätigkeit nutzen würde. Die Beklagte hat unbestritten ihren Handel mit Trödel und Altgegenständen vor über 30 Jahren aufgegeben. Selbst wenn es sich bei einem Großteil der in Kartons verpackten und der lose aufgestellten Gegenstände um solche aus der Zeit ihrer gewerblichen Tätigkeit handeln sollte, so werden diese seit Aufgabe des Handels von ihr nicht mehr zu gewerblichen, sondern zu privaten Zwecken genutzt. In diesem Umfang steht es der Beklagten frei, die Gegenstände und Kartons in dem Mietobjekt zu verwahren.