Keine Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB bei nur gelegentlicher Nutzung einer Ferienwohnung
LG Traunstein v. 3.5.2023 - 3 S 2451/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung infolge einer auf § 573a BGB gestützten Kündigung.
Mit Mietvertrag vorn 9.4.2021 mietete die Beklagte vom Kläger eine 2-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung nebst dazugehörender Doppelgarage. Mietbeginn war der 1.5.2021. Der Kläger ist Eigentümer des gesamten Anwesens. In diesem befindet sich außer der von der Beklagten angemieteten Wohnung nur noch eine weitere Wohnung. Diese wird vom Kläger, der seinen Erstwohnsitz in Wuppertal hat, nach den Feststellungen des AG als "Ferienwohnung" genutzt.
Mit Schriftsatz vom 18.3.2022 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit Wirkung vom 30.9.2022 gestützt auf § 573a BGB. Die Beklagte widersprach der Kündigung.
Das AG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das LG die Klage ab. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger bewohnt das Gebäude nicht selbst i.S.v. § 573a Abs. 1 BGB, so dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.
Grundsätzlich zutreffend führt das AG aus, dass es sich bei der selbst bewohnten Wohnung des Vermieters im Gebäude auch um eine Zweitwohnung handeln kann, dass aber wegen des Schutzzweckes der Regelung in § 573a BGB eine Nutzungsintensität zu verlangen ist, die die Gefahr erhöhter Spannungen möglich erscheinen lässt. In diesem Kontext spielt allerdings der vom AG herausgehobene Umstand, dass es sich hier bei der Zweitwohnung um eine vom Vermieter als solche genutzte Ferienwohnung handelt, keine Rolle. Zwar wird auch vertreten, die Nutzung als (Zweit)- oder Ferienwohnung sei ausreichend, der Vermieter müsse dort nicht zwingend seinen Lebensmittelpunkt habe. Mit dem Begriff "Ferienwohnung" ist aber noch nichts über die konkrete Nutzung durch den Vermieter ausgesagt.
Dass der Vermieter, wenn er sich auf § 573a BGB berufen will, umgekehrt regelmäßig im Gebäude seinen Lebensmittelpunkt haben muss, lässt sich freilich weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem Sinn und Zweck entnehmen. Nach Überzeugung der Kammer ist letztlich vom Normzweck her - der Vermieter soll wegen möglicher Spannungen, die sich aus dem engen Zusammenleben mit dem Mieter ergeben, das Mietverhältnis erleichtert ohne berechtigtes Interesse i.S.v. § 573 BGB durch Kündigung beenden können - maßgeblich, wie sich die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Vermieter zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und deren Wirksamkeit gestaltet hat.
Vorliegend rechtfertigt die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Kläger das Kündigungsprivileg nach § 573a BGB nicht. Nach der hierzu erfolgten Anhörung der Parteien muss die Kammer aufgrund der weitestgehend übereinstimmenden Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung der Wohnung durch den Kläger sich in den letzten zwei Jahren - und damit auch für die hier relevanten Zeitpunkte bzw. den hier relevanten Zeitraum - darauf beschränkt hat, dass er alle zwei Monate hier ein verlängertes Wochenende (drei Tage) verbracht hat. Eine Nutzung in diesem Umfang ist aber für die Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB nicht ausreichend. Der zeitliche Umfang ist derart gering, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht besteht. Dies gilt auch in Ansehung der für beide Parteien zugänglichen Waschküche.
Die allgemeinen Erwägungen des AG zur besonderen Ruhe- und Erholungsbedürfnis des Vermieters, die mit einer Nutzung als Ferienwohnung einhergehe, und zur erhöhten Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens von Vermieter und Mieter bei dieser Nutzung, so dass die Gefahr von Spannungen deswegen erhöht sei, teilt die Kammer nicht. Die Nutzung als Ferienwohnung geht weder mit einer gesteigerten Empfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit des Vermieters einher, noch bedeutet dies, dass der Vermieter verstärkt vor Ort ist. Für die Frage der Auslegung von § 573a BGB ist es i.Ü. irrelevant, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich nicht spannungsfrei war. Das Bestehen von Spannungen ist ohnehin keine Kündigungsvoraussetzung. Die bekanntgewordenen, z.T. auch gerichtlich ausgetragenen Konflikte sind zudem nicht durch das enge Zusammenleben der Parteien verursacht worden.
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Bayern.Recht
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung infolge einer auf § 573a BGB gestützten Kündigung.
Mit Mietvertrag vorn 9.4.2021 mietete die Beklagte vom Kläger eine 2-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung nebst dazugehörender Doppelgarage. Mietbeginn war der 1.5.2021. Der Kläger ist Eigentümer des gesamten Anwesens. In diesem befindet sich außer der von der Beklagten angemieteten Wohnung nur noch eine weitere Wohnung. Diese wird vom Kläger, der seinen Erstwohnsitz in Wuppertal hat, nach den Feststellungen des AG als "Ferienwohnung" genutzt.
Mit Schriftsatz vom 18.3.2022 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit Wirkung vom 30.9.2022 gestützt auf § 573a BGB. Die Beklagte widersprach der Kündigung.
Das AG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das LG die Klage ab. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger bewohnt das Gebäude nicht selbst i.S.v. § 573a Abs. 1 BGB, so dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.
Grundsätzlich zutreffend führt das AG aus, dass es sich bei der selbst bewohnten Wohnung des Vermieters im Gebäude auch um eine Zweitwohnung handeln kann, dass aber wegen des Schutzzweckes der Regelung in § 573a BGB eine Nutzungsintensität zu verlangen ist, die die Gefahr erhöhter Spannungen möglich erscheinen lässt. In diesem Kontext spielt allerdings der vom AG herausgehobene Umstand, dass es sich hier bei der Zweitwohnung um eine vom Vermieter als solche genutzte Ferienwohnung handelt, keine Rolle. Zwar wird auch vertreten, die Nutzung als (Zweit)- oder Ferienwohnung sei ausreichend, der Vermieter müsse dort nicht zwingend seinen Lebensmittelpunkt habe. Mit dem Begriff "Ferienwohnung" ist aber noch nichts über die konkrete Nutzung durch den Vermieter ausgesagt.
Dass der Vermieter, wenn er sich auf § 573a BGB berufen will, umgekehrt regelmäßig im Gebäude seinen Lebensmittelpunkt haben muss, lässt sich freilich weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem Sinn und Zweck entnehmen. Nach Überzeugung der Kammer ist letztlich vom Normzweck her - der Vermieter soll wegen möglicher Spannungen, die sich aus dem engen Zusammenleben mit dem Mieter ergeben, das Mietverhältnis erleichtert ohne berechtigtes Interesse i.S.v. § 573 BGB durch Kündigung beenden können - maßgeblich, wie sich die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Vermieter zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und deren Wirksamkeit gestaltet hat.
Vorliegend rechtfertigt die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Kläger das Kündigungsprivileg nach § 573a BGB nicht. Nach der hierzu erfolgten Anhörung der Parteien muss die Kammer aufgrund der weitestgehend übereinstimmenden Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung der Wohnung durch den Kläger sich in den letzten zwei Jahren - und damit auch für die hier relevanten Zeitpunkte bzw. den hier relevanten Zeitraum - darauf beschränkt hat, dass er alle zwei Monate hier ein verlängertes Wochenende (drei Tage) verbracht hat. Eine Nutzung in diesem Umfang ist aber für die Kündigungsprivilegierung nach § 573a BGB nicht ausreichend. Der zeitliche Umfang ist derart gering, dass eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von aus dem engen Zusammenleben herrührenden Spannungen nicht besteht. Dies gilt auch in Ansehung der für beide Parteien zugänglichen Waschküche.
Die allgemeinen Erwägungen des AG zur besonderen Ruhe- und Erholungsbedürfnis des Vermieters, die mit einer Nutzung als Ferienwohnung einhergehe, und zur erhöhten Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens von Vermieter und Mieter bei dieser Nutzung, so dass die Gefahr von Spannungen deswegen erhöht sei, teilt die Kammer nicht. Die Nutzung als Ferienwohnung geht weder mit einer gesteigerten Empfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit des Vermieters einher, noch bedeutet dies, dass der Vermieter verstärkt vor Ort ist. Für die Frage der Auslegung von § 573a BGB ist es i.Ü. irrelevant, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich nicht spannungsfrei war. Das Bestehen von Spannungen ist ohnehin keine Kündigungsvoraussetzung. Die bekanntgewordenen, z.T. auch gerichtlich ausgetragenen Konflikte sind zudem nicht durch das enge Zusammenleben der Parteien verursacht worden.
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§ 573a Erleichterte Kündigung des Vermieters
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