14.06.2021

Keine Pflicht zur Ausgleichszahlung bei Streik der Fluglotsen

Ein Luftverkehrsunternehmen kann sich zur Befreiung von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste bei Annullierung oder großer Verspätung eines Fluges auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, der vorangegangene Flüge betroffen hat, die es selbst mit demselben Flugzeug durchgeführt hat, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der Verspätung oder Annullierung des späteren Fluges besteht. Für einen solchen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang ist nicht zwingend erforderlich, dass der außergewöhnliche Umstand an demselben Kalendertag aufgetreten ist, an dem der verspätete oder annullierte Flug durchgeführt werden sollte.

BGH v. 6.4.2021 - X ZR 11/20
Der Sachverhalt:
Die drei Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung für einen Flug mit der Beklagten am 11.10.2017 von Kos nach Frankfurt am Main. Der Flug sollte planmäßig um 08:25 Uhr starten und um 11:50 Uhr in Frankfurt ankommen. Der tatsächliche Start erfolgte um 18:50 Uhr, die Ankunft um 21:55 Uhr.

Für den Flug hatte die Beklagte ursprünglich das Flugzeug mit der Kennung D-AHFV vorgesehen. Dieses war am Vortag für Flüge von Frankfurt nach Teneriffa und zurück eingesetzt und hätte planmäßig am Abend wieder in Frankfurt eintreffen sollen. Am Tag darauf hätte es um 04:15 Uhr zum Vorflug von Frankfurt nach Kos starten sollen. Aufgrund eines Generalstreiks in Frankreich, an dem sich auch die Fluglotsen beteiligten, verspätete sich der Flug von Frankfurt nach Teneriffa. Dem Rückflug nach Frankfurt wurde ein Slot um 20:29 Uhr zugewiesen. Die Beklagte nahm diesen nicht wahr, weil sie befürchtete, wegen des in Frankfurt ab 21:00 Uhr geltenden Nachtflugverbots keine Landegenehmigung mehr zu erhalten.

Für den von den Klägern gebuchten Flug und den Vorflug setzte die Beklagte das Flugzeug mit der Kennung D-AHFW ein. Dieses traf entgegen der ursprünglichen Planung erst am Morgen des 11.10.2017 aus Las Palmas kommend in Frankfurt ein. Zum Vorflug nach Kos startete es um 15:00 Uhr. Dort kam es um 18:00 Uhr an. Das ursprünglich für den Flug der Kläger vorgesehene Flugzeug flog etwa zeitgleich von Teneriffa über Frankfurt nach Rhodos und kam dort ebenfalls um 18:00 Uhr an.

Die Kläger begehrten eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1.200 €. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel der Kläger blieben in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Den Klägern steht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO zu.

Ein Streik, wie er von den französischen Fluglotsen durchgeführt wurde, stellt einen außergewöhnlichen Umstand dar, der ein Luftverkehrsunternehmen unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung befreit. Der Ursachenzusammenhang ist nicht durch die Entscheidung der Beklagten unterbrochen worden, den Rückflug von Teneriffa nach Frankfurt aufgrund des Nachtflugverbots nicht mehr am Abend des Vortags durchzuführen. Das Flugzeug hätte bei Wahrnehmung des Slots erst um 22:29 Uhr UTC in Frankfurt eintreffen können und dort aller Voraussicht nach keine Landegenehmigung erhalten.

Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Ursachenzusammenhang auch nicht deshalb verneint, weil die außergewöhnlichen Umstände nicht während des von den Klägern gebuchten Flugs oder unmittelbar davor aufgetreten sind. Ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen kann sich zur Befreiung von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste bei Annullierung oder großer Verspätung eines Fluges auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen, der vorangegangene Flüge betroffen hat, die es selbst mit demselben Flugzeug durchgeführt hat, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der Verspätung oder Annullierung des späteren Fluges besteht (Anschluss an EuGH, Urt. v. 11.6.2020 - C74/19; Bestätigung von BGH, Urt. v. 12.6.2014 - X ZR 121/13. Für einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang in diesem Sinn ist nicht zwingend erforderlich, dass der außergewöhnliche Umstand an demselben Kalendertag aufgetreten ist, an dem der verspätete oder annullierte Flug durchgeführt werden sollte.
BGH online
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