Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten
BGH 4.7.2014, V ZR 299/13Der Pkw des Klägers war unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt worden. Die Betreiberin des Studios beauftragte daraufhin die Beklagte mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Mit dieser hatte sie zuvor einen entsprechenden Rahmenvertrag abgeschlossen. Es war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart worden. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.
Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde erst bekannt gegeben, wenn ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € beim AG. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts und bezifferte den vom Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.
Der Kläger hielt den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das AG entschieden daraufhin, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 € zu tragen habe und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 703,80 € freistellen müsse. Das LG änderte die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € und wies die Klage im Übrigen ab.
Auf die Revisionen beider Parteien entschied der BGH nun, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden. Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten wies er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt nach wie vor eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er auch schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen.
Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden.
Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon.
Allerdings wird die Ersatzpflicht des Falschparkers durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Dabei sind jedoch regionale Unterschiede zu berücksichtigen. Dies wird das LG durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.
Dem Kläger steht allerdings kein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte er den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.
Linkhinweise:
- Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.