Keine Überprüfung der Ausführung einer Einzelanweisung zur Anfertigung einer Rechtsmittelbegründungsschrift
BGH v. 5.5.2021 - XII ZB 552/20
Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die vom AG ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt. Gegen die ihm am 17.7.2020 zugestellte Entscheidung des AG legte der Antragsgegner mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.8.2020, eingegangen beim AG per Fax am selben Tag, Beschwerde ein. Mit einem an das AG gerichteten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.9.2020, dort eingegangen per Fax am selben Tag, begründete der Antragsgegner die Beschwerde. Die Akte samt Beschwerdebegründung ging am 23.9.2020 beim OLG ein. Nachdem das OLG auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung beim Beschwerdegericht hingewiesen hatte, beantragte der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Beschwerdebegründungsfrist.
Zur Begründung trug er vor, die erfahrene, sehr ordentlich arbeitende und zuverlässige Kanzleiangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe die Beschwerdebegründung gefertigt und am 17.9.2020 zur Unterschrift vorgelegt. Seiner Verfahrensbevollmächtigten sei sofort aufgefallen, dass dort als Adressat nicht das OLG, sondern das AG angegeben gewesen sei. Deshalb habe sie handschriftlich auf dem Original des Schriftsatzes Adresse und Faxnummer des OLG eingefügt. Dann habe sie noch vor der Ausführung der Anweisung sowohl das Original als auch die beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes unterschrieben. Außerdem habe sie die Kanzleiangestellte angewiesen, den Schriftsatz an das OLG zu adressieren, drei Schreibfehler zu verbessern, die Faxnummer zu ändern und wenn möglich das Aktenzeichen des OLG einzufügen. Außerdem sei die Kanzleiangestellte angewiesen worden, den korrigierten Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nochmals zur Prüfung vorzulegen, obwohl diese das Original schon unterzeichnet hatte. Seine Verfahrensbevollmächtigte selbst habe sich sodann zu einem auswärtigen Termin begeben und sei am Nachmittag in die Kanzlei zurückgekehrt, wo sie noch drei Besprechungen ohne Pause geführt habe. Anschließend habe sie die Kanzlei verlassen.
Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf zugleich die Beschwerde. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht die Beschwerde gem. §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Antragsgegner diese nicht innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründet hat. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet i.S.d. §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten, welches sich der Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen. Er muss daher die Rechtsmittelbegründungsschrift vor der Unterzeichnung insbesondere auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts überprüfen.
Allerdings darf der Rechtsanwalt auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelbegründungsschrift einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss. In der Kanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der Geschäfte) in Vergessenheit gerät und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt. Solche Vorkehrungen sind nur dann entbehrlich, wenn die Bürokraft zugleich die unmissverständliche Weisung erhält, den von ihr zu erledigenden Vorgang sofort auszuführen. Denn der Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine Kanzleiangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine solche konkrete Einzelanweisung befolgt.
Danach beruht die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde auf einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, das sich dieser nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat die Kanzleiangestellte nur angewiesen, die bereits von ihr unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift an das OLG zu adressieren und die Faxnummer zu berichtigen. Dass diese Anweisung auch beinhaltete, die Kanzleiangestellte solle die notwendigen Korrekturen sofort ausführen, ergibt sich weder aus den Angaben des Antragsgegners im Wiedereinsetzungsgesuch noch aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners wäre daher verpflichtet gewesen, weitere Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die erteilte mündliche Anweisung an die Kanzleiangestellte während des weiteren Geschäftsbetriebs an diesem Tag nicht in Vergessenheit gerät und die Beschwerdebegründungsschrift fristgemäß beim zuständigen OLG eingeht.
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Der Antragsgegner wendet sich gegen die Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die vom AG ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt. Gegen die ihm am 17.7.2020 zugestellte Entscheidung des AG legte der Antragsgegner mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.8.2020, eingegangen beim AG per Fax am selben Tag, Beschwerde ein. Mit einem an das AG gerichteten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.9.2020, dort eingegangen per Fax am selben Tag, begründete der Antragsgegner die Beschwerde. Die Akte samt Beschwerdebegründung ging am 23.9.2020 beim OLG ein. Nachdem das OLG auf den verspäteten Eingang der Beschwerdebegründung beim Beschwerdegericht hingewiesen hatte, beantragte der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Beschwerdebegründungsfrist.
Zur Begründung trug er vor, die erfahrene, sehr ordentlich arbeitende und zuverlässige Kanzleiangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe die Beschwerdebegründung gefertigt und am 17.9.2020 zur Unterschrift vorgelegt. Seiner Verfahrensbevollmächtigten sei sofort aufgefallen, dass dort als Adressat nicht das OLG, sondern das AG angegeben gewesen sei. Deshalb habe sie handschriftlich auf dem Original des Schriftsatzes Adresse und Faxnummer des OLG eingefügt. Dann habe sie noch vor der Ausführung der Anweisung sowohl das Original als auch die beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes unterschrieben. Außerdem habe sie die Kanzleiangestellte angewiesen, den Schriftsatz an das OLG zu adressieren, drei Schreibfehler zu verbessern, die Faxnummer zu ändern und wenn möglich das Aktenzeichen des OLG einzufügen. Außerdem sei die Kanzleiangestellte angewiesen worden, den korrigierten Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nochmals zur Prüfung vorzulegen, obwohl diese das Original schon unterzeichnet hatte. Seine Verfahrensbevollmächtigte selbst habe sich sodann zu einem auswärtigen Termin begeben und sei am Nachmittag in die Kanzlei zurückgekehrt, wo sie noch drei Besprechungen ohne Pause geführt habe. Anschließend habe sie die Kanzlei verlassen.
Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf zugleich die Beschwerde. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Recht die Beschwerde gem. §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Antragsgegner diese nicht innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründet hat. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet i.S.d. §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten, welches sich der Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen. Er muss daher die Rechtsmittelbegründungsschrift vor der Unterzeichnung insbesondere auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts überprüfen.
Allerdings darf der Rechtsanwalt auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelbegründungsschrift einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss. In der Kanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der Geschäfte) in Vergessenheit gerät und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt. Solche Vorkehrungen sind nur dann entbehrlich, wenn die Bürokraft zugleich die unmissverständliche Weisung erhält, den von ihr zu erledigenden Vorgang sofort auszuführen. Denn der Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine Kanzleiangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine solche konkrete Einzelanweisung befolgt.
Danach beruht die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde auf einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, das sich dieser nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat die Kanzleiangestellte nur angewiesen, die bereits von ihr unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift an das OLG zu adressieren und die Faxnummer zu berichtigen. Dass diese Anweisung auch beinhaltete, die Kanzleiangestellte solle die notwendigen Korrekturen sofort ausführen, ergibt sich weder aus den Angaben des Antragsgegners im Wiedereinsetzungsgesuch noch aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners wäre daher verpflichtet gewesen, weitere Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die erteilte mündliche Anweisung an die Kanzleiangestellte während des weiteren Geschäftsbetriebs an diesem Tag nicht in Vergessenheit gerät und die Beschwerdebegründungsschrift fristgemäß beim zuständigen OLG eingeht.