Keine Vaterschaftsanerkennung bei Tod der Mutter vor Erteilung der Zustimmung zur Anerkennung
OLG Bamberg v. 26.1.2023 - 1 W 67/22
Der Sachverhalt:
Die Betroffene ist 1963 geboren. Zum Zeitpunkt der Geburt war ihre Mutter verwitwet. In der Geburtsurkunde wurde kein Vater eingetragen. Die Mutter ist 2004 verstorben. Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2021 hat Herr Dr. H. die Vaterschaft anerkannt. Am 12.11.2021 hat die Betroffene in die Vaterschaftsanerkennung eingewilligt. Der die Vaterschaft anerkennende Herr Dr. H. ist 2022 verstorben.
Das Standesamt hat im Hinblick auf die Regelung in § 1595 Abs. 1 BGB Zweifel an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung geäußert und die Sache gem. § 49 Abs. 2 PStG dem AG vorgelegt. Mit Beschluss vom 1.12.2022 dieses angeordnet, dass in dem Geburtenbuch/-registereintrag die Vaterschaftsanerkennung nicht beizuschreiben ist. Das Gericht war der Ansicht, dass das Zustimmungserfordernis des § 1595 Abs. 1 BGB auch über den Tod der Mutter hinaus Geltung besitze.
Das OLG hat die gegen den Beschluss des AG gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Nach dem Tod der Mutter ist eine Vaterschaftsanerkennung wegen § 1595 Abs. 1 BGB nicht mehr möglich.
Zu der Frage, ob eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter mangels deren Zustimmung unmöglich ist und Vater und Kind auf ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu verweisen sind, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten. Nach einer Auffassung kommt nach dem Tod der Kindesmutter eine Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in Betracht, denn im Gesetzestext fänden sich keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Zustimmungserfordernisses. Nach der Gegenauffassung entfällt mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis. Die Zustimmung gem. § 1595 Abs. 1 BGB als höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass die Erklärungsbefugte am Leben sei. Insofern gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese werde mit deren Tod schlicht entbehrlich. Vielmehr habe das Kind ein schutzwürdiges Interesse daran, zeitnah und effizient einen Vater zu erhalten.
Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an. Die Argumentation der Gegenauffassung, eine zeitnahe Vaterschaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem langwierigen Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhaltet eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Ausweislich des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sollte beim Tod der Mutter gerade keine Anerkennung mehr möglich sein; vielmehr sei "ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger". Hätte der Gesetzgeber für den Todesfall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorsehen wollen, hätte dies im Gesetz Niederschlag finden müssen.
Eine teleologische Reduktion verbietet sich, da der Zweck der Regelung in der Tat nicht primär im Schutz der Mutter liegt, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der Statuswahrheit. Dies gilt umso mehr, als das Kind aus seinem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Kenntnis der eigenen biologisch-genetischen Abstammung hat. Die Argumentation der Gegenauffassung, dass auch im Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter die biologische Vaterschaft nicht geprüft werde, greift insofern zu kurz, als die Zustimmung der Mutter zumindest eine höhere - wenn auch nicht absolute - Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung bietet als der bloße positive Wille von Anerkennendem und Kind.
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Bayern.Recht
Die Betroffene ist 1963 geboren. Zum Zeitpunkt der Geburt war ihre Mutter verwitwet. In der Geburtsurkunde wurde kein Vater eingetragen. Die Mutter ist 2004 verstorben. Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2021 hat Herr Dr. H. die Vaterschaft anerkannt. Am 12.11.2021 hat die Betroffene in die Vaterschaftsanerkennung eingewilligt. Der die Vaterschaft anerkennende Herr Dr. H. ist 2022 verstorben.
Das Standesamt hat im Hinblick auf die Regelung in § 1595 Abs. 1 BGB Zweifel an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung geäußert und die Sache gem. § 49 Abs. 2 PStG dem AG vorgelegt. Mit Beschluss vom 1.12.2022 dieses angeordnet, dass in dem Geburtenbuch/-registereintrag die Vaterschaftsanerkennung nicht beizuschreiben ist. Das Gericht war der Ansicht, dass das Zustimmungserfordernis des § 1595 Abs. 1 BGB auch über den Tod der Mutter hinaus Geltung besitze.
Das OLG hat die gegen den Beschluss des AG gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Nach dem Tod der Mutter ist eine Vaterschaftsanerkennung wegen § 1595 Abs. 1 BGB nicht mehr möglich.
Zu der Frage, ob eine Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter mangels deren Zustimmung unmöglich ist und Vater und Kind auf ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu verweisen sind, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten. Nach einer Auffassung kommt nach dem Tod der Kindesmutter eine Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in Betracht, denn im Gesetzestext fänden sich keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Zustimmungserfordernisses. Nach der Gegenauffassung entfällt mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis. Die Zustimmung gem. § 1595 Abs. 1 BGB als höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass die Erklärungsbefugte am Leben sei. Insofern gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese werde mit deren Tod schlicht entbehrlich. Vielmehr habe das Kind ein schutzwürdiges Interesse daran, zeitnah und effizient einen Vater zu erhalten.
Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an. Die Argumentation der Gegenauffassung, eine zeitnahe Vaterschaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem langwierigen Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhaltet eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Ausweislich des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sollte beim Tod der Mutter gerade keine Anerkennung mehr möglich sein; vielmehr sei "ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger". Hätte der Gesetzgeber für den Todesfall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorsehen wollen, hätte dies im Gesetz Niederschlag finden müssen.
Eine teleologische Reduktion verbietet sich, da der Zweck der Regelung in der Tat nicht primär im Schutz der Mutter liegt, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der Statuswahrheit. Dies gilt umso mehr, als das Kind aus seinem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Kenntnis der eigenen biologisch-genetischen Abstammung hat. Die Argumentation der Gegenauffassung, dass auch im Fall eines Vaterschaftsanerkenntnisses mit Zustimmung der Mutter die biologische Vaterschaft nicht geprüft werde, greift insofern zu kurz, als die Zustimmung der Mutter zumindest eine höhere - wenn auch nicht absolute - Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung bietet als der bloße positive Wille von Anerkennendem und Kind.
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