Keine Vollstreckung einer gerichtlichen Regelung des begleiteten Umgangs gegen einen mitwirkungsbereiten Dritten
BGH v. 9.6.2021 - XII ZB 513/20
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist die Mutter des im August 2017 geborenen Kindes. Das AG entzog den Kindeseltern im Jahr 2019 (vorläufig) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Beantragung und Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen und übertrug diese dem zuständigen Kreisjugendamt (Antragsgegner) als Ergänzungspfleger. Das Kind befindet sich in einer Pflegefamilie.
Durch Beschluss vom 14.11.2019 regelte das AG im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang der Eltern mit dem Kind. Der Umgang sollte danach wöchentlich donnerstags in der Zeit von 9 Uhr bis 11.30 Uhr in den Räumlichkeiten des Jugendamts in Begleitung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin des Jugendamts stattfinden.
Im März 2020 teilte das Jugendamt den Kindeseltern mit, dass die ab 12.3.2020 angesetzten begleiteten Umgangstermine im Hinblick auf die Ansteckungsgefahren mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht mehr stattfinden könnten. Die Antragstellerin beantragte daraufhin die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen das Jugendamt.
Das AG entsprach dem und setzte ein Ordnungsgeld von 5.000 € fest. Auf die Beschwerde des Jugendamts wies das OLG die Anträge der Antragstellerin zurück. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Verhängung eines Ordnungsgelds aufgrund einer vollstreckbaren gerichtlichen Umgangsregelung setzt nach § 89 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Die Person oder Behörde, gegen die das Ordnungsgeld festgesetzt werden soll, muss dabei Verpflichtete der Umgangsregelung sein. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Soweit das Jugendamt nach der getroffenen Umgangsregelung seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des jeweiligen Umgangs als Umgangsbegleiter zur Verfügung stellt, nimmt dies nicht am vollstreckbaren Inhalt des Beschlusses teil. Soweit es in seiner Funktion als Ergänzungspfleger am Verfahren beteiligt und für die Durchführung der Umgangskontakte verantwortlich war, liegt keine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine ihm insoweit obliegende Verpflichtung vor.
Die Regelung des § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 BGB ist (seinerzeit noch als Satz 2 und 3) durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 19.12.1997 eingeführt worden. § 1684 BGB beruht auf der vorangegangenen Vorschrift des § 1634 BGB a.F., die eine ausdrückliche Regelung zum begleiteten Umgang noch nicht enthalten hatte. Übereinstimmend mit dem Wortlaut der Norm (mitwirkungsbereiter Dritter) ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich der Dritte im familiengerichtlichen Verfahren zur Mitwirkung bereit erklären muss und nicht gegen seinen Willen zur Anwesenheit bei der Ausübung des Umgangsrechts gezwungen werden kann. Daraus folgt, dass auch das Jugendamt insoweit im Rahmen einer vom Familiengericht getroffenen Umgangsregelung nicht in zulässiger Weise zur Mitwirkung verpflichtet werden kann. Hat sich das Jugendamt - wie vorliegend - zunächst zur Mitwirkung bereit erklärt, hält es daran aber nach Erlass des Beschlusses über den begleiteten Umgang nicht mehr fest, liegt darin ein jederzeit möglicher Widerruf seines Einverständnisses mit der Umgangsbegleitung.
Auf die Tragfähigkeit der vom Jugendamt hierfür angeführten Gründe kommt es nicht an, denn die Einverständniserklärung entfaltet keine Bindungswirkung. Wie die erstmalige Mitwirkung unterliegt daher im familiengerichtlichen Verfahren auch deren Fortsetzung durch das Jugendamt als mitwirkungsbereiter Dritter seiner freien Entscheidung. Wenn das Jugendamt in anderer Funktion, etwa als Amtsvormund oder Ergänzungspfleger, am Umgangsverfahren beteiligt war, führt auch das nicht zu einer Erstreckung der diesem obliegenden Verpflichtung auf eine im familiengerichtlichen Verfahren darüberhinausgehend zugesagte Umgangsbegleitung. Eigenständige Verpflichtungen des Jugendamts ergeben sich dementsprechend auch nicht aus dessen auf Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgter Verfahrensbeteiligung. Vollstreckbare Mitwirkungspflichten bei der Durchführung von Umgangskontakten können sich vielmehr nur aus den dem Jugendamt vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben ergeben, wenn und soweit diese einen Bezug zum Verfahrensgegenstand haben und ihrer Rechtsnatur nach einer Vollstreckung nach §§ 88 ff. FamFG zugänglich sind. Allein aus der Verfahrensbeteiligung des Jugendamts lässt sich eine solche vollstreckbare Verpflichtung mithin nicht ableiten.
Dass die Umgangsbegleitung durch das Jugendamt in den die Umgangsregelung enthaltenden Beschluss aufgenommen wird, dient der erforderlichen Konkretisierung der Umgangsmodalitäten und begründet keine eigenständige vollstreckbare Pflicht zur Umgangsbegleitung. Ein vom Familiengericht gegenüber dem Jugendamt ausgesprochener Warnhinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG bleibt in diesem Fall auf die gesetzlichen Aufgaben des Jugendamts im Hinblick auf die Durchführung des Umgangs beschränkt, wie sie diesem etwa in seiner Funktion als Amtsvormund obliegen. Sollte ein Hinweis darüberhinausgehend auch auf die Begleitung des Umgangs seitens des Jugendamts gerichtet sein, so ginge dieser mangels einer entsprechenden vollstreckbaren Verpflichtung ins Leere. Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt der die Umgangsregelung enthaltende Beschluss vom 14.11.2019 keine taugliche Grundlage für eine Vollstreckung gegen das Jugendamt nach §§ 88 ff. FamFG dar.
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Die Antragstellerin ist die Mutter des im August 2017 geborenen Kindes. Das AG entzog den Kindeseltern im Jahr 2019 (vorläufig) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Beantragung und Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen und übertrug diese dem zuständigen Kreisjugendamt (Antragsgegner) als Ergänzungspfleger. Das Kind befindet sich in einer Pflegefamilie.
Durch Beschluss vom 14.11.2019 regelte das AG im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang der Eltern mit dem Kind. Der Umgang sollte danach wöchentlich donnerstags in der Zeit von 9 Uhr bis 11.30 Uhr in den Räumlichkeiten des Jugendamts in Begleitung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin des Jugendamts stattfinden.
Im März 2020 teilte das Jugendamt den Kindeseltern mit, dass die ab 12.3.2020 angesetzten begleiteten Umgangstermine im Hinblick auf die Ansteckungsgefahren mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht mehr stattfinden könnten. Die Antragstellerin beantragte daraufhin die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen das Jugendamt.
Das AG entsprach dem und setzte ein Ordnungsgeld von 5.000 € fest. Auf die Beschwerde des Jugendamts wies das OLG die Anträge der Antragstellerin zurück. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Verhängung eines Ordnungsgelds aufgrund einer vollstreckbaren gerichtlichen Umgangsregelung setzt nach § 89 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Die Person oder Behörde, gegen die das Ordnungsgeld festgesetzt werden soll, muss dabei Verpflichtete der Umgangsregelung sein. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Soweit das Jugendamt nach der getroffenen Umgangsregelung seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des jeweiligen Umgangs als Umgangsbegleiter zur Verfügung stellt, nimmt dies nicht am vollstreckbaren Inhalt des Beschlusses teil. Soweit es in seiner Funktion als Ergänzungspfleger am Verfahren beteiligt und für die Durchführung der Umgangskontakte verantwortlich war, liegt keine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine ihm insoweit obliegende Verpflichtung vor.
Die Regelung des § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 BGB ist (seinerzeit noch als Satz 2 und 3) durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 19.12.1997 eingeführt worden. § 1684 BGB beruht auf der vorangegangenen Vorschrift des § 1634 BGB a.F., die eine ausdrückliche Regelung zum begleiteten Umgang noch nicht enthalten hatte. Übereinstimmend mit dem Wortlaut der Norm (mitwirkungsbereiter Dritter) ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich der Dritte im familiengerichtlichen Verfahren zur Mitwirkung bereit erklären muss und nicht gegen seinen Willen zur Anwesenheit bei der Ausübung des Umgangsrechts gezwungen werden kann. Daraus folgt, dass auch das Jugendamt insoweit im Rahmen einer vom Familiengericht getroffenen Umgangsregelung nicht in zulässiger Weise zur Mitwirkung verpflichtet werden kann. Hat sich das Jugendamt - wie vorliegend - zunächst zur Mitwirkung bereit erklärt, hält es daran aber nach Erlass des Beschlusses über den begleiteten Umgang nicht mehr fest, liegt darin ein jederzeit möglicher Widerruf seines Einverständnisses mit der Umgangsbegleitung.
Auf die Tragfähigkeit der vom Jugendamt hierfür angeführten Gründe kommt es nicht an, denn die Einverständniserklärung entfaltet keine Bindungswirkung. Wie die erstmalige Mitwirkung unterliegt daher im familiengerichtlichen Verfahren auch deren Fortsetzung durch das Jugendamt als mitwirkungsbereiter Dritter seiner freien Entscheidung. Wenn das Jugendamt in anderer Funktion, etwa als Amtsvormund oder Ergänzungspfleger, am Umgangsverfahren beteiligt war, führt auch das nicht zu einer Erstreckung der diesem obliegenden Verpflichtung auf eine im familiengerichtlichen Verfahren darüberhinausgehend zugesagte Umgangsbegleitung. Eigenständige Verpflichtungen des Jugendamts ergeben sich dementsprechend auch nicht aus dessen auf Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgter Verfahrensbeteiligung. Vollstreckbare Mitwirkungspflichten bei der Durchführung von Umgangskontakten können sich vielmehr nur aus den dem Jugendamt vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben ergeben, wenn und soweit diese einen Bezug zum Verfahrensgegenstand haben und ihrer Rechtsnatur nach einer Vollstreckung nach §§ 88 ff. FamFG zugänglich sind. Allein aus der Verfahrensbeteiligung des Jugendamts lässt sich eine solche vollstreckbare Verpflichtung mithin nicht ableiten.
Dass die Umgangsbegleitung durch das Jugendamt in den die Umgangsregelung enthaltenden Beschluss aufgenommen wird, dient der erforderlichen Konkretisierung der Umgangsmodalitäten und begründet keine eigenständige vollstreckbare Pflicht zur Umgangsbegleitung. Ein vom Familiengericht gegenüber dem Jugendamt ausgesprochener Warnhinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG bleibt in diesem Fall auf die gesetzlichen Aufgaben des Jugendamts im Hinblick auf die Durchführung des Umgangs beschränkt, wie sie diesem etwa in seiner Funktion als Amtsvormund obliegen. Sollte ein Hinweis darüberhinausgehend auch auf die Begleitung des Umgangs seitens des Jugendamts gerichtet sein, so ginge dieser mangels einer entsprechenden vollstreckbaren Verpflichtung ins Leere. Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt der die Umgangsregelung enthaltende Beschluss vom 14.11.2019 keine taugliche Grundlage für eine Vollstreckung gegen das Jugendamt nach §§ 88 ff. FamFG dar.