04.01.2023

Keine wirksame Unterschrift der Berufungsbegründung: Wenn der unterzeichnende Anwalt den Schriftsatz nicht verantwortet

Wird ein bestimmender, grundsätzlich von einem zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig zu unterzeichnender Schriftsatz - hier Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO) - von dem den Schriftsatz verfassenden Rechtsanwalt nicht unterzeichnet und vom unterzeichnenden Rechtsanwalt nicht verantwortet, fehlt es an einer wirksamen Unterschrift.

BGH v. 6.12.2022 - VIII ZA 12/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin macht gegen den Beklagten die Zahlung rückständiger Miete geltend. Widerklagend begehrt der Beklagte die Rückzahlung von aus seiner Sicht überzahlter Miete. Das AG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 1.000 € nebst Zinsen. Seine Widerklage wies es ab.

Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Beklagten verwarf das LG als unzulässig. Die Berufung sei nicht fristgerecht in der gebotenen Form begründet worden. Es mangele an der eigenhändigen Unterschrift eines Rechtsanwalts (§ 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO). Zwar sei die Berufungsbegründung unterschrieben. Jedoch habe der unterzeichnende Rechtsanwalt seine Unterschrift mit folgendem Zusatz versehen: "Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter."

Damit habe er unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, den Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes nicht verantworten zu wollen. Da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der den Schriftsatz verfasst habe, diesen nicht unterzeichnet habe, fehle es im Ergebnis an der Unterschrift eines Rechtsanwalts, welcher für den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift die Verantwortung übernehme.

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine gegen die Entscheidung des LG beabsichtigte Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen der § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO genügt, wonach diese die Unterschrift der Person hier des Rechtsanwalts (§ 78 Abs. 1 ZPO) enthalten muss, die den Schriftsatz verantwortet, weil sich der die Berufungsbegründung unterzeichnende Rechtsanwalt von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert hat. Es hat deshalb die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht als unzulässig verworfen.

Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung grundsätzlich von einem zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Zwar ist der Anwalt nicht gehindert, die Berufungsbegründung von anderen Personen vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt. Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz hinsichtlich dieser Anforderungen allerdings mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift, ohne einen darüberhinausgehenden Nachweis zu fordern, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will. Für ein Berufungsgericht besteht deshalb in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat.

Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung jedoch für zwei Fallgruppen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat. Zur erstgenannten Fallgruppe rechnen insbesondere von Dritten entworfene Rechtsmittelbegründungen, die der Prozessbevollmächtigte nur rein formal unterzeichnet, dabei jedoch durch einen Zusatz deutlich macht, dass er die volle Verantwortung für den gesamten Inhalt des Schriftsatzes ablehnt.

Einen solchen Ausnahmefall hat das LG hier zu Recht angenommen. Der die Berufungsbegründung unterzeichnende Rechtsanwalt - der amtlich bestellte Vertreter des Prozessbevollmächtigten des Beklagten - hat durch den von ihm angebrachten Zusatz ("Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter") nicht lediglich zu erkennen gegeben, als amtlich bestellter Vertreter zu handeln, sondern hinreichend deutlich gemacht, dass er jegliche Verantwortung für den Inhalt dieses Schriftsatzes ablehnt. Die Berufungsbegründung wurde vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten nach dessen eigenen, späteren Erläuterungen zwar verfasst, jedoch von diesem nicht unterzeichnet, so dass es im Ergebnis an der gebotenen Unterschrift eines Rechtsanwalts fehlt, der die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte.

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