17.03.2025

Keinen Vorschuss für Rechtsverfolgung oder -beratung des Ehegatten außerhalb gerichtlicher Verfahren

Die zwischen getrenntlebenden Ehegatten bestehende Verpflichtung zur Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses erstreckt sich nicht auf die Kosten einer vor- oder außergerichtlichen Rechtsberatung oder Vertretung.

BGH v. 5.2.2025 - XII ZB 187/24
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind Eheleute, aus deren Ehe drei minderjährige Kinder hervorgegangen sind. Sie leben seit dem September 2022 dauerhaft, zunächst innerhalb der auf einem landwirtschaftlichen Hof gelegenen Ehewohnung, voneinander getrennt. Kurz nach der Trennung suchte die Antragstellerin ihre erstinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältin N. auf, um sich von ihr wegen der Trennungsfolgen rechtlich beraten zu lassen. Unter dem 4.11.2022 richtete die Rechtsanwältin an den Antragsgegner ein Schreiben, in dem sie die Vertretung der Antragstellerin anzeigte, verschiedene Trennungsfolgen erörterte und den Antragsgegner u.a. dazu aufforderte, bis zum Umzug der Antragstellerin eine auf dem Hof gelegene separate Wohnung zu beziehen, mtl. Trennungs- und Kindesunterhalt zu zahlen und güterrechtliche Auskunft zum Trennungsvermögen zu erteilen. Abschließend verlangte sie im Namen der Antragstellerin die "Übernahme" ihrer nach einem Gegenstandswert von 20.000 € berechneten Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. rd. 1.300 €. Eine Zahlung auf die Gebührenforderung leistete der Antragsgegner nicht.

AG und OLG gaben dem auf Zahlung der rd. 1.300 € nebst Zinsen gerichteten Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang statt. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wies der BGH den Antrag ab.

Die Gründe:
Der von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens entfaltete Tätigkeit ihrer erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Nach § 1360 a Abs. 4 BGB, der im vorliegenden Fall über die in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB enthaltene Verweisung Anwendung findet, ist ein Ehegatte verpflichtet, dem anderen Ehegatten die "Kosten eines Rechtsstreits" in persönlichen Angelegenheiten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Diese Voraussetzungen liegen unter den im Streitfall obwaltenden Umständen nicht vor.

Ob sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die Rechtsverfolgung oder Rechtsberatung eines Ehegatten außerhalb gerichtlicher Verfahren herleiten lässt, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass auch die Kosten einer außergerichtlichen Rechtsberatung oder Rechtsverfolgung vom Tatbestand des § 1360 a Abs. 4 BGB erfasst seien, soweit im Falle der Bedürftigkeit ansonsten ein Anspruch nach dem Beratungshilfegesetz bestünde. Dies wird insbesondere damit begründet, dass es nicht sachgerecht sei, die Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Vorschussanspruch auszunehmen, zumal gerade durch die außergerichtliche Beratung eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung - auch im Interesse des Vorschusspflichtigen - möglicherweise vermieden werden könne und zudem fiskalische Überlegungen im Zusammenhang mit der Ersparnis von öffentlichen Mitteln bei der Gewährung von Beratungshilfe für diese Sichtweise sprächen.

Daneben wird auch die Erstreckung der Vorschusspflicht auf die Kosten einer außergerichtlichen Beratung im Wege einer entsprechenden Anwendung von § 1360 a Abs. 4 BGB befürwortet. Nach anderer Auffassung kann die Vorschusspflicht nach § 1360 a Abs. 4 BGB wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht auf Kosten ausgedehnt werden, die außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens entstehen. Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Dafür sprechen sowohl der Wortlaut des § 1360 a Abs. 4 BGB als auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie die in den Gesetzesmaterialien zutage getretenen Intentionen des Gesetzgebers.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 1360a Umfang der Unterhaltspflicht
Kroll-Ludwigs in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | BGB
§ 1361 Unterhalt bei Getrenntleben
Kroll-Ludwigs in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | BGB
§ 1613 Unterhalt für die Vergangenheit
Hammermann in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Aktionsmodul Familienrecht
Otto Schmidt Assist optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Assist-Lizenz gilt für alle Assist-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Selbststudium nach § 15 FAO: Regelmäßig mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. Beratermodul Familienrechtliche Berechnungen: Unterhalt. Zugewinnausgleich. Versorgungsausgleich.

Otto Schmidt Assist ist die neue KI in Ihrem Team. Holen Sie das Maximum aus Ihren Modulen in Otto Schmidt online heraus. Assist unterstützt Sie bei der Recherche und Texterstellung und gibt Ihnen die notwendige Sicherheit in der Beratungspraxis. ...

Alles zum Familienrecht in einem Modul! In Kooperation mit Otto Schmidt, Gieseking, Wolters Kluwer und Reguvis stehen ausgewählte Kommentare, Handbücher und Zeitschriften in einer Datenbank zur Verfügung. Top-Fachzeitschriften: FamRZ , FamRB, FuR und die BtPrax. Mit zahlreichen Werken der FamRZ-Buchreihe und ausgewählten Handbüchern. ...

4 Wochen gratis nutzen!
BGH online