29.11.2024

Kläger muss spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage beim Gericht Sachstand erfragen

In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.

BGH v. 25.10.2024 - V ZR 17/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), wobei die Beklagten zu 2) die Erben einer während des Rechtsstreits verstorbenen Wohnungseigentümerin sind. Am 17.10.2016 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der mehrere Beschlüsse gefasst wurden. Mit der am 19.10.2016 beim AG eingegangenen Beschlussanfechtungsklage wendet sich der Kläger gegen näher bezeichnete Beschlüsse zu verschiedenen Tagesordnungspunkten. Den hierfür von dem AG angeforderten Kostenvorschuss nach Maßgabe einer vorläufigen Streitwertfestsetzung auf 18.000 € zahlte der Kläger am 16.11.2016 ein. Mit Schriftsatz vom 17.11.2016 erweiterte er seine Klage und kündigte den Antrag an, alle in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Das AG setzte daraufhin den Streitwert für den Zeitraum seit Eingang der Klageerweiterung vorläufig auf 33.500 € fest. Dieser Beschluss wurde dem Kläger zusammen mit einer Kostenrechnung vom 24.11.2016 über 366 € (1.323 € abzgl. bereits gezahlter 957 €) und dem Hinweis, dass eine Rechtshängigkeit bislang nicht eingetreten sei, zugestellt. Den weiteren Gerichtskostenvorschuss zahlte der Kläger nicht. Mit Schriftsatz vom 15.12.2020 erkundigte sich der Kläger, wann das AG in der Sache entscheiden werde. Die Klageschrift wurde daraufhin am 25.1.2021 zugestellt.

AG und LG wiesen die Klage ab. Die Revision des hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG geht zutreffend davon aus, dass der Kläger die materielle Klagefrist des hier gem. § 48 Abs. 5 WEG noch anwendbaren § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG (jetzt: § 45 Satz 1 WEG) in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung versäumt hat; deshalb ist er mit der Geltendmachung von Anfechtungsgründen ausgeschlossen. Denn die Zustellung der Klageschrift am 25.1.2021 erfolgte nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung am 17.10.2016. Zu Recht meint das LG, die Klage sei auch nicht "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden, so dass die Zustellung nicht auf den Tag des Eingangs der Klageschrift, an dem die Klagefrist noch nicht abgelaufen war, zurückwirkt.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist das Merkmal "demnächst" (nur) erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen. Bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen wird darauf abgestellt, um wie viele Tage sich der ohnehin für die Zustellung erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Partei verzögert hat. Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber dagegen nicht zuzurechnen; das gilt auch dann, wenn der fehlerhaften Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung vorausgegangen ist. Unterbleibt allerdings eine Vorschussanforderung durch das Gericht, besteht eine Nachfrageobliegenheit der Partei innerhalb angemessener Zeit. Hat die Partei aber alle von ihr geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt, so sind sie und ihr Prozessbevollmächtigter im Weiteren grundsätzlich nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken

Unter Beachtung dieser Grundsätze können dem Kläger zunächst im Zusammenhang mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses keine Verzögerungen zugerechnet werden, wie auch das LG richtig erkennt. Der Kläger war allerdings gehalten, trotz der rechtzeitigen und ausreichenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses beim AG sich nach dem Sachstand der Zustellung zu erkundigen. Dieser Obliegenheit ist er durch die erst am 15.12.2020 erfolgte Nachfrage nicht nachgekommen. Der Senat hat bislang offengelassen, ob sich aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer in wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren eine Pflicht zur Sachstandsanfrage bei Gericht ergibt, wenn es zu Verzögerungen im Zustellungsverfahren durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts kommt.

Der Senat entscheidet die Frage nunmehr dahingehend, dass in wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren den Kläger die Obliegenheit trifft, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO ("demnächst") zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 167 Rückwirkung der Zustellung
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
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Kommentierung | ZPO
§ 234 Wiedereinsetzungsfrist
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023

Kommentierung | WEG
§ 45 Fristen der Anfechtungsklage
Suilmann in Jennißen, WEG, Kommentar, 8. Auflage
8. Aufl./Lfg. 10.2023

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