07.04.2025

Kondiktionsfähigkeit eines abstrakten Schuldanerkenntnisses

Bei einem abstrakten Schuldanerkenntnis (§ 781 Satz 1 BGB) handelt es sich um ein taugliches Kondiktionsobjekt. Dabei dürfte die grundsätzliche Kondiktionsfähigkeit der aus dem Anerkenntnisvertrag resultierenden Zahlungsforderung (= Schuldverhältnis im engeren Sinne) schon unabhängig von § 812 Abs. 2, 1. Alt. BGB gegeben sein, weil dieser Anspruch einen verkehrsfähigen Vermögenswert in Gestalt einer Individualrechtsposition (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) darstellt und damit in jedem Fall ein taugliches erlangtes "Etwas" i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

LG Stralsund v. 24.3.2025 - 2 O 164/24
Der Sachverhalt:
Die beiden Beklagten hatten sich mit privatschriftlicher Urkunde vom 19.7.2020 gegenüber den beiden Klägern im Wege eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zur Zahlung von insgesamt 25.000 € verpflichtet. Weder die Authentizität dieser Urkunde noch die rechtliche Einordnung als abstraktes Schuldanerkenntnis waren streitig. Daneben machen die Kläger gegen den Beklagten einen weiteren Anspruch über 5.000 € - insgesamt mithin 30.000,00 € - geltend, den sie auf eine bestrittene mündliche Vereinbarung mit den Beklagten stützten, die im Zuge einer Haushaltsauflösung zu einem nicht konkret angegebenen Zeitpunkt wohl im Verlaufe des Jahres 2022 getroffen worden sei.

Die Beklagten wiesen darauf hin, dass sie durch die Kläger zur Unterschrift genötigt worden seien. Diese hätten die Herausgabe von wichtigen Originaldokumenten, die ihnen zuvor zur Verwahrung übergeben worden seien, von der Unterschriftsleistung abhängig gemacht. Außerdem wandten sie gegen ihre Verpflichtung aus dem Anerkenntnis eine Aufrechnung ein, und erhoben hilfsweise die Einrede der Bereicherung. Dabei machten die Beklagten geltend, bereits vorprozessual mit einem aus ihrer Sicht ihnen gegen die Klägerseite zustehenden Anspruch auf Darlehensrückzahlung im Umfang von insgesamt 45.000 € gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerseite, der dem Anerkenntnis zugrunde gelegen habe, aufgerechnet zu haben.

Das LG gab der Klage i.H.v. 25.000 € statt.

Die Gründe:
In Bezug auf den Teil der Klageforderung, der sich auf das abstrakte und damit selbständig schuldbegründende - konstitutive - Anerkenntnis der Beklagten i.S.d. § 781 Satz 1 BGB gestützt hatte (25.000,00 €), drang die Verteidigung der Beklagten nicht durch. Weder war der Anspruch aus dem Anerkenntnis durch Aufrechnung (§ 389 BGB) erloschen noch stand seiner Durchsetzung die Einrede der Bereicherung (§ 821 BGB) oder ein sonstiges Einrederecht entgegen.

Bei einem abstrakten Schuldanerkenntnis (§ 781 Satz 1 BGB) handelt es sich um ein taugliches Kondiktionsobjekt. Dabei dürfte die grundsätzliche Kondiktionsfähigkeit der aus dem Anerkenntnisvertrag resultierenden Zahlungsforderung (= Schuldverhältnis im engeren Sinne) schon unabhängig von § 812 Abs. 2, 1. Alt. BGB gegeben sein, weil dieser Anspruch einen verkehrsfähigen Vermögenswert in Gestalt einer Individualrechtsposition (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) darstellt und damit in jedem Fall ein taugliches erlangtes "Etwas" i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dass aber auch der diesen Anspruch begründende Anerkenntnisvertrag (= Schuldverhältnis im weiteren Sinne) ein möglicher Erlangungsgegenstand i.S.d. Bereicherungsrechts ist, ergibt sich jedenfalls aus der dies hervorhebenden Bestimmung des § 812 Abs. 2, 1. Alt. BGB, die man zugleich als (bloße) Klarstellung begreifen mag, dass natürlich auch und erstrecht die aus dem Vertrag resultierende Forderung für sich betrachtet kondiziert werden kann.

Dabei ist mit der zutreffenden und mittlerweile wohl auch herrschenden Auffassung der Rechtsgrund nicht in der sog. kausalen Verbindlichkeit als solcher zu sehen. Vielmehr liegt er in einer kausalen schuldrechtlichen Abrede (§§ 145 ff. BGB) eigener Art, die zumindest in ihren Grundzügen mit einem Sicherungsvertrag im Bereich der Kreditsicherheiten verglichen werden kann und die Verpflichtung zum Abschluss des Anerkenntnisvertrages, also die Pflicht zum Anerkennen, begründet. Diese Abrede bewegt sich gewissermaßen als Bindeglied oder "Mittelstück" zwischen demjenigen Vertrag, aus dem die sog. kausale Forderung resultiert, und dem (abstrakten, eigentlichen) Anerkenntnisvertrag.

Der Aufrechnungseinwand drang nicht durch, weil die Beklagten ihre Schilderung, wonach ein Darlehen von der Beklagtenseite an die Klägerseite ausgereicht worden sei, nicht haben beweisen können. Bei dieser Sachlage war auch für andere (von den Beklagten allerdings schon nicht konkret erhobene) Einreden - namentlich § 273 Abs. 1 BGB bzw. §§ 348 Satz 2, 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 242 BGB kein Raum. Ebenfalls nur bzw. bestenfalls ein non liquet lag in Bezug auf die 5.000 € vor, das zulasten der insofern nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtigen Kläger ging. Hier war bereits unklar geblieben, ob es überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer entsprechenden Absprache gekommen war oder nicht in Wahrheit eine gewissermaßen pauschalierte Verzinsung diverser älterer Verbindlichkeiten (nur) des Beklagten gegenüber (nur) dem Kläger zur Debatte stand. Letztlich hatte keiner der insgesamt vier Beteiligten konkret und belastbar eine Gesprächssituation schildern können, die den Schluss auf eine entsprechende vertragliche Abrede zuließe.

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