Kostenverteilung nach einseitiger Erledigungserklärung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
BGH v. 23.9.2021 - IX ZB 66/20
Der Sachverhalt:
Der Schuldner war als Einzelunternehmer gewerblich tätig und beschäftigte einen bei der weiteren Beteiligten (fortan: Gläubigerin) gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate November 2018 bis Juni 2019 entrichtete der Schuldner nicht.
Im Januar 2020 beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Nach Begleichung der Beitragsrückstände hat die Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Das Insolvenzgericht stellte dem Schuldner die Erledigungserklärung ohne Hinweis gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu. Der Schuldner äußerte sich zu der Erledigungserklärung nicht.
Das Insolvenzgericht legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf und stützte sich dabei auf § 4 InsO, § 91a ZPO. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wies das LG zurück.
Der BGH hat der Rechtsbeschwerde der Gläubigerin stattgegeben und festgestellt, dass der Insolvenzantrag in der Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Schuldner auferlegt.
Die Gründe:
Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass im Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Antrags der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners auszugehen ist sowie dass der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zulässig und begründet war.
Von einem unrichtigen Verständnis der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO getragen ist jedoch die Einschätzung des Beschwerdegerichts, es fehle an einem erledigenden Ereignis.
Der BGH hat entschieden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit begründet, den Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen, aber keine Pflicht (BGH v. 24.9.2020 - IX ZB 71/19). Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO schließt weder die Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich aus. Dies kann ihr auch nicht sonst entnommen werden. Anderenfalls würde der im Eröffnungsverfahren geltende Dispositionsgrundsatz ausgehebelt und das Verfahren gleichsam von Amts wegen fortgeführt. Das ist dem deutschen Recht fremd.
Die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, kann nicht dadurch beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle einer einseitig bleibenden Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen hat, weil ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbesteht.
Zwar trifft es zu, dass in diesem Fall nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen nicht von einem erledigenden Ereignis ausgegangen werden kann, wenn der Antrag auch sonst weiterhin zulässig und begründet ist. Die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze gelten jedoch im Insolvenzeröffnungsverfahren nur in modifizierter Form (BGH v. 25.9.2008 - IX ZB 131/07). Deshalb kann die Kostentragungspflicht des Gläubigers nach dessen einseitig gebliebener Erledigungserklärung nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist. Ein Zwangsgläubiger kann mit einem Insolvenzantrag mehrere schützenswerte Ziele verfolgen. Das mit § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO verfolgte Anliegen, die Insolvenzreife des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, muss nicht dazu zählen.
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Der Schuldner war als Einzelunternehmer gewerblich tätig und beschäftigte einen bei der weiteren Beteiligten (fortan: Gläubigerin) gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate November 2018 bis Juni 2019 entrichtete der Schuldner nicht.
Im Januar 2020 beantragte die Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Nach Begleichung der Beitragsrückstände hat die Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Das Insolvenzgericht stellte dem Schuldner die Erledigungserklärung ohne Hinweis gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu. Der Schuldner äußerte sich zu der Erledigungserklärung nicht.
Das Insolvenzgericht legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf und stützte sich dabei auf § 4 InsO, § 91a ZPO. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wies das LG zurück.
Der BGH hat der Rechtsbeschwerde der Gläubigerin stattgegeben und festgestellt, dass der Insolvenzantrag in der Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Schuldner auferlegt.
Die Gründe:
Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass im Streitfall von einer einseitigen Erledigungserklärung des Antrags der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners auszugehen ist sowie dass der Eröffnungsantrag der Gläubigerin zulässig und begründet war.
Von einem unrichtigen Verständnis der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO getragen ist jedoch die Einschätzung des Beschwerdegerichts, es fehle an einem erledigenden Ereignis.
Der BGH hat entschieden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO für den antragstellenden Gläubiger die Möglichkeit begründet, den Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen, aber keine Pflicht (BGH v. 24.9.2020 - IX ZB 71/19). Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO schließt weder die Erledigungserklärung noch die Rücknahme des Antrags ausdrücklich aus. Dies kann ihr auch nicht sonst entnommen werden. Anderenfalls würde der im Eröffnungsverfahren geltende Dispositionsgrundsatz ausgehebelt und das Verfahren gleichsam von Amts wegen fortgeführt. Das ist dem deutschen Recht fremd.
Die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, kann nicht dadurch beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle einer einseitig bleibenden Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen hat, weil ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbesteht.
Zwar trifft es zu, dass in diesem Fall nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen nicht von einem erledigenden Ereignis ausgegangen werden kann, wenn der Antrag auch sonst weiterhin zulässig und begründet ist. Die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze gelten jedoch im Insolvenzeröffnungsverfahren nur in modifizierter Form (BGH v. 25.9.2008 - IX ZB 131/07). Deshalb kann die Kostentragungspflicht des Gläubigers nach dessen einseitig gebliebener Erledigungserklärung nicht damit begründet werden, dass der Insolvenzantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO weiterhin zulässig ist. Ein Zwangsgläubiger kann mit einem Insolvenzantrag mehrere schützenswerte Ziele verfolgen. Das mit § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO verfolgte Anliegen, die Insolvenzreife des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, muss nicht dazu zählen.