20.09.2024

Leihstute: Wer ist Eigentümer des Fohlens?

Beim Embryonentransfer verliert der Embryo mit der Einnistung (Nidation) in die Gebärmutterschleimhaut der Leihstute die Sonderrechtsfähigkeit. Für die Frage der Wesentlichkeit i.S.d. § 93 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil für die Funktion oder den Wert der Sache von Bedeutung ist. Für § 947 Abs. 2 BGB stellt der Wert der Hauptsache im Verhältnis zur Nebensache kein entscheidendes Kriterium dar.

OLG Oldenburg v. 11.9.2024 - 8 U 36/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte am 29.7.2022 die unerkannt tragende Stute "F" von der GG GbR erworben. Am 2.6.2023 gebar diese Stute ein Hengstfohlen. Der Kläger behauptete, er habe am 15.6.2022 die in seinem Eigentum stehende Stute "H", abstammend von dem Hengst "J" vom Gestüt KK, besamen lassen. Am 23.6.2022 sei die befruchtete Eizelle aus der genetischen Mutterstute herausgespült und im Wege eines Embryotransfers in die Leihstute "F" eingesetzt worden, die ihm von der GG GbR zur Verfügung gestellt worden sei. Nachdem im Rahmen einer tierärztlichen Trächtigkeitsuntersuchung eine Trächtigkeit von den Nebenintervenienten verneint worden sei, sei die Leihstute an die Eigentümerin GG GbR zurückgegeben worden.

Der Kläger hat die Herausgabe des am 2.6.2023 geborenen braunen Hengstfohlens an ihn gefordert. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Herausgabeanspruch. Die Beklagte war unstreitig Eigentümerin der Stute "F" geworden und hat damit auch Eigentum an dem nach Erwerb geborenen Fohlen erworben.

Entgegen der Auffassung des Klägers hatte der Embryo durch die Nidation in der Leihstute "F" seine Sonderrechtsfähigkeit verloren, weil die Voraussetzungen des § 93, § 90a Satz 3 BGB ab diesem Zeitpunkt vorlagen. Zunächst sind die Leihstute "F" und der implementierte Embryo mit der Nidation Bestandteile einer Sache geworden. Bei einer trächtigen Stute sieht die Verkehrsanschauung die Stute und das sich entwickelnde Leben nicht als zwei unabhängige Sachen an, gleichgültig, ob die Trächtigkeit durch natürliche Zeugung, Besamung oder Embryotransfer bewirkt wurde. Auch sieht die Verkehrsanschauung Leihstuten nicht als "Brutkasten" an.

Mit dem Zeitpunkt der Verbindung tritt die Rechtsfolge des § 947 BGB ein. Die spätere Trennung (vorliegend durch Geburt) führt nicht zum Wiederaufleben der Sonderrechtsfähigkeit, da ansonsten unklare Eigentumsverhältnisse entstehen würden, was sachenrechtlichen Grundsätzen widerspräche (BGH, Urt. v. 22.10.2021). Der Gesetzgeber hat im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Eigentumsverlust bei beweglichen Sachen auch ohne Zutun oder Willen des bisherigen Eigentümers eintreten kann (etwa §§ 932 ff., 937, 946 ff. BGB). Damit ist eine jederzeitige Hinfälligkeit des einmal zugeordneten Eigentums nur aufgrund nachträglicher natürlicher, technischer oder wirtschaftlicher Entwicklungen nicht zu vereinbaren.

Hier hatte zunächst die GG GbR Alleineigentum gem. § 947 Abs. 2 BGB an der einheitlichen Sache erworben, da die Leihstute Hauptsache ist. Eine Hauptsache liegt vor, wenn die übrigen Bestandteile fehlen könnten, ohne dass das Wesen der Sache dadurch beeinträchtigt würde. Der Wert der Hauptsache im Vergleich zur Nebensache ist kein entscheidendes Kriterium. Die Leihstute kann schließlich weiterleben, auch wenn der Embryo abgestoßen wird, jedoch nicht umgekehrt, sodass die Leihstute Hauptsache ist. Eine Auslegung dahingehend, dass in Fällen der Nidation eines Embryos in die Gebärmutterschleimhaut einer Leihstute, die nicht genetische Mutter des Embryos ist, der Embryo weiter sonderrechtsfähig ist, überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. § 97 BGB kann schon deshalb keine Anwendung finden, da wesentliche Bestandteile einer Sache wegen ihrer Sonderrechtsunfähigkeit (§ 93 BGB) auch nicht Zubehör einer anderen Sache sein können.

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