22.04.2022

Mietpreisbremse: Berechtigung einer Legal-Tech-Plattform auf Auskunft ist eine Frage der Begründetheit

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, mit der gestützt auf die Vorschrift des § 556g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskunft über die für die Zulässigkeit der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarten Miete maßgeblichen Tatsachen nach den Vorschriften über die sog. Mietpreisbremse begehrt wird, kann nicht mit dem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt verneint werden, auf die verlangten Auskünfte zu den Ausnahmetatbeständen der §§ 556e und 556f BGB komme es nicht an, weil der Vermieter sich zur Rechtfertigung der vereinbarten Miete lediglich auf die ortsübliche Vergleichsmiete berufe und andere Gründe für die Zulässigkeit der Miethöhe nicht geltend mache. Die Berechtigung des geltend gemachten materiellen Klagebegehrens ist von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage abzugrenzen; sie ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.

BGH v. 23.3.2022 - VIII ZR 133/20
Der Sachverhalt:
Das AG Charlottenburg hatte eine u.a. auf Auskunft über vergangene Mieterhöhungen und Modernisierungen, auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage gegen eine Vermieterin abgewiesen. Auf die dagegen eingelegte Berufung der klagenden Legal-Tech-Plattform, die gewerblich u.a. die Rechte von Wohnraummietern aus den Vorschriften der sog. "Mietpreisbremse" (§§ 556d ff. BGB) geltend macht und die sich dafür Rechte des Mieters gegen seine Vermieterin hatte abtreten lassen, hat das LG Berlin die Entscheidung der ersten Instanz zu den geltend gemachten Auskunftsansprüchen bestätigt, aber der Klage auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete im Ergebnis stattgegeben. Es war der Ansicht, dass die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs unzulässig sei, da es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des LG insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zurückgewiesen worden ist. Die Sache wurde im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Klage fehle es im Hinblick auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des durch Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruchs soll (lediglich) verhindert werden, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt wird. Nur ausnahmsweise können deshalb bei Leistungsklagen besondere Umstände das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen.

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, mit der gestützt auf die Vorschrift des § 556g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskunft über die für die Zulässigkeit der zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarten Miete maßgeblichen Tatsachen nach den Vorschriften über die sog. Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) begehrt wird, kann nicht mit dem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt verneint werden, auf die verlangten Auskünfte zu den Ausnahmetatbeständen der §§ 556e und 556f BGB komme es nicht an, weil der Vermieter sich zur Rechtfertigung der vereinbarten Miete lediglich auf die ortsübliche Vergleichsmiete berufe und andere Gründe für die Zulässigkeit der Miethöhe nicht geltend mache. Die Berechtigung des geltend gemachten materiellen Klagebegehrens ist von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für die Klage abzugrenzen; sie ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.

Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht hingegen einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (in Gestalt einer Geschäftsgebühr nach § 2 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV RVG) i.H.v. 534,31 € nebst Zinsen verneint. Es war zutreffend davon ausgegangen, dass der Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen den Vermieter auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (§ 249 Abs. 1, § 257 BGB) haben kann, wenn der Vermieter schuldhaft seine Pflicht verletzt hat, von seinem Mieter nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, und sich der Mieter wegen der von ihm daraufhin bei einem Inkassodienstleister in Auftrag gegebenen Geltendmachung seiner Ansprüche nach § 556g Abs. 1 Satz 3, § 556g Abs. 3 BGB einer entsprechenden Vergütungsforderung ausgesetzt sieht. Ein solcher Freistellungsanspruch des Mieters kommt zudem in Betracht, wenn der Vermieter mit der Erfüllung der von dem Mieter geltend gemachten Auskunfts- oder Zahlungsansprüche gem. § 556g BGB in Verzug gerät (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB).

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