26.04.2023

Mietverhältnis über Gewerberaum: Rechnungslegung nach dem Umsatzsteuergesetz stellt keine Fälligkeitsvoraussetzung dar

Die Rechnungslegung nach dem Umsatzsteuergesetz ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellt noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes dar.

OLG Brandenburg v.14.3.2023 - 3 U 16/22
Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte von der Klägerin für eine feste Laufzeit von April 2019 bis Ende Mai 2021 Gewerberaum angemietet. In §§ 7 und 9 des schriftlichen Mietvertrags vereinbarten die Parteien eine monatlich im Voraus - eingehend bis spätestens zum dritten Werktag eines Monats auf dem Konto der Vermieterin - zu zahlende Nettokaltmiete von 1.650 € zzgl. der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer. In dem Gewerberaummietvertrag war die Steuernummer der Vermieterin angegeben. Der Beklagte entrichtete seit Beginn des Mietverhältnisses die geschuldete Miete nicht.

Am 26.5.2020 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges mit mehr als zwei Monatsmieten außerordentlich und forderte den Beklagten zur Räumung und Herausgabe sowie Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten spätestens bis zum 30.6.2020 auf. Nachdem der Beklagte der Zahlungs- und Räumungsaufforderung nicht nachgekommen war, hat die Klägerin gerichtlich Zahlung rückständiger Mieten bzw. Nutzungsentschädigung von insgesamt 42.731 € geltend gemacht.

Der Beklagte hatte sich auf sein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Mietzahlung berufen. Er war der Ansicht, die von der Klägerin vorgelegte Dauerrechnung genüge nicht den Anforderungen des § 14 UStG, enthalte insbesondere nicht alle erforderlichen Angaben, etwa diejenige der Rechnungsnummer. Sein Zurückbehaltungsrecht habe er durch schlichte Nichtzahlung ausgeübt; hierzu sei er bis zur Vorlage einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechnung berechtigt gewesen.

Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von rund 40.053 € an die Klägerin verurteilt. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren weitestgehend bestätigt, die Zahlungssumme allerdings auf 37.108 € reduziert.

Die Gründe:
Nach der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 26.5.2020 wegen Zahlungsverzugs in Höhe von (mehr als) zwei Monatsmieten befand sich der Beklagte mit der Zahlung der bis dahin fällig gewordenen Bruttomieten inklusive Nebenkostenvorauszahlungen in einer Gesamthöhe von 31.654 € in Verzug. Für den nachfolgenden Zeitraum ab Juni 2020 schuldete er bis zur Rückgabe der Mietsache gem. § 546 a Abs. 1 BGB eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete.

Dass der Mietvertrag den Anforderungen für die Rechnungslegung nach dem Umsatzsteuergesetz nicht entsprach und die Klägerin dem Beklagten entgegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 UstG noch keine Rechnung ausgestellt hatte, war für die Fälligkeit des Mietzinses unerheblich. Zwar ist eine solche Rechnung Voraussetzung des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UstG mit der Folge, dass der Vermieter im Hinblick auf seine sich aus § 242 BGB ergebende Nebenpflicht, den Mieter nicht zu schädigen, verpflichtet ist, diesem eine Rechnung zu übergeben. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Fälligkeit hinausgeschoben sein soll. Die Rechnungslegung ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung.

Der Beklagte konnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er jedenfalls nicht mit der Zahlung des Mietzinses in Verzug gewesen sei, da ihm vor der Rechnungserteilung ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zugestanden habe. Die Parteien hatten im Mietvertrag vereinbart, dass der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber Forderungen des Vermieters nur im Hinblick auf unbestrittene oder rechtskräftige festgestellte Forderungen geltend machen durfte. Ob diese Voraussetzungen erfüllt waren, konnte hier jedoch dahinstehen. Denn obwohl dem Schuldner grundsätzlich vor Rechnungserteilung ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber seinem Vermieter aus § 273 BGB zusteht, steht dieses dem Eintritt des Verzugs hier nicht entgegen.

Anders als im Fall des § 320 BGB schließt das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB den Schuldnerverzug nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen geltend gemacht wird. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB schließt den Verzug mit der Leistungserfüllung nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird. Beruft sich der Schuldner erst danach auf sein Zurückbehaltungsrecht, wird der bereits eingetretene Verzug dadurch also nicht beseitigt. Und so lag der Fall auch hier. Der Beklagte hatte ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht nicht hinreichend geltend gemacht. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellt noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes dar.

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