09.10.2024

Mietvertrag und Schadensersatzverzicht bei verzögertem Wohnungsverkauf sittenwidrig

In Fällen, in denen der Verkäufer einer Eigentumswohnung den Kaufvertrag selbst verursacht nicht erfüllen kann, ist das Angebot eines Mietvertrags unter der Bedingung eines Schadensersatzverzichts unter Umständen sittenwidrig. Eine solche Verzichtserklärung ist zudem beurkundungspflichtig.

AG Hanau v. 15.3.2024 - 32 C 243/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Bauträgergesellschaft. Die Parteien hatten einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung abgeschlossen. Kurz vor dem vereinbarten Stichtag informierte die Klägerin die beklagten Käufer, dass die Vormerkung wegen eines Fehlers der Teilungserklärung nicht im Grundbuch eingetragen werden könne. Infolgedessen könne vorerst auch nicht der Vertrag vollzogen werden. Sie bot ihnen stattdessen den Abschluss eines Mietvertrags über die Wohnung an unter der Bedingung, dass sie auf alle Schadensersatzansprüche wegen der Verzögerung verzichteten. Die Beklagten erklärten sich hierzu bereit, weil ihre Mietwohnung bereits gekündigt und die Käuferin zudem schwanger war. Sie zahlten zunächst die Mieten vollständig.

Gut drei Monate später haben die Beklagten die Anfechtung der Vereinbarung erklärt. Sie rechneten die Miete sodann teilweise gegen die Finanzierungskosten ihrer Bank auf, die den Kaufpreis weiterhin zur Auszahlung bereithielt. Die Klägerin forderte die vollständige Miete  Sie verweigerte zudem die Nachbeurkundung des Kaufvertrags, der erforderlich ist, um den Eintragungsmangel zu beheben, unter Hinweis auf die "ungeklärte Situation" in diesem Verfahren.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mieten und Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen. Denn der Mietvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) sowie wegen des Mangels einer gem. § 311b BGB erforderlichen Beurkundung der Schadensersatzverzichtserklärung als verbundenes Geschäft nichtig. Soweit der Klägerin bereicherungsrechtliche Ansprüche zustehen, haben die Beklagten gegen diese mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet.

Sowohl der Mietvertrag als auch die Verzichtserklärung waren sittenwidrig. Es gab an sich überhaupt keinen Grund für die beklagten Käufer, diese Verträge einzugehen, weil die Klägerin für die Verzögerung verantwortlich war, zumal die Mieten zumindest auf den Kaufpreis hätten verrechnet werden müssen.

Außerdem hatte die Klägerin die Zwangslage der Beklagten ausgenutzt. Zwar hätten die Beklagten die laufenden Kosten der Eigentumswohnung ohnehin tragen müssen. Diese waren jedoch durch die erbrachten Zahlungen getilgt. Der Verzicht auf Schadensersatz unterlag zudem der notariellen Beurkundungspflicht, weil er den Kaufvertrag inhaltlich ändert.

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AG Hanau - Pressemitteilung v. 8.10.2024
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