28.11.2013

(Mit-) Berechtigter kann kein Verfügungsbefugter sein

§ 2 Abs. 3 VermG teleologisch einschränkend dahin auszulegen, dass Verfügungsbefugter nur ist, wer nicht selbst (Mit-)Berechtigter ist. Das Rechtsverhältnis der Mitberechtigten nach § 2 Abs. 1, 1a VermG untereinander bestimmt sich nicht nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes über das Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten, sondern nach dem Gemeinschaftsverhältnis der Mitberechtigten, bei Miterben also nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Erbengemeinschaft.

BGH 18.10.2013, V ZR 281/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien waren Mitglieder einer Erbengemeinschaft, der ein Grundstück im früheren Ostteil von Berlin gehört. Dieses stand ursprünglich im Eigentum einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter R. war. Die Gesellschaft geriet während des NS-Regimes unter Verfolgungsdruck, weil R. Jude war. Er versuchte, sein Vermögen dadurch zu erhalten, indem er M., die mit seinem Generalbevollmächtigten H. verheiratet war, zur Mehrheitsgesellschafterin machte. 1942 lösten die Gesellschafter die Gesellschaft auf und verkauften das Grundstück an den Kaufmann G., der es 1946 M. zurückverkaufte.

Diese verstarb 1972 und wurde von den Beklagten beerbt, die als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen wurden. Im Jahr 1994 war ein Restitutionsverfahren vor der zuständigen Behörde anhängig, das 1999 zu dem Erlass eines Restitutionsbescheids führte, in welchem das Grundstück der Erbengemeinschaft nach R., bestehend aus der Klägerin mit einem 3/4-Anteil und den beiden Beklagten mit je einem 1/8-Anteil, übertragen wurde. Dieser Bescheid ist seit 2005 bestandskräftig und seit Ende 2007 im Grundbuch vollzogen. Im Jahr 2009 übertrugen die Beklagten ihre Erbanteile auf die Tochter der Beklagten zu 1).

Die Klägerin nahm diese in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch und einigte sich dort mit ihr darüber, dass sie rund 275.000 € zum Ausgleich der Mietherausgabeansprüche der Klägerin nach § 7 Abs. 7 VermG und ihrer eigenen Verwendungsersatzansprüche aus § 3 Abs. 3 S. 4 VermG zahlt. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte die Klägerin noch die Freistellung von Grundpfandrechten und Zahlung von etwa 213.000 €, gesamtschuldnerisch mit der Tochter der Beklagten zu 1). Danach sollen die Beklagten den Nachlass nicht ordnungsmäßig verwaltet haben.

Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Gründe:
Die Ansprüche auf Auskehrung von Miete und auf Schadensersatz wegen Verletzung des Unterlassungsgebots nach § 3 Abs. 3 S. 1 VermG richten sich gegen den Verfügungsberechtigten i.S.v. § 2 Abs. 3 VermG. Die Beklagten waren und sind allerdings keine Verfügungsberechtigten. Sie waren vielmehr Berechtigte i.S.v. § 2 Abs. 1 VermG. Der Grundbesitz war deshalb nicht nur der Klägerin, sondern der Klägerin und den Beklagten als Erbengemeinschaft restituiert worden. Wer selbst Berechtigter ist, kann allerdings nicht Verfügungsberechtigter sein. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 VermG wäre zwar auch der Berechtigte Verfügungsberechtigter, wenn er vor Erlass des Restitutionsbescheids schon Eigentümer des Restitutionsgegenstands ist oder Verfügungsmacht darüber hat. Insoweit geht der Wortlaut der Vorschrift aber über deren Zweck hinaus und führte zu Ergebnissen, die ihrem Zweck widersprächen. Er ist deshalb teleologisch einschränkend dahin auszulegen, dass Verfügungsbefugter nur ist, wer nicht selbst (Mit-)Berechtigter ist.

Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung ließen sich erbrechtliche Ansprüche der Klägerin nicht verneinen. Zwar bestehen keine Ansprüche aus dem Gesichtspunkt einer Erbauseinandersetzung. Allerdings kommt ein Anspruch der Erbengemeinschaft gegen die Beklagten als ihre früheren Mitglieder wegen Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 2038 Abs. 1 BGB in Betracht. Diesen Anspruch kann die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nach § 2039 S. 1 BGB selbst geltend machen.

Nach dem Vortrag der Klägerin ist ein Schadensersatzanspruch der Erbengemeinschaft gegen die Beklagten möglich. Danach sollen die Beklagten den Nachlass nicht ordnungsmäßig verwaltet haben. Das lässt sich allerdings nicht aus einem Verstoß gegen § 3 Abs. 3 VermG ableiten, weil diese Vorschrift im Verhältnis von Miterben untereinander keine Anwendung findet. Vielmehr kann ein Pflichtenverstoß nur erbengemeinschaftsrechtlich begründet werden. Das hatte die Klägerin erkennbar übersehen. Sie hätte hierauf hingewiesen werden und Gelegenheit erhalten müssen, ihren Vortrag dem veränderten rechtlichen Gesichtspunkt anzupassen. Dabei müsste dargelegt werden, inwiefern die Beklagten den Nachlass als Miterben nicht ordnungsgemäß verwaltet und dadurch einen Schaden verursacht haben. Ein Anspruch auf Freistellung ergäbe sich aus § 280 Abs. 1 BGB auch nur, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Ablösung der Pfandrechte erfordert hätte.

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