Müssen Vermieter den Mieterwechsel in einer WG hinnehmen?
BGH v. 27.4.2022 - VIII ZR 304/21Die Beklagte hatte im August 2013 eine Wohnung mit sieben Zimmern an insgesamt sechs männliche Personen vermietet. Noch vor Vertragsschluss war einer der in dem vorgedruckten Mietvertragsformular bereits aufgeführten potentiellen Mieter handschriftlich durch eine andere Person ersetzt worden, die zusammen mit den in der Vertragsurkunde aufgeführten weiteren fünf Mitmietern den Mietvertrag sodann unterzeichnete.
Mit Nachtrag vom 21.2.2017 vereinbarten die Beklagte, die damaligen Mieter und sechs weitere Personen, dass fünf der bisherigen Mieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden und dieses mit dem verbleibenden Mieter sowie den sechs hinzukommenden Personen als Mieter fortgesetzt werde. Hierbei wurde geregelt, dass die neuen Mieter sowohl hinsichtlich der Abrechnung der Vorauszahlungen auf Betriebskosten als auch hinsichtlich des tatsächlichen Zustands der Wohnung so gestellt würden, als seien sie von vornherein Vertragspartei gewesen.
In einem zweiten Nachtrag wurde im Mai 2017 vereinbart, dass einer der im Februar 2017 eingetretenen Mieter wieder ausscheidet und das Mietverhältnis stattdessen mit einer neu eintretenden Person fortgesetzt wird. Diese Vereinbarung enthielt zu den Rechten und Pflichten des eintretenden Mieters dieselben Regelungen wie der erste Nachtrag, wobei die Miete nicht erhöht wurde.
Im Oktober 2019 begehrten die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zu einem Austausch von vier der Mieter, was die Beklagte ablehnte. Die vier Personen, die nach dem Wunsch der Kläger in das Mietverhältnis eintreten sollen, wohnen bereits im Wege eines Untermietverhältnisses anstelle der vier Kläger, die aus dem Mietverhältnis ausscheiden wollen, in der streitgegenständlichen Wohnung.
Das AG hat der Klage auf Zustimmung zum Austausch stattgegeben. Das LG hat sie abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Das LG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern kein Anspruch auf Zustimmung zu einem erneuten Mieterwechsel zusteht. Ein derartiger Anspruch ergab sich weder aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag aus August 2013 i.V.m. den beiden Nachträgen noch im Wege der Auslegung.
Enthält ein Mietvertrag - wie hier - mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, zu einem Austausch einzelner Mieter keine Regelung, ist im Wege einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien den Mietern ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung zu einem künftigen Mieterwechsel zustehen sollte. Allein aus dem Vorliegen eines Mietvertrags mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, kann nicht auf einen derartigen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien geschlossen werden. Vielmehr bedarf es hierfür konkreter Anhaltspunkte.
Nach den Umständen des Einzelfalls kann den Willenserklärungen der Parteien die Vereinbarung eines - unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit des eintretenden Mieters stehenden - Anspruchs der Mieter auf Zustimmung zum Austausch eines Mitmieters insbesondere dann zu entnehmen sein, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgingen, dass sich häufig und in kurzen Zeitabständen ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann, weil die Mieter voraussichtlich auf Grund ihrer persönlichen Lebensumstände bereits bei Vertragsschluss absehbar nur für einen kurzen Zeitraum an dem jeweiligen Ort leben werden und eine vertragliche Bindung über diesen Zeitraum hinaus nicht eingehen wollen. Dies kann insbesondere bei der Vermietung an Studenten, die eine WG bilden, der Fall sein.
Ohne weitere Anhaltspunkte ergibt sich indes allein daraus, dass - wie hier - sechs Männer zwischen 25 und 34 Jahren zusammenwohnen wollten, nicht, dass sie in dieser Konstellation nur vorübergehend zusammenleben wollten, bereits absehbar häufig und in kurzen Zeitabständen einzelne Mieter ersetzt werden sollten, die Vertragsparteien dies dem Mietvertrag zu Grunde gelegt haben und hierauf gestützt ein Recht auf einen jederzeitigen Mieterwechsel begründen wollten. Die bei mehreren Mietern - auch bei Verwandten, Verheirateten oder Lebenspartnern - generell bestehende abstrakte Möglichkeit, dass in der Zukunft ein Mieterwechsel erforderlich werden könnte, genügt insoweit nicht.
Entgegen der Auffassung der Revision zeigt sich auch allein in dem noch vor Vertragsschluss erfolgten Austausch eines Mieters nicht eine Gleichgültigkeit der Beklagten bezüglich der Zusammensetzung der Mietermehrheit. Ohnehin genügte es für die Begründung eines Rechts zur Auswechslung einzelner Mieter nicht, wenn der Beklagten zu Vertragsbeginn die Person der Mieter gleichgültig gewesen sein sollte. Denn dies bedeutet nicht, dass sie deshalb bereit gewesen wäre, einem jederzeitigen künftigen Mieterwechsel zuzustimmen.
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