Nachbarrecht: § 917 BGB regelt Wegerechte abschließend
AG Köln v. 3.1.2024 - 149 C 520/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Eigentümer und Besitzer benachbarter Grundstücke. Das Straßengrundstück der Klägerin wird von einer Stichstraße ausgefüllt, die von einer öffentlichen Straße abgeht. An dieser Stichstraße wohnen sowohl Gesellschafter / Geschäftsführer der Klägerin als auch die Beklagten. An der Einfahrt zum Straßengrundstück befindet sich eine Schrankenanlage, die mit Ausnahme von Zeitpunkten, zu denen Heimspiele des nahegelegenen Fußballvereins stattfinden, geöffnet bleibt. Ferner befindet sich dort eine Beschilderung, die die Straße als "Privatweg" und verkehrsberuhigten Bereich ausweist.
Das Straßengrundstück ist nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Es handelt sich hierbei um die Erschließungsstraße für die ursprünglichen Baugrundstücke, darunter das Hausgrundstück der Beklagten. Es verbindet diese mit der öffentlichen Straße. Das Hausgrundstück grenzt nicht an eine öffentliche Straße an. Eine Übertragung des Straßengrundstücks an die Gemeinde oder die Stadt Köln ist nie erfolgt. Die Beklagten sowie deren Besucher, Lieferanten und Handwerker betreten und befahren das Straßengrundstück regelmäßig, ohne dass die Klägerin dies ausdrücklich erlaubt hätte. Alle Anlieger, auch die Voreigentümer des Hausgrundstücks, durften und dürfen das Straßengrundstück begehen und befahren, ihre Fahrzeug am Straßenrand vor ihren Grundstücken abstellen und die Straße zur Aufstellung von Containern und Baumaschinen benutzen, wenn es zu entsprechenden Baumaßnahmen auf ihren Grundstücken kommt.
Die Klägerin brachte auf dem Straßengrundstück nahe der Grenze zum Hausgrundstück Metallpoller an und händigte zugehörige Schlüssel Dritten aus, damit diese dort parken können. Seitdem ist für die Ein- und Ausfahrt auf das bzw. von dem Hausgrundstück Rangieren erforderlich. Bislang wurden die Poller einmal von der Beklagten und einmal durch einen auf das Grundstück der Beklagten bestellten Handwerker touchiert. Die Klägerin untersagte den Beklagten, das Straßengrundstück zu befahren und durch Dritte befahren zu lassen. Ferner forderte sie die Beklagten dazu auf, eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Eine solche gaben die Beklagten nicht ab.
Das AG gab der Unterlassungsklage vollumfänglich statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung des Betretens und des Benutzens des Straßengrundstückes als Fahrweg durch die Beklagten sowie von diesen zur Hilfe genommener Dritter aus § 862 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu.
Die Beklagten stören die Klägerin durch verbotene Eigenmacht in ihrem Besitz. Verbotene Eigenmacht begeht gem. § 858 Abs. 1 BGB, wer den Besitzer ohne dessen Willen im Besitz stört, sofern nicht das Gesetz die Störung gestattet. Schon das unbefugte Benutzen eines Weges stellt eine Störung im Besitz dar. Dies gilt erst recht, wenn der Weg mit Kraftfahrzeugen befahren wird. Denn eine Besitzstörung setzt nicht voraus, dass der Besitz entzogen wird, vielmehr genügt es, wenn er bedroht oder in sonstiger Weise im weitesten Sinne beeinträchtigt wird.
Die Störung wird auch nicht durch das Gesetz gestattet. Erforderlich wäre, dass gerade die eigenmächtige Handlungsweise gesetzlich gestattet ist. Eine solche Gestattung ergibt sich im vorliegenden Fall gerade nicht aus einem Notwegerecht i.S.d. § 917 BGB, da die Beklagten ein solches nicht geltend gemacht haben. Ein Notwegerecht entsteht nicht schon dann, wenn einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Vielmehr stellt das Verlangen eines Notwegs ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar.
Andere Rechtsgrundlagen, die den Beklagten das Betreten bzw. Befahren des Straßengrundstücks gestatten, bestehen nicht. Dies schon deswegen nicht, weil § 917 BGB die Wegerechte abschließend regelt. Sind ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, so können sie weder mit Hilfe des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (ständige BGH-Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2013 - V ZR 24/13) noch gestützt auf eine jahrzehntelange Übung unter einzelnen Grundstücksnachbarn noch gestützt auf den Vorwurf schikanöser Rechtsausübung (BGH, Urt. v. 6.5.2022 - V ZR 50/21) umgangen oder erweitert werden.
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Justiz NRW
Die Parteien sind Eigentümer und Besitzer benachbarter Grundstücke. Das Straßengrundstück der Klägerin wird von einer Stichstraße ausgefüllt, die von einer öffentlichen Straße abgeht. An dieser Stichstraße wohnen sowohl Gesellschafter / Geschäftsführer der Klägerin als auch die Beklagten. An der Einfahrt zum Straßengrundstück befindet sich eine Schrankenanlage, die mit Ausnahme von Zeitpunkten, zu denen Heimspiele des nahegelegenen Fußballvereins stattfinden, geöffnet bleibt. Ferner befindet sich dort eine Beschilderung, die die Straße als "Privatweg" und verkehrsberuhigten Bereich ausweist.
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