Nachbarschaftsstreit: Keilerei unter Rentnern
AG Frankfurt a.M. v. 21.10.2021 - 32 C 105/21 (86)
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger ist 88 Jahre und der Beklagte 71 Jahre alt. Der Kläger ist pensionierter Polizeibeamter. Es bestand bereits seit 2018 ein angespanntes Verhältnis zwischen den Parteien, dass schließlich in dem streitgegenständlichen Vorfall mündete. Am frühen Abend des 14.11.2019 gegen 18:00 Uhr hatte der Kläger wieder einmal mit einer Kreissäge Holz bearbeitet. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Mietwohnung, von der zwei Fenster zum Innenhof hinausgehen, und schaute gerade die Sportschau. Er Beklagte hatte bereits drei Bier getrunken. Um 18:33 Uhr ergab ein freiwilliger Atemalkoholtest einen Wert von 1,32 ‰.
Der Beklagte fühlte sich durch den vom Kläger verursachten Lärm gestört und forderten diesen durch ein geöffnetes Fenster auf, die Arbeiten zu beenden. Der Kläger setzte die Arbeiten unbeirrt fort. Kurz darauf kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, deren Verlauf streitig ist. Die Auseinandersetzung endete erst nach dem der durch Hilfeschreie alarmierte Betreiber des gegenüberliegenden Geschäftes (Herr A.) hinzukam. Dieser fand den Kläger über den Beklagten kniend vor und rief die Polizei sowie den Rettungsdienst.
Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen in die Unfallklinik gefahren. Für den Transport entstanden dem Kläger Kosten i.H.v. 795,- €. Die ärztlichen Behandlungskosten beliefen sich auf knapp 140 €. Der Kläger forderte den Beklagten auf, den entstandenen Schaden zu begleichen. Zudem erstattete der Kläger Strafanzeige gegen den Beklagten. Das Ermittlungsverfahren wurde allerdings gem. § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.
Das AG verurteilte den Beklagten, an den Kläger 938 € Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld i.H.v. 800 € zu zahlen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten aufgrund einer vorsätzlich begangenen Körperverletzungshandlung ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie ein Anspruch auf Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 3 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu.
Angesicht der Aussagen der Parteien, sieht das Gericht die Schilderung des Klägers bestätigt und die Behauptung des Beklagten, dieser habe sich lediglich verteidigt, widerlegt. Der Beklagte maß der Gegebenheit offensichtlich auch keine größere Bedeutung zu. So wurde auch der Beklagte durch das Gerangel verletzt, lehnte aber eine ärztliche Behandlung ab. In der mündlichen Verhandlung wurde darüber hinaus auch deutlich, dass der Beklagte an einem konservativen, mittlerweile überholten Verhaltenskodex zwischen Männern bei körperlichen Auseinandersetzungen festhält. Des Weiteren zeigte der Beklagte kaum Einsicht, sondern beharrte darauf, sich gegen die ungeheure Belästigung durch die Kreissäge gewährt zu haben, da es doch Abendzeit gewesen sei und man dann eigentlich zu Ruhe komme. Er habe doch nur Fußball schauen wollen. Er musste mehrfach davon abgehalten werden, die Kreissäge im Gerichtssaal nachzuahmen.
Dem Beklagten ist hinsichtlich der Uneinsichtigkeit des Klägers bezüglich des von ihm verursachten Lärms zuzustimmen. Schon aus dem Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme wäre der Kläger gehalten gewesen, die Arbeiten für diesen Tag einzustellen oder zumindest zu unterbrechen. Gleichwohl rechtfertigt dies weder die Handlung des Beklagten noch führt dies zu der Annahme eines Mitverschuldens nach § 254 BGB auf seitens des Klägers. Dem Kläger wäre hier allenfalls ein fahrlässiges Mitverschulden vorzuwerfen. Diese tritt jedoch gänzlich hinter der vorsätzlichen Begehung des Beklagten zurück.
Der Zweck des Schmerzensgeldes besteht insbesondere darin, dem Verletzten die ihm entstandenen immateriellen Schäden angemessen auszugleichen. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld dem Verletzten auch eine gewisse Genugtuung verschaffen, was ihm vom Schädiger angetan wurde. Diesem Genugtuungsbedürfnis kommt dann wachsende Bedeutung zu, wenn die Schädigung vorsätzlich oder in bewusster sonstiger Verletzungsabsicht erfolgt. Vorliegend hat der Beklagte den Kläger vorsätzlich angegriffen und geschädigt, so dass die Genugtuungsfunktion hier besonders zu berücksichtigen ist. Des Weiteren sind die erlittenen Verletzungen des Klägers auch nicht so geringfügig, als dass es der Zubilligung von Schmerzensgeld nicht bedürfe.
LaReDa Hessen
Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger ist 88 Jahre und der Beklagte 71 Jahre alt. Der Kläger ist pensionierter Polizeibeamter. Es bestand bereits seit 2018 ein angespanntes Verhältnis zwischen den Parteien, dass schließlich in dem streitgegenständlichen Vorfall mündete. Am frühen Abend des 14.11.2019 gegen 18:00 Uhr hatte der Kläger wieder einmal mit einer Kreissäge Holz bearbeitet. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt in seiner Mietwohnung, von der zwei Fenster zum Innenhof hinausgehen, und schaute gerade die Sportschau. Er Beklagte hatte bereits drei Bier getrunken. Um 18:33 Uhr ergab ein freiwilliger Atemalkoholtest einen Wert von 1,32 ‰.
Der Beklagte fühlte sich durch den vom Kläger verursachten Lärm gestört und forderten diesen durch ein geöffnetes Fenster auf, die Arbeiten zu beenden. Der Kläger setzte die Arbeiten unbeirrt fort. Kurz darauf kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, deren Verlauf streitig ist. Die Auseinandersetzung endete erst nach dem der durch Hilfeschreie alarmierte Betreiber des gegenüberliegenden Geschäftes (Herr A.) hinzukam. Dieser fand den Kläger über den Beklagten kniend vor und rief die Polizei sowie den Rettungsdienst.
Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen in die Unfallklinik gefahren. Für den Transport entstanden dem Kläger Kosten i.H.v. 795,- €. Die ärztlichen Behandlungskosten beliefen sich auf knapp 140 €. Der Kläger forderte den Beklagten auf, den entstandenen Schaden zu begleichen. Zudem erstattete der Kläger Strafanzeige gegen den Beklagten. Das Ermittlungsverfahren wurde allerdings gem. § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.
Das AG verurteilte den Beklagten, an den Kläger 938 € Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld i.H.v. 800 € zu zahlen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten aufgrund einer vorsätzlich begangenen Körperverletzungshandlung ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie ein Anspruch auf Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 3 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu.
Angesicht der Aussagen der Parteien, sieht das Gericht die Schilderung des Klägers bestätigt und die Behauptung des Beklagten, dieser habe sich lediglich verteidigt, widerlegt. Der Beklagte maß der Gegebenheit offensichtlich auch keine größere Bedeutung zu. So wurde auch der Beklagte durch das Gerangel verletzt, lehnte aber eine ärztliche Behandlung ab. In der mündlichen Verhandlung wurde darüber hinaus auch deutlich, dass der Beklagte an einem konservativen, mittlerweile überholten Verhaltenskodex zwischen Männern bei körperlichen Auseinandersetzungen festhält. Des Weiteren zeigte der Beklagte kaum Einsicht, sondern beharrte darauf, sich gegen die ungeheure Belästigung durch die Kreissäge gewährt zu haben, da es doch Abendzeit gewesen sei und man dann eigentlich zu Ruhe komme. Er habe doch nur Fußball schauen wollen. Er musste mehrfach davon abgehalten werden, die Kreissäge im Gerichtssaal nachzuahmen.
Dem Beklagten ist hinsichtlich der Uneinsichtigkeit des Klägers bezüglich des von ihm verursachten Lärms zuzustimmen. Schon aus dem Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme wäre der Kläger gehalten gewesen, die Arbeiten für diesen Tag einzustellen oder zumindest zu unterbrechen. Gleichwohl rechtfertigt dies weder die Handlung des Beklagten noch führt dies zu der Annahme eines Mitverschuldens nach § 254 BGB auf seitens des Klägers. Dem Kläger wäre hier allenfalls ein fahrlässiges Mitverschulden vorzuwerfen. Diese tritt jedoch gänzlich hinter der vorsätzlichen Begehung des Beklagten zurück.
Der Zweck des Schmerzensgeldes besteht insbesondere darin, dem Verletzten die ihm entstandenen immateriellen Schäden angemessen auszugleichen. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld dem Verletzten auch eine gewisse Genugtuung verschaffen, was ihm vom Schädiger angetan wurde. Diesem Genugtuungsbedürfnis kommt dann wachsende Bedeutung zu, wenn die Schädigung vorsätzlich oder in bewusster sonstiger Verletzungsabsicht erfolgt. Vorliegend hat der Beklagte den Kläger vorsätzlich angegriffen und geschädigt, so dass die Genugtuungsfunktion hier besonders zu berücksichtigen ist. Des Weiteren sind die erlittenen Verletzungen des Klägers auch nicht so geringfügig, als dass es der Zubilligung von Schmerzensgeld nicht bedürfe.