23.02.2024

Nachbarstreit: Räumung eines Grundstücks samt Carport nach gut 20 Jahren Nutzungsdauer

Nach § 604 Abs. 3 BGB kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist. Unzulässig wäre eine Kündigung der Leihe nach § 242 BGB nur dann, wenn eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit durch die Beendigung des Leihvertrages vorliegen würde. Bei einer Kündigung nach einer Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren besteht allerdings keine derart offensichtliche Unwirtschaftlichkeit.

AG Plön v. 26.1.2024 - 74 C 131/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks, das sich neben dem Klägergrundstück befindet. Ursprünglich war der Vater des Klägers Eigentümer des klägerischen Grundstücks. Im Jahr 1999 hatten die Beklagten eine Terrasse auf ihrem Grundstück errichtet, die über eine Breite von ca. 1 bis 1,5 Meter auf das Grundstück des Klägers ragte. Um die Jahrtausendwende bauten sie einen ca. 2,5 Meter hohen, 10 Meter breiten und 4,5 Meter langen Carport nebst Werkstatt auf dem Grundstück des Klägers. Anschließend legten die Beklagten auf dem Grundstück des Klägers einen Kiesweg an. Zudem lagerten sie dort ihre Mülltonnen und weitere Gegenstände wie Gitterbehältnisse, in denen Holz gelagert wird, verschiedene Ziegel und einen Bauwagen.

Im Jahr 2018 erbte der Kläger das Grundstück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.7.2019 kündigte er vorsorglich und ohne Anerkenntnis oder Präjudiz für die Sach- und Rechtslage den angeblich seinerzeit zwischen den Beklagten und dem Erblasser geschlossenen Nutzungsvertrag und forderte die Beklagten zur Räumung des Grundstücks bis zum 30.4.2020 auf. Diese behaupteten, der Vater des Klägers habe sein Grundstück für die Bebauung des Carports zur Verfügung gestellt und sogar bei der Errichtung tatkräftig mitgeholfen. Gegenüber Familienangehörigen, Nachbarn und Freunden habe er immer wieder geäußert, dass die Beklagten das Grundstück haben könnten.

Das AG gab der Klage auf Räumung und Herausgabe vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstückteils nach § 985 BGB.

Die Beklagten haben kein Recht zum Besitz. Die unstreitige Duldung des Vaters des Klägers konnte nicht als Willenserklärung zum Abschluss eines Leihvertrages ausgelegt werden. In der Gebrauchsüberlassung allein durch Duldung des Vaters war eine Gefälligkeit zu sehen, sodass eine jederzeitige Rückforderung des Grundstücks des Klägers möglich ist. Für konkrete Absprachen zwischen dem Vater des Klägers und den Beklagten bezüglich des Carports wurde kein Beweis angeboten. Zwar stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Vater des Klägers in Kenntnis des Grenzverlaufs und der Eigentumsverhältnisse mit der Errichtung des Carports auf seinem Grundstück einverstanden war. Zu den weiteren Modalitäten der Absprache wurde allerdings kein Beweis angeboten.

Das Einverständnis des Vaters mit der Errichtung des Carports und die entsprechende Zurverfügungstellung seines Grundstücks war als Leihvertrag i.S.d. § 598 BGB auszulegen. Gegen ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen, bei dem die überlassene Sache jederzeit zurückgefordert werden kann, sprach das schutzwürdige Interesse der Beklagten, die nicht unerhebliche Mittel für die Errichtung des Carports aufgewendet hatten, was dem Vater des Klägers auch bekannt war. Der Leihvertrag wurde jedoch durch die Kündigung des Klägers vom 25.7.2019 zum 30.4.2020 beendet, sodass die Beklagten ab diesem Zeitpunkt kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB mehr haben. Nach § 604 Abs. 3 BGB kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist. Und die Voraussetzungen für das Rückgabeverlangen nach § 604 Abs. 3 BGB lagen hier vor

Eine Dauer der Leihe war nicht bestimmt. Für die Behauptung der Beklagten, ihnen sei das Grundstück lebenslang vom Vater des Klägers überlassen worden, sind die Beklagten beweisfällig geblieben. Die Dauer der Gebrauchsüberlassung war auch nicht dem Zweck der Leihe zu entnehmen. Erforderlich wäre dann nämlich ein Rechtsbindungswillen des Vaters des Klägers, dass die Dauer der Leihe zugunsten des Entleihers von diesem Zweck abhängig sein sollte. Es war nicht ersichtlich, dass der Vater mit seinem erteilten Einverständnis zum Bau des Carports ohne jegliche Absprache bezüglich der Dauer der Gebrauchsüberlassung eine so weitreichende Verpflichtung eingehen wollte, die insbesondere auch seine Rechtsnachfolger bindet.

Zuletzt war die Kündigung der Leihe auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Unzulässig wäre die Rechtsausübung nur dann, wenn eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit durch die Beendigung des Leihvertrages vorliegen würde. Abzustellen ist insofern auf den Empfängerhorizont eines objektiven Dritten. Bei einer Kündigung nach einer Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren besteht keine derart offensichtliche Unwirtschaftlichkeit, die eine Kündigung nach § 242 BGB ausschließt. Insoweit schätzt das Gericht die Aufwendungen der Beklagten unter Berücksichtigung der Eigenleistungen auf maximal 10.000 €. Bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren wären dies 500 € im Jahr. Unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung der Grundstücksfläche, haben die Beklagten rein objektiv ein gutes Geschäft gemacht. Keinesfalls lag eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vor, die eine Kündigung nach § 242 BGB ausschließen würde.

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Kommentierung | BGB
§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Aufsatz:
Kündigung: Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter
BGH vom 08.08.2023 - VIII ZR 234/22
Keno Zimmer, MietRB 2024, 3
MIETRB0062672

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