19.02.2025

Nächtlicher Lärm im Mietshaus: Auch typisches Wohnverhalten kann Hausfrieden stören

In Anlehnung an die TA-Lärm liegt die allgemein übliche Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, wobei die Rücksichtnahmepflicht ab 22:00 Uhr erhöht, zwischen 0:00 Uhr und 06:00 Uhr deutlich erhöht ist. Auch typisches Wohnverhalten (Duschen, Baden, Staubsaugen, Möbelrücken, Unterhaltungen) kann zu einer außerordentlichen Kündigung des Wohnraummietvertrages wegen Störung des Hausfriedens führen.

AG Hamburg v. 11.2.2025 - 21 C 344/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugenossenschaft. Die 79-jährige Beklagte zu 1) ist seit 2020 betreute Bewohnerin einer 116 qm großen Wohnung in einem Altbau in Hamburg. Der Beklagte zu 2) ist ihr erwachsener Sohn, der ebenfalls in der Wohnung lebt. Seit 2022 wurden die Beklagten, auch zu Händen des Betreuers, von der Klägerin auf störend beschriebenes Wohnverhalten seitens der Beklagten - vor allem zur Nachtzeit - hingewiesen. Aufgrund fortsetzender lärmverursachender Verhaltensweisen zu Abend- und Nachtzeiten wie Baden, Duschen, Staubsaugen, Waschmaschine betätigen, lautes Streiten, Möbelrücken, Türen- und Fensterschlagen beschwerten sich wiederkehrend andere Mieter der Hausgemeinschaft.

Die Klägerin reagierte auf die eingereichten Lärmprotokolle jeweils mit mehreren Abmahnungsschreiben im Zeitraum vom 18.4.2023 bis 23.8.2023. Die Klägerin bat die Beklagten mehrmals um persönliche Gespräche, doch wurden die Termine jedes Mal kurzfristig von den Beklagten abgesagt. Nach der Durchführung von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnamen im Objekt und kurzfristiger Ausgliederung der Bewohner erklärte die Klägerin am 24.7.2024 gegenüber den Beklagten und dem Betreuer die fristlose, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus.

Die Klägerin war der Ansicht, dass durch die oben aufgeführten stundenlang verursachten nächtlichen Wohngeräusche das Maß lediglich sozial adäquaten Wohnverhaltens weit überschritten sei, es ginge in Lautstärke und nächtlicher Regelmäßigkeit weit darüber hinaus. Die Beklagten hielten dagegen, dass mit Rücksicht auf die Erkrankung der Beklagten zu 1.) bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ein gewisses Maß an Toleranz auf Seiten des Vermieters und der Nachbarn erwartet werden dürfte. Der Beklagte zu 2) pflege die Beklagte zu 1). Sie behaupteten, dass die Beklagte zu 1) nachts über kribbelnde Beine klage und deshalb nachts in kaltes Wasser in die Badewanne gesetzt werden müsse.

Das AG hat der Räumungsklage stattgegeben.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. §§ 546 Abs. 1, 2, 549 Abs. 1 BGB zu, da das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 24.7.2024 gem. §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB wirksam beendet worden ist.

Wenn die Mietzeit nicht bestimmt ist, kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen, § 542 BGB. Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund i.d.S. liegt insbesondere vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, §§ 543 Abs. 1 S. 2, 569 Abs. 2 BGB.

Und dies war vorliegend der Fall. In Anlehnung an die TA-Lärm liegt die allgemein übliche Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, wobei die Rücksichtnahmepflicht ab 22:00 Uhr erhöht, zwischen 0:00 Uhr und 06:00 Uhr deutlich erhöht ist. Auch typisches Wohnverhalten (Duschen, Baden, Staubsaugen, Möbelrücken, Unterhaltungen) kann zu einer außerordentlichen Kündigung des Wohnraummietvertrages wegen Störung des Hausfriedens führen, wenn das sozial adäquate Maß der Nutzung überschritten ist und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Regelmäßiges Duschen und Baden zur Nachtzeit von bis zu 60 Minuten, teilweise bis zu zwei bis drei Stunden mit regelmäßig wiederkehrenden Verhaltensweisen wie nächtlichem Staubsaugen und Möbelrücken überschreitet das sozial adäquate Maß, das anderer Bewohner eines Hauses im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme dulden müssen.

Anhand der Lärmprotokolle ergab sich, dass diese Störungen nicht vereinzelnd, sondern ebenso regelmäßig feststellbar waren und in den Nachtstunden von 22 Uhr bis 6 Uhr auftraten. Zwar waren die vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen der Beklagten zu 1) als belegt anzusehen, § 286 Abs. 1 ZPO. Eine Rechtfertigung für das Verhalten der Beklagten stellte dies gleichwohl nicht dar. Denn es fehlte bereits an einem Zusammenhang des Gesundheitszustandes zu den festgestellten Ruhestörungen, insbesondere für völlig losgelöste Verhaltensweisen wie Staubsaugen, Möbelrücken oder wiederkehrendes Türenschlagen. Von kribbelnden Beinen als Grund für das nächtliche Baden mit kaltem Wasser konnte sich das Gericht nicht überzeugen.

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