Nachträgliche Errichtung einer dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügenden Vereinbarung mit Wirkung ex nunc oder ex tunc?
OLG Celle v. 20.9.2023 - 2 U 27/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine GbR, die mit der Klägerin einen langfristigen Mietvertrag zum Betrieb einer Arztpraxis abgeschlossen hatte. Die GbR wurde später in eine GmbH umgewandelt. Noch bevor die Klägerin Kenntnis von der Umwandlung erlangt hatte, kündigte sie das Mietverhältnis mit Schreiben vom 26.4.2021 zum 31.12.2021 aufgrund eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB. Der erste Änderungsvertrag zum Mietvertrag vom 16.12.2015 genügte der Form des § 550 BGB nicht.
Die Beklagte akzeptierte die Kündigung nicht und berief sich u.a. darauf, dass die Schriftform rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung durch Unterzeichnung des Änderungsvertrags nachgeholt worden wäre. Die Klägerin kündigte daraufhin wegen Zahlungsverzugs auch außerordentlich fristlos.
Das LG gab der Räumungsklage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die Beklagte ist gem. § 546 Abs. 1 BGB der Klägerin gegenüber zur Rückgabe der angemieteten Räumlichkeiten verpflichtet, nachdem die Klägerin das bestehende Mietvertragsverhältnis wirksam mit Kündigungsschreiben vom 26.4.2021 zum Ablauf des 31.12.2021 gekündigt hatte.
Ohne Erfolg machte die Beklagte geltend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigung nicht an die beklagte GmbH, sondern an die GbR gerichtet gewesen sei. Die Wirksamkeit der Kündigung folgte aus einer analogen Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB. Im Anwendungsbereich von § 566 BGB ist in Bezug auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Mieters, wie etwa einer Kündigung, anerkannt, dass § 407 BGB entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH v. 23.2.2012 - IX ZR 29/11, MietRB 2012, 165 [Siegmund] = MDR 2012, 573), für den vorliegenden Fall, wenn der Vermieter kündigt, gilt nichts anderes.
Der hier maßgebliche Schriftformverstoß kann zwar durch eine spätere, formgerechte Nachtragsvereinbarung geheilt werden, dies setzt aber voraus, dass bis zum Zeitpunkt, zu dem die zweite, schriftformkonforme Urkunde errichtet wird, noch nicht ordentlich wegen Nichteinhaltung der Schriftform gekündigt wurde und diese Kündigung dem Vertragsgegner auch zugegangen ist. Erst ab dem Moment, in dem eine dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügende Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrags vollständig und richtig widergibt, ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, denn die Errichtung einer entsprechenden Urkunde entfaltet nur Wirkung ex nunc und nicht ex tunc, was sich aus einem argumentum a fortiore mit Rücksicht auf die Regelung zur Heilung von formnichtigen Rechtsgeschäften bei Nichteinhaltung der notariellen Beurkundung ergibt, denn nach § 311 Abs. 1 S. 2 BGB "wird" ein ohne Beachtung der Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgt. Wenn bei Formverstößen, die sogar die Wirksamkeit des Vertrags im Ganzen berühren, eine Heilung nur ex nunc eintritt, kann für die Nichteinhaltung der Schriftform bei langfristigen Mietverträgen nichts anderes gelten.
Zwar konnte sich die Beklagte hier auf Treu und Glauben berufen, weil ihre wirtschaftliche Existenz durch die Kündigung bedroht wird. Denn auch eine Kapitalgesellschaft kann sich auf eine Existenzgefährdung berufen. Von einer rechtlich relevanten Existenzbedrohung bei gewerblichen Mietverhältnissen kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn gerade durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des konkreten Mietobjekts die Grundlagen der wirtschaftlichen Existenz des Mieters verloren geht, dass dieser also dauerhaft und endgültig nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. BGH v. 8.5.2019 - XII ZR 62/18). Eine solche Existenzbedrohung auf Mieterseite konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden.
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Ohne Erfolg machte die Beklagte geltend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigung nicht an die beklagte GmbH, sondern an die GbR gerichtet gewesen sei. Die Wirksamkeit der Kündigung folgte aus einer analogen Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB. Im Anwendungsbereich von § 566 BGB ist in Bezug auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Mieters, wie etwa einer Kündigung, anerkannt, dass § 407 BGB entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH v. 23.2.2012 - IX ZR 29/11, MietRB 2012, 165 [Siegmund] = MDR 2012, 573), für den vorliegenden Fall, wenn der Vermieter kündigt, gilt nichts anderes.
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Zwar konnte sich die Beklagte hier auf Treu und Glauben berufen, weil ihre wirtschaftliche Existenz durch die Kündigung bedroht wird. Denn auch eine Kapitalgesellschaft kann sich auf eine Existenzgefährdung berufen. Von einer rechtlich relevanten Existenzbedrohung bei gewerblichen Mietverhältnissen kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn gerade durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des konkreten Mietobjekts die Grundlagen der wirtschaftlichen Existenz des Mieters verloren geht, dass dieser also dauerhaft und endgültig nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. BGH v. 8.5.2019 - XII ZR 62/18). Eine solche Existenzbedrohung auf Mieterseite konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden.
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